VfGH A3/05

VfGHA3/0530.6.2007

Stattgabe der zulässigen Klage gegen das Land Oberösterreich auf Herausgabe von im Zuge eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens durch eine private Firma als Verwaltungshelfer der Behörde dem Kläger entzogener Gegenstände; Zurechenbarkeit der Ersatzvornahme zum Rechtsträger der Behörde; kein Verlust des Eigentums des Klägers an den betroffenen Gegenständen durch den durchgeführten Abbruch und Verbringung und Lagerung der Gegenstände auf dem Gelände der Baufirma

Normen

B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
VVG §2, §4
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
VVG §2, §4

 

Spruch:

I. Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Kläger die folgenden, von der Ersatzvornahme Z betroffenen Gegenstände:

20 Türumrahmungen, Fenstergewände und Trittstufen aus Granit; 4 Mühlsteine in Granit, Sandstein und Beton; 1 Wassertrog mit Durchbruch im unteren Wandbereich; 2 Granitpfeiler mit einer Abmessung von 31 x 31 x 130 cm samt einer darüberliegenden Kugel mit einem Durchmesser von 30 cm; 1 Mostpresse mit der Aufschrift auf dem Granitsockel "J R, 1928" und auf dem darüberliegenden Holzbalken "19 JR 31" binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auszufolgen.

II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, der klagenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit EUR 1.161,78 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit einer auf Art137 B-VG gestützten und gegen das Land Oberösterreich als beklagte Partei gerichteten Klage wird das Urteil begehrt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die auf dem Firmengelände der H... P... GmbH, ..., ..., lagernden Gegenstände, nämlich 20 Türumrahmungen, Fenstergewände und Trittstufen aus Granit, vier Mühlsteine in Granit, Sandstein und Beton, einen Wassertrog mit Durchbruch im unteren Wandbereich, zwei massive Granitpfeiler mit einer Abmessung von 31 cm x 31 cm x 130 cm samt einer darüberliegenden Kugel mit einem Durchmesser von 30 cm, und eine alte Mostpresse mit der Aufschrift auf dem Granitsockel 'J... R..., 1928' und auf dem darüberliegenden Holzbalken '19 JR 31', herauszugeben und die Verfahrenskosten zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen."

Die Klage wurde wie folgt begründet:

"Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft

S..., ..., Grundstück Nr. .98 und .99, je KG S... Mit Bescheid vom 05.10.2000 ordnete der Bürgermeister der Gemeinde S... ... als

Baubehörde erster Instanz nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren die Abtragung des auf diesen Grundstücken befindlichen Mühlengebäudes des landwirtschaftlichen Anwesens, die Instandsetzung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes dieses Anwesens, die Vorlage eines Sanierungskonzeptes und die Reinigung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes von Unrat an. Diese Maßnahme war auf Grund des

desolaten Bauzustandes des Mühlengebäudes, vorhandener Baugebrechen und Sanierungsbedürftigkeit des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes

erforderlich.

Mit Schreiben vom 16.01.2001 wurde die Ersatzvornahme nach

§4 VVG angedroht und schließlich mit Bescheid der

Bezirkshauptmannschaft U... vom 11.05.2001, ..., die Ersatzvornahme

hinsichtlich der Abtragung des Mühlengebäudes, der Instandsetzung des

Wohn- und Wirtschaftsgebäudes und der Reinigung und Räumung des Wohn-

und Wirtschaftsgebäudes von Unrat angeordnet und in weiterer Folge

durch Beiziehung der H... P... GmbH, ..., ..., durchgeführt.

Die H... P... GmbH wurde dabei als behördliches Hilfsorgan

hoheitlich in Ausübung der der Vollstreckungsbehörde zustehenden Zwangsgewalt tätig. Es handelt sich bei der Vollstreckung von Baubescheiden um eine Tätigkeit im Rahmen des übertragenen Wirkungsbereiches des Landes.

Der Sachwalter des Klägers hat im Rahmen der Abtragung des

Mühlengebäudes durch die H... P... GmbH mit dieser vereinbart, dass

diverse Baubestandteile von besonderem Wert sorgfältig behandelt und

dem Kläger in seinem Eigentum belassen werden. Es handelt sich dabei

um die im beiliegenden Gutachten des J... E..., Steinmetzmeister, vom

25.11.2001 im Auftrag des BG U... als Sachwalterschaftsgericht des

Klägers aufgelisteten und bewerteten Gegenstände, nämlich vier Mühlsteine in Granit, Sandstein und Beton, einen Wassertrog mit Durchbruch im unteren Wandbereich, zwei massive Granitpfeiler mit den Abmessungen 31 cm x 31 cm x 130 cm mit einer darüberliegenden Kugel mit einem Durchmesser von 30 cm, eine alte Mostpresse mit Granitsockel mit der Aufschrift 'J R, 1928' und der auf dem darüberliegenden Holzbalken eingetragenen Jahreszahl '19 JR 31' und etwa 20 Türrahmungen, Fenstergewände, Trittstufen jeweils aus Granit. Letztere haben einen Wert von zusammen EUR 290,69, die Mostpresse von EUR 1.162,77, die Mühlsteine von EUR 145,35, die beiden massiven Granitpfeiler mit darüberliegender Kugel von EUR 1.090,09.

Die H... P... GmbH hat diese Gegenstände im Eigentum des

Klägers auf ihrem Bauhof in ... B... L..., ..., gelagert.

Die Ersatzvornahme wurde zur Gänze abgeschlossen und mit

Bescheid vom 08.09.2000 dem Kläger von der

Bezirkshauptmannschaft U... die Kosten der Ersatzvornahme zur

Bezahlung vorgeschrieben.

Nach Abschluss der Vollstreckungsmaßnahmen besteht nunmehr

keine Grundlage für die beklagte Partei, die bei der H... P... GmbH

gelagerten, im Eigentum des Klägers stehenden Granitgegenstände dem Kläger weiter vorzuenthalten und nicht herauszugeben.

Dessen ungeachtet haben sich sowohl die H... P... GmbH als

auch die beklagte Partei geweigert, diese Gegenstände an den Kläger herauszugeben.

...

Das Klagebegehren wird vom Kläger entsprechend dem Wert der herauszugebenden Gegenstände mit EUR 2.688,89 bewertet."

1.2. Die beklagte Partei Land Oberösterreich erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Klage beantragt und wie folgt ausgeführt wird:

"Das Vorbringen der klagenden Partei wird [hinsichtlich der ersten drei Absätze] als richtig außer Streit gestellt.

Im übrigen wird das Vorbringen bestritten und kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt.

Auf Grund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Bescheides

des Bürgermeisters der Gemeinde S... ... vom 05.10.2000, ... war die

klagende Partei verpflichtet, das Mühlengebäude des

landwirtschaftlichen Anwesens S..., ... auf Parzelle .98 der KG S...

zur Gänze bis zur Erdgleiche abzutragen, wobei der Bescheid folgende Auflagen enthielt:

'1. Anfallendes Abbruchmaterial ist auf einer geeigneten Deponie zu entsorgen.

2. Im Gebäude vorhandene Ver- und Entsorgungsleitungen sind vor dem Abbruch abzuklemmen.

3. Unterirdische Räume, wie zum Beispiel Keller, sind einzuschlagen und mit leicht verdichtbarem Material aufzufüllen.

4. Nach Abschluss der Arbeiten ist der Urzustand des Geländes wieder herzustellen.'

Nach fruchtlosem Fristablauf wurde über ausdrücklichen

Wunsch des Sachwalters der klagenden Partei ... zum ehest möglichen

Termin die Ersatzvornahme angeordnet. Mit den Arbeiten wurde die

Firma H... P... GmbH als Billigstbieter beauftragt.

Wir haben mit der klagenden Partei keinerlei Vereinbarung

darüber getroffen, dass die in der Klage angeführten Granitarbeiten

sorgfältig behandelt und der klagenden Partei im Eigentum belassen

werden sollten. Solches wird und wurde von der klagenden Partei auch

nicht behauptet. Vielmehr wird in der Klage vorgebracht, dass der

Sachwalter der klagenden Partei mit der H... P... GmbH eine solche

Vereinbarung getroffen hätte. Ob dies tatsächlich zutrifft, entzieht

sich unserer Kenntnis. Selbst wenn dies zutreffen sollte, wäre

allenfalls die H... P... GmbH zur Herausgabe aufzufordern. Wir sind

diesbezüglich passiv zur Klage nicht legitimiert.

Auf Grund des Briefes des Klagevertreters vom 19. März 2002

... müssen wir davon ausgehen, dass eine solche Vereinbarung auch

nicht mit der H... P... GmbH getroffen wurde. In diesem Brief wird

angeführt, dass der Sachwalter der klagenden Partei im Zuge der

Abbrucharbeiten ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, diese

wertvollen Gegenstände sollten auf der Liegenschaft der klagenden

Partei bleiben. Wem gegenüber er darauf hingewiesen hat und von

welchen Mitarbeitern der H... P... GmbH eine solche Zusicherung

abgegeben wurde, lässt sich diesem Brief nicht entnehmen. Da vor

Beginn der Ersatzvornahme ein Gespräch stattfand, bei welchem der

Sachwalter der klagenden Partei Kontakt mit dem Geschäftsführer der

H... P... GmbH hatte ..., darf auf Grund des Briefes vom 19. März

davon ausgegangen werden, dass diese 'Gespräche' nicht mit dem

Geschäftsführer stattfanden und daher eine Vereinbarung zwischen der

klagenden Partei und der H... P... GmbH nicht wirksam zustande

gekommen ist. Wir bringen daher ausdrücklich vor, dass die klagende Partei nicht mehr Eigentümerin der klagsgegenständlichen Sachen ist und ihr daher die aktive Klagelegitimation fehlt.

Wir haben weder gegen ein Gesetz noch gegen eine Vereinbarung verstoßen und wir haben auch keinen Einfluss auf den Verbleib oder die Herausgabe der geforderten Sachen. Für eine Klage nach Artikel 137 B-VG fehlt daher die Grundlage.

Wir erhoben und erheben auf die Klagsgegenstände keinerlei Rechte oder Ansprüche und gegen eine allfällige Ausfolgung derselben an die klagende Partei keinen Einwand."

1.3. Zur Vorbereitung der Verhandlung, die am 18. Juni 2007 stattfand, wurden den Parteien mit der Ladung folgende Fragen übermittelt:

"1. Wird hinsichtlich der Gegenstände, auf deren Herausgabe geklagt wird, zwischen Fahrnissen aus der Mühle oder dem Grundstück und solchen Gegenständen unterschieden, die brauchbare Teile des Abbruchmaterials sind?

2. Hat sich die Vollstreckungsverfügung und/oder der Auftrag an die Firma H... P... GmbH auf alle Gegenstände bezogen, deren Herausgabe begehrt wird?

3. Was war Gegenstand der im zweiten Absatz des Aktenvermerks vom 23.5.2001 erwähnten Besprechung?

4. Wurde das Land Oberösterreich zur Herausgabe der Gegenstände aufgefordert und hat es diese verweigert?

5. Worauf stützt das Land Oberösterreich die Darlegung in der Gegenschrift, dass der Kläger nicht Eigentümer der Gegenstände ist?

6. Hat das Land Oberösterreich die P... GmbH zur Ausfolgung der Gegenstände aufgefordert oder davon informiert, dass es keine Ansprüche auf die Gegenstände geltend macht und gegen eine Ausfolgung keine Einwände erhebt?"

Die Verhandlung hat - soweit hier relevant - ergeben, dass alle Gegenstände, deren Herausgabe begehrt wird, fest verbundene Teile der Mühle und damit Teil des Abbruchmaterials gewesen sind. Die Vollstreckungsverfügung wie auch der Auftrag an die Firma H P GmbH haben diese Gegenstände mit umfasst, wohingegen sich das im Aktenvermerk vom 23. Mai 2001 erwähnte Gespräch nicht auf diese bezogen hat.

Das Land Oberösterreich hat eine Aufforderung des Klägers auf Herausgabe nicht beantwortet, weil es die ohne Wissen des Landes erfolgte Vorgangsweise der Firma P GmbH als eigenmächtig beurteilte. Üblicherweise beachtet das Land aber Ersuchen von Verpflichteten, ihnen Gegenstände von Wert aus einem Abbruch zu belassen. Die im Spruch angeführten, aus dem Abbruch stammenden Gegenstände wurden im Bauhof der Firma P GmbH gelagert.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2.2. Die Beauftragung der Firma P GmbH erfolgte im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsmaßnahme mit zivilrechtlichem Vertrag, das Unternehmen war jedoch als Verwaltungshelfer der Behörde und gegenüber dem Kläger hoheitlich tätig (vgl. mit weiteren Nachweisen Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, 2003, S. 522, und Eisenberger, in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, 2006, S. 36).

Eine exzessive Überschreitung des Auftrages wäre dem Unternehmen zuzurechnen. Ist die Abweichung vom Auftrag jedoch nicht grob und offenkundig, verbleibt das Handeln im Verantwortungsbereich der Behörde und ist damit deren Rechtsträger zuzurechnen (vgl. Köhler, Art129a B-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, S. 30, 1999; Aichlreiter, Art129a B-VG, in Rill/Schäffer (Hrsg.), BVR Komm., S. 37, 2004 sowie OGH 13.9.1978, 1 Ob 8/78). Eine solche - zuletzt beschriebene - Konstellation liegt hier vor:

Die Firma P GmbH hat zwar mit der Lagerung der noch verwertbaren Abbruchmaterialien in ihrem Bauhof den Auftrag, das Abbruchmaterial auf die Deponie zu verführen, nicht erfüllt. Die Abweichung - vgl. das Schonungsprinzip des §2 VVG - ist jedoch dem Komplex der Vollzugsmaßnahme und damit dem Land Oberösterreich zuzurechnen und steht auch im Einklang mit der vom Land erklärten Übung, dem Verpflichteten über sein noch während des Abbruchs gestelltes Ersuchen verwertbare Teile des Abbruchmaterials zu belassen. Der Umstand, dass die Lagerung nicht auf dem Grundstück des Verpflichteten, sondern im Bauhof der Firma erfolgte, ändert nichts an der Zugehörigkeit der Vorgangsweise zum Vollstreckungsverfahren und somit zum hoheitlichen Vollzug, sie ist nicht der Firma als "privates Handeln" zuzurechnen.

Dabei ist es auch unerheblich, dass die Behörde das Vollstreckungsverfahren für beendet erachtet und dem Verpflichteten die Kosten vorschreibt sowie dass das Land dem Verpflichteten gegenüber erklärt, auf die Gegenstände keinen Anspruch zu erheben. Dem Klagsanspruch steht schließlich nicht entgegen, dass dem Verwaltungshelfer gegenüber keine Anordnung zur Herausgabe erfolgt ist. Dieser lagerte die in Rede stehenden Gegenstände noch auf Grund seiner Beauftragung mit dem Vollzug der Vollstreckung, ohne jedoch einen anderen Besitztitel, geschweige denn Eigentum, erworben zu haben.

2.3. Da dem Kläger auf Grund des hoheitlichen Vorgehens des beklagten Landes für die Herausgabe weder der Zivilrechtsweg noch der Verwaltungsrechtsweg offen steht, ist seine Klage nach Art137 B-VG zulässig (vgl. VfSlg. 14.971/1997, 11.180/1986). Er hat sein Eigentum an den Gegenständen, deren Herausgabe er begehrt, weder durch den Abbruch der Mühle noch durch die dem Land zuzurechnende Verführung und Lagerung durch die Baufirma verloren. Es war der Klage daher vollinhaltlich stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 iVm §35 VfGG und §41 ZPO; in den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer im Betrag von EUR 125,06 enthalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte