VfGH B1515/04

VfGHB1515/0427.2.2007

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags hinsichtlich der Versäumnis der Frist zur Stellung eines nachträglichen Abtretungsantrages in Folge Verkettung unvorhersehbarer Ereignisse; Abtretung der Beschwerde an den VwGH

Normen

VfGG §33
VfGG §87 Abs3
VfGG §33
VfGG §87 Abs3

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Juni 2006, B1515/04-6, wurde die Behandlung der vom nunmehrigen Antragsteller eingebrachten Beschwerde gegen einen Bescheid der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien abgelehnt. Der Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 5. Juli 2006 zugestellt.

Die zweiwöchige Frist für den Antrag auf nachträgliche Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (s. §87 Abs3 VfGG) endete somit am 19. Juli 2006. Im Hinblick darauf wurde der am 20. Juli 2006 zur Post gegebene Antrag auf nachträgliche Abtretung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. September 2006, B1515/04-9, zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 31. Oktober 2006 zugestellt.

2. Mit am 14. November 2006 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrt der Antragsteller nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des Antrages auf nachträgliche Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und holt unter einem die versäumte Prozesshandlung nach.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er aus, am 19. Juli 2006 sei eine der beiden Sekretariatsmitarbeiterinnen seines Rechtsvertreters auf Urlaub gewesen; die zweite Mitarbeiterin, die an diesem Tag alleine die Sekretariatsarbeit erledigen sollte, sei plötzlich erkrankt, wovon sie den Rechtsvertreter erst am Morgen des 19. Juli 2006 informiert habe, sodass es ihm nicht möglich gewesen sei, derart kurzfristig eine Aushilfskraft für sein Sekretariat zu finden. Er sei daher gezwungen gewesen, selbst neben seiner juristischen Tätigkeit auch die anfallende Kanzleiadministration zu erledigen, was bis in die Abendstunden gedauert habe. Der Rechtsvertreter, der schon in der Vergangenheit wiederholt in den Abendstunden Poststücke zur eingeschriebenen Postaufgabe auf das Postamt beim Westbahnhof gebracht habe, habe auch an diesem Tag die Post auf diese Weise versenden wollen.

Infolge der unvorhersehbaren krankheitsbedingten Arbeitsüberlastung durch (zusätzliche) Sekretariatsarbeiten sei es dem Rechtsvertreter erst gegen 21.30 Uhr möglich gewesen, seine Kanzlei zu verlassen, um sich zum Postamt beim Westbahnhof zu begeben. Er habe dazu - wie auch in früheren Fällen - die Straßenbahnlinie 5 benützt, wo um diese Uhrzeit regelmäßig zwischen 21.40 Uhr und 21.45 Uhr ein Straßenbahnzug halte, der rd. 10 Minuten später beim Westbahnhof ankomme. Das reiche aus, um rechtzeitig vor Schluss des Postamtes (22.00 Uhr) dort einzutreffen.

An diesem Tag sei der Straßenbahnzug der Linie 5 erst kurz vor 21.50 Uhr an der Haltestelle angekommen, sodass der Rechtsvertreter erst unmittelbar vor 22.00 Uhr beim Postamt eingetroffen sei. Das Postamt sei zu diesem Zeitpunkt bereits für den Parteienverkehr geschlossen gewesen und er sei daher nicht mehr eingelassen worden, doch hätten sich im Postamt noch Mitarbeiter befunden. Einer dieser Mitarbeiter habe beim Verlassen des Postamtes dem Rechtsvertreter erklärt, er könne das Poststück auch in den Postkasten einwerfen, das Poststück werde in diesem Fall gleichzeitig mit den eingeschriebenen Poststücken weiterbefördert. Im Vertrauen darauf, dass demnach alle Poststücke noch am selben Tag weiterbefördert würden, habe der Rechtsvertreter das für den Verfassungsgerichtshof bestimmte Poststück dort eingeworfen.

Dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2006 (vgl. oben Pkt. 1.) habe der Rechtsvertreter jedoch entnehmen müssen, dass das von ihm eingeworfene Poststück erst am darauf folgenden Tag weiterbefördert wurde.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in Rede stehenden Frist ist begründet.

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1981, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.1. Mit dem am 14. November 2006 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde diese Frist - sie begann mit Zustellung des Beschlusses vom 25. September 2006 (vgl. oben Pkt. 1.) - gewahrt.

2.2. Es besteht nach Lage des Falles kein Grund, das glaubhafte Vorbringen des Antragstellers in Zweifel zu ziehen, wonach das Versäumnis eine Folge der Verkettung unvorhersehbarer Ereignisse darstellt. Es kam auch nicht hervor, dass den Bevollmächtigten des Antragstellers - für welchen die Verschuldensregel des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO) - in der vorliegenden Sache ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft.

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

4. Die zu B1515/04 protokollierte Beschwerde war gemäß Art144 Abs3 B-VG iVm. §87 Abs3 VfGG an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

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