VfGH A20/08

VfGHA20/0816.6.2009

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage betreffend Schadenersatz für Kosten einer Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Entzug dessen Zuständigkeit in Asylsachen aufgrund einer B-VG-Novelle; Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Unabhängigen Bundesasylsenat als Auslöser der Haftung; Geltendmachung der Ansprüche daher im Amtshaftungsverfahren

Normen

B-VG Art132
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / ord Rechtsweg
B-VG Art151 Abs39 Z5 idF BGBl I 2/2008
B-VG Art132
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / ord Rechtsweg
B-VG Art151 Abs39 Z5 idF BGBl I 2/2008

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

II. Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1.1. Der Kläger brachte mit Schriftsatz vom 15. November

2008 eine auf Art137 B-VG gestützte Klage ein und beantragte den Zuspruch von € 991,20 s.A. aus dem Titel der Staatshaftung.

1.2. Diese Klage begründete der Kläger damit, dass er am 6. September 2007 eine Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B-VG beim Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) eingebracht habe, da der in seinem Asylverfahren zuständige Unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) nicht binnen sechs Monaten nach fristgerechter Erhebung der Berufung gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. November 2004 entschieden habe. Es habe zwar einen jahrelangen Schriftwechsel mit dem UBAS gegeben, es sei aber zu keiner Entscheidung gekommen.

Mit Verfügung vom 13. September 2007 habe der VwGH dem UBAS eine dreimonatige Frist zur Entscheidung gesetzt, andernfalls die Zuständigkeit auf den VwGH übergehen würde. Diese Verfügung sei dem Kläger am 26. September 2007 zugestellt worden, dem UBAS keinesfalls später. Da es bis 26. Dezember 2007 keine Entscheidung durch den UBAS gegeben habe, sei die Zuständigkeit an den VwGH übergegangen. Dieser habe aber ebenfalls keine Entscheidung getroffen. Vielmehr habe er dem Kläger mit Verfügung vom 17. Juli 2008 mitgeteilt, dass das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mit Ablauf des 30. Juni 2008 gemäß Art151 Abs39 Z5 B-VG idF der Novelle BGBl. I 2/2008 als eingestellt gilt und das Asylverfahren, auf das sich die Beschwerde bezieht, vom Asylgerichtshof weiterzuführen ist.

Diese Bestimmung lautet:

"Ab dem 28. November 2007 ist in Verfahren, die beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mehr zulässig. Beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängige Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Bundesasylsenat gelten mit Ablauf des 30. Juni 2008 als eingestellt; die Verfahren, auf die sich die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht bezieht, sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen."

1.3. Weiters führte der Kläger aus, dass der VwGH ohne die genannte Gesetzesbestimmung zur Entscheidung in der Sache berufen gewesen wäre. Unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens wäre die Beschwerde erfolgreich gewesen und dem Kläger wären die Kosten der Säumnisbeschwerde, die er mit € 991,20 beziffert, zugesprochen worden.

1.4. Der Kläger gründete den behaupteten Schadenersatzanspruch in Höhe der Kosten der Säumnisbeschwerde von € 991,20 samt Zinsen und Kosten auf den Titel der Staatshaftung und meint hiezu, dass der Verfassungsgesetzgeber mit Erlassung des Art151 Abs39 Z5 B-VG idF der Novelle BGBl. I 2/2008 gegen das "gemeinschaftsrechtliche Verschlechterungsverbot", das "gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot" sowie gegen "gemeinschaftsrechtliche Mindeststandards" verstoßen habe. Er regt die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an. Weiters regt er an, die genannte Verfassungsbestimmung "wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip als Gesamtänderung der Bundesverfassung und wegen Verstoßes gegen das gemeinschaftsrechtliche Verschlechterungsverbot (sowie gegen weitere im Folgenden aufgezeigte Standards) aufzuheben". Ferner möge der Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH) die Bestimmungen auch "wegen Verstoßes gegen den gemeinschaftsrechtlichen Mindeststandard aufheben und aussprechen, dass die frühere Rechtslage wieder in Kraft tritt."

1.5. Schließlich brachte der Kläger zum Staatshaftungsanspruch Folgendes vor:

"Hätte der Bundesverfassungsgesetzgeber nicht im Drogenrausch seiner präsumtiven verfassungsgesetzlichen Allmacht die Bestimmung des Art151 Abs39 Ziffer 5 Satz 2 erlassen, wäre der Beschwerdeführer mit seiner bereits gewonnenen Beschwerde durchgedrungen und hätte vom Verwaltungsgerichtshof vollen Kostenersatz zugesprochen bekommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich im Säumnisbeschwerdeverfahren der Übergang der Zuständigkeit die Verfahrensfrage, die über den Kostenersatz entscheidet, und spricht der Verwaltungsgerichtshof bei Übergang der Entscheidungszuständigkeit in meritu auf ihn bereits volle Kosten zu (Erkenntnis vom 06.07.1999, 97/10/0096).

Dem Kläger ist sohin ein Schadenersatzanspruch beim Verwaltungsgerichtshof entstanden ..."

2. Der Bund erstattete eine Gegenschrift und brachte darin vor, dass es sich bei der geltend gemachten Summe um einen Amtshaftungsanspruch handelte, zu dessen Entscheidung der VfGH nicht berufen sei. Vielmehr sei dieser im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

Die Untätigkeit des UBAS habe die Kosten des Klägers für die Erhebung der Säumnisbeschwerde verursacht, daran ändere auch der Übergang der Kompetenzen vor der Entscheidung des VwGH nichts. Mit dem Übergang der Kompetenz auf den Asylgerichtshof sei auch die Höhe des Schadens feststellbar gewesen, habe doch der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen können, seine Kosten in einer Entscheidung über die Säumnisbeschwerde zuerkannt zu bekommen.

Dieser Schaden sei nicht unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen, weshalb auch keine Zuständigkeit des VfGH iSd Art137 B-VG vorliegen könne.

Der Bund habe nun die zugestellte Klage nach Art137 B-VG als Aufforderungsschreiben iSd §8 Amtshaftungsgesetz gewertet und die Forderung in Höhe von € 740,54 bereits anerkannt, diese sei am 16. März 2009 überwiesen worden. Zur Höhe der anerkannten Forderung führte die beklagte Partei aus:

"Der anerkannte Betrag von Euro 740,54 entspricht der nach der Rechtsprechung der Amtshaftungsgerichte für die Honorierung einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angemessenen Höhe (vgl. z.B. OLG Wien 14.2.2003, 14 R 240/02w). Wie die Finanzprokuratur mitgeteilt hat, wird in allen vergleichbaren Fällen gleich vorgegangen. Ausgehend davon werden gegenüber dem Bund durch ein Aufforderungsschreibens nach §8 AHG geltend gemachte Ansprüche auf Ersatz der Kosten für die Erhebung von Säumnisbeschwerden an den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich in dieser Höhe anerkannt."

3. Aufgefordert zur Stellungnahme hinsichtlich der geleisteten Zahlung gab der Kläger bekannt, dass er sich trotz Zahlung nicht als klaglos gestellt erachten, jedoch seine Klagsforderung auf € 250,66 s.A. einschränken würde.

Da der Kläger weder in der Klage noch in seinem Schriftsatz vom 20. April 2009 die Klagsforderung aufgliedert, kann nicht nachvollzogen werden, worauf sich die Berechnungsdifferenz zwischen der Klageforderung und der Zahlung seitens des beklagten Bundes gründet. Aus den weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 20. April 2009 ergibt sich jedoch, dass es dem Kläger offensichtlich nicht um die unterschiedliche Berechnung des Schadensbetrages geht, sondern um den Umstand, dass der VwGH nicht in der Lage war, über die Säumnisbeschwerde zu entscheiden. Der Kläger wiederholt nämlich seine gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Art151 Abs39 Z5 B-VG idF der Novelle BGBl. I 2/2008 und meint dann:

"Die Beseitigung des eingetretenen Rechtsanspruchs des Klägers auf meritorische Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof und auf Kostenersatz unabhängig vom Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens macht den Schaden aus, den der Kläger mit seiner Klage geltend macht.

Natürlich war dem Kläger klar, dass er für die Folgen der Säumnis des Unabhängigen Bundesasylsenates Amtshaftung bei der Finanzprokuratur geltend machen konnte.

Seine Hauptbeschwer liegt allerdings darin, dass dem Kläger aufgrund eines rückwirkenden Gesetzgebungsakts die Entscheidung durch den zuständigen Verwaltungsgerichtshof, sogar in der Sache selbst, entzogen wurde.

Der durch direkte Auswirkung des Gesetzgebungsakts entstandene Schaden ist die Klagsforderung, wobei - wie in vielen Zivilprozessen - zwar um Kosten 'gestritten' wird, aber natürlich dahinter noch die materielle Hauptsache steht, nämlich die Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt befugt sein kann, im Asylverfahren den Rechtschutz dramatisch zu verschlechtern und das Höchstgericht auszuschalten."

4. Der VfGH hat zur Zulässigkeit der Klage erwogen:

4.1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

4.2. Ein Anspruch, "dass dem Kläger aufgrund eines rückwirkenden Gesetzgebungsaktes die Entscheidung durch den zuständigen Verwaltungsgerichtshof, sogar in der Sache selbst, entzogen" werde und ein Anspruch, dass der Rechtsschutz nicht "dramatisch zu verschlechtern" sei, sind - selbst wenn solche Ansprüche bestünden - keine vermögensrechtlichen Ansprüche, sodass die Klage schon aus diesem Grund zurückzuweisen ist.

4.3. Ursprünglich wurde mit der Klage ein Schadenersatzanspruch in Höhe der Kosten für die beim VwGH erhobene Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B-VG geltend gemacht, der jedoch nicht näher ziffernmäßig spezifiziert wurde. Als Rechtstitel für den Anspruch wird ein Verstoß des Gesetzgebers gegen Gemeinschaftsrecht, also so genanntes legislatives Unrecht geltend gemacht. Wie der VfGH mehrfach (vgl. VfSlg. 16.107/2001 und 17.002/2003 ua.) dargetan hat, ist er zur Entscheidung über solche Ansprüche nur zuständig, wenn der die Haftung auslösende Akt unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist. Knüpft der behauptete Schaden an ein - wenn auch durch ein Fehlverhalten des Gesetzgebers vorherbestimmtes - verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln an, bleibt es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (vgl. VfSlg. 17.611/2005 ua.).

Haftungsauslösend für den behaupteten Schaden war die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den UBAS. Der Schaden wäre daher aus dem Titel der Amtshaftung geltend zu machen gewesen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Bund nicht den vollen Schaden ersetzt haben sollte. Zuständig für die - nunmehr eingeschränkte - Forderung des Klägers auf Zahlung der restlichen € 250,66 sind somit gemäß §1 Jurisdiktionsnorm die ordentlichen Gerichte, und nicht der VfGH nach Art137 B-VG.

5. Die Klage ist daher mangels Zuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

II. Der Kläger beantragte zudem die Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Ausnahme der Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung der vorliegenden Klage gegen den Bund.

Dieser Antrag ist wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

III. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG sowie §19 Abs4 erster Satzund §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte