VfGH B427/04

VfGHB427/0410.3.2005

Zurückweisung der Beschwerde einer Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten (Verwertungsgesellschaft) gegen ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die gesetzliche Verpflichtung zur Erteilung der vom Staatskommissär verlangten Auskünfte mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
VerwertungsgesellschaftenG §5
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
VerwertungsgesellschaftenG §5

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde geht der Verfassungsgerichtshof von folgender Rechtslage aus:

Gemäß §1 Abs1 des Bundesgesetzes betreffend Unternehmen zur Nutzbarmachung von Vortrags-, Aufführungs- oder Senderechten an Sprachwerken und an Werken der Tonkunst (Verwertungsgesellschaftengesetz), BGBl. Nr. 112/1936 (im Folgenden kurz: VerwGesG), dürfen Unternehmen, die bestimmte Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz wahrnehmen, nur mit besonderer Genehmigung des Bundeskanzlers (bzw. ursprünglich des Bundesministers für Unterricht) betrieben werden. In Bezug auf diese Genehmigung normiert §4 Abs1 leg. cit. Folgendes:

"§4. (1) Die Genehmigung wird ohne zeitliche Beschränkung erteilt. Sie wird vom Bundesminister für Unterricht (§28, Absatz 2) widerrufen, wenn eine Verwertungsgesellschaft die ihr nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben und Pflichten trotz vorheriger Mahnung nichtgehörig erfüllt.

(2) Wird die Genehmigung widerrufen, so hat der Bundesminister für Unterricht (§28, Absatz 2) die zur Wahrung und Nutzbarmachung der der Verwertungsgesellschaft zustehenden Vortrags-, Aufführungs- oder Senderechte notwendigen einstweiligen Anordnungen durch Verordnung zu treffen.

(3) Die Erteilung der Genehmigung und ihr Widerruf sind im Bundesgesetzblatt kundzumachen."

Verwertungsgesellschaften unterliegen gemäß §5 VerwGesG der Aufsicht des Bundeskanzlers, der nach §5 Abs2 für jede Verwaltungsgesellschaft einen Staatskommissär bestellt. §5 lautet folgendermaßen:

"§5. (1) Die Verwertungsgesellschaften unterliegen der Aufsicht des Bundesministers für Unterricht. Die Kosten der Aufsicht sind von den Verwertungsgesellschaften dem Bundesministerium für Unterricht in dem von diesem festgesetzten Ausmaße zu ersetzen.

(2) Für jede Verwertungsgesellschaft wird vom Bundesminister für Unterricht (§28, Absatz 2) ein Staatskommissär und erforderlichenfalls ein Stellvertreter bestellt.

(3) Der Staatskommissär hat darauf zu achten, dass die Verwertungsgesellschaft die ihr nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben und Pflichten gehörig erfüllt. Die Organe und Angestellten der Verwertungsgesellschaft sind verpflichtet, dem Staatskommissär die von ihm verlangten Auskünfte über alle die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten zu erteilen und ihm in die Geschäftsbücher und die übrigen Schriften der Verwertungsgesellschaft Einsicht zu gewähren. Der Staatskommissär hat über seine Wahrnehmungen dem Bundesminister für Unterricht nach dessen Weisungen, mindestens aber einmal in jedem Jahre zu berichten."

II. 1. Die Beschwerdeführerin ist Verwertungsgesellschaft iSd VerwGesG. Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 teilte der Staatssekretär für Kunst und Medien im Bundeskanzleramt der beschwerdeführenden Gesellschaft mit, dass gemäß §5 Abs1 und Abs2 VerwGesG mit der Funktion des Staatskommissärs für die Verwertungsgesellschaft mit sofortiger Wirksamkeit Herr S. F. betraut und gleichzeitig der bisherige Staatskommissär Ministerialrat Mag. J. H. abberufen werde. Nach Differenzen zwischen der beschwerdeführenden Partei und Herrn S. F. über den Umfang der dem Staatskommissär zu erteilenden Auskünfte richtete der Bundeskanzler am 12. Februar 2004 ein Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden sowie die Vorstandsvorsitzende der beschwerdeführenden Gesellschaft, in dem Folgendes ausgeführt wird:

"Wie Ihnen sicher bekannt ist, ist in §5 Abs3 VerwGesG für Organe und Angestellte der Verwertungsgesellschaft verpflichtend vorgesehen, dass sie dem Staatskommissär die von ihm verlangten Auskünfte über alle die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten erteilen und ihm in die Geschäftsbücher und die übrigen Schriften der Verwertungsgesellschaft Einsicht gewähren. Wie uns von dem für die VDFS zuständigen Staatskommissär, Prof. S. F., mitgeteilt wurde, kommt die VDFS dieser Verpflichtung derzeit nicht nach.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auf zwei Telefonate zwischen dem Geschäftsführer der VDFS, Dr. D., und Prof. F. Sowohl am 16.12.2003 als auch am 08.01.2004 wurden laut Mitteilung des Staatskommissärs Auskünfte über die die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten mit der Begründung verweigert, dass sich der Geschäftsführer dafür erst eine 'Erlaubnis' holen müsse. Er bezog sich dabei auf einen von ihm erwähnten Vorstandsbeschluss.

In weiterer Folge beabsichtigte Prof. F. die Räumlichkeiten der VDFS persönlich aufzusuchen, um dort Auskünfte über die die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten zu erlangen und Einsicht in die Geschäftsbücher und die übrigen Schriften der Verwertungsgesellschaft zu erhalten. Auch dies wurde durch den Geschäftsführer der VDFS, trotz Hinweis auf die nach §5 Abs3 bestehenden Verpflichtungen, verwehrt.

Unter Bezugnahme auf §4 Abs1 VerwGesG muss daher die Erfüllung der gem. §5 Abs3 VerwGesG obliegenden Pflichten eingemahnt werden. Insofern wäre dem Staatskommissär Einsicht in die beglaubigten Protokolle von Sitzungen des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder beider Gremien, insbesondere derer vom 09.10.2003, zu gewähren, der Staatskommissär über Sitzungstermine der beiden Gremien unter Angabe der Tagesordnung rechtzeitig schriftlich zu verständigere und ihm die mittels Fax vom 03.11.2003 übermittelten Fragen zu beantworten. Das Bundeskanzleramt geht davon aus, dass diese Auskünfte umgehend ohne jegliche Verzögerung von der VDFS erteilt werden.

Das Bundeskanzleramt geht weiters davon aus, dass dieser Mahnung Folge geleistet und die VDFS ihre gesetzlich vorgesehenen Auskunftspflichten gegenüber dem Staatskommissär zukünftig erfüllen wird.

Mit freundlichen Grüßen

12. Februar 2004

Für den Bundeskanzler:

J. H."

III. 1. Gegen dieses Schreiben richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der Art18, 20 Abs2, 83 Abs2 B-VG sowie Art5, 6 und 17a StGG und Art10 EMRK gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Hinsichtlich der Bescheidqualität des Schreibens vom 12. Februar 2004 bringt die beschwerdeführende Gesellschaft vor, dass es sich um einen Bescheid iSd §4 VerwGesG handle, als dessen "Spruch" der vorletzte Absatz des Schreibens anzusehen sei. Danach werde die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen nach dem VerwGesG ausdrücklich "eingemahnt" und aufgetragen, insb. bestimmte angeführte Informationspflichten gegenüber dem "Staatskommissär" zu erfüllen, wobei im letzten Absatz dieser Auftrag ausdrücklich als Mahnung bezeichnet werde. Bei einer solchen Mahnung handle es sich um einen besonderen Rechtsakt nach dem VerwGesG, da die belangte Behörde nach §4 Abs1 leg. cit. einer Verwertungsgesellschaft im Falle einer Nichtbefolgung der ausgesprochenen Mahnung die Betriebesgenehmigung zu widerrufen habe. Ferner führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus:

"Für den Bescheidcharakter des Schreibens des Bundeskanzleramts vom 12. Februar 2004 spricht aber auch eine verfassungskonforme Interpretation des §5 VerwGesG. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist die verbindliche Gestaltung von Rechtsverhältnissen und die behördliche Festlegung von so gravierenden Rechtsfolgen, wie sie mit dem Schreiben des Bundeskanzleramts vom 12. Februar 2004 verbunden sind, an jene Rechtsform zu binden, die einen entsprechenden - verfassungsgesetzlich vorgesehenen - Rechtsschutz ermöglicht. Würde man das drastisch in unsere Rechtssphäre eingreifende Schreiben nicht als Bescheid qualifizieren, wäre eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht möglich.

Ebenso verfassungswidrig wäre es aber anzunehmen, es handle sich um einen generellen Rechtsakt und diesen mit Rechtswirkungen auszustatten, für deren Erzeugung die Verfassung die Form des Bescheids vorsieht. Schließlich muss der vom Gesetzgeber zu gewährleistende individuelle Rechtsschutz auch ein Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweisen, was nicht der Fall wäre, wenn wir erst gegen den Bescheid Beschwerde erheben könnten, mit welchem unserer Gesellschaft die erteilte Betriebsgenehmigung bereits entzogen wird.

Zu demselben Ergebnis müsste man gelangen, wenn man die Erteilung der Betriebsgenehmigung - und dementsprechend deren Widerruf als contrarius actus - als Verordnung ansieht. Für eine solche Auslegung könnte der Umstand ins Treffen geführt werden, dass die einer Verwertungsgesellschaft erteilte Betriebsgenehmigung sich - zumindest indirekt - auch an deren zahlreiche Bezugsberechtigte bzw potenziellen Vertragspartner richtet. Auch die in §4 Abs2 VerwGesG ausdrücklich vorgesehene Verordnungsermächtigung könnte für eine solche Auslegung sprechen. Hierfür könnte auch die in §4 Abs3 VerwGesG angeordnete Kundmachung der Erteilung der Genehmigung und ihres Widerrufs im Bundesgesetzblatt ins Treffen geführt werden. Folgt man dieser Auslegung, wäre die Regelung gleichfalls verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber im Hinblick auf das individuelle rechtliche Interesse am Bestand der Betriebsgenehmigung die Bescheidform anordnen müsste.

Jedenfalls aber wäre in diesem Fall die 'vorgelagerte' Mahnung in verfassungskonformer Interpretation im Hinblick auf den zu gewährenden Rechtsschutz (Bekämpfbarkeit) als Bescheid anzusehen, womit die Wahl der Rechtsform einer Verordnung für die Erteilung bzw den Widerruf einer Betriebsgenehmigung weniger problematisch wäre.

Aus all diesen Gründen kann es deshalb uE nicht zweifelhaft sein, dass das angefochtene Schreiben des Bundeskanzleramts vom 12. Februar 2004 als - vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbarer - Bescheid anzusehen ist."

2. Der Bundeskanzler erstattete eine Gegenschrift, in der er die Bescheidqualität des als Bescheid bekämpften Schreibens mit der Begründung verneint, es entspreche weder den Formvorschriften der §§58 ff. AVG, noch weise es einen normativen Inhalt auf. Auch sei die Erlassung eines Bescheides nach der geltenden Rechtslage nicht geboten gewesen.

3. Die beschwerdeführende Gesellschaft legte mit Schriftsatz vom 17. August 2004 die auf Grund einer Parallelbeschwerde ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2004, Zl. 2004/10/0060, vor, mit der die Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheides zurückgewiesen wurde, und setzte sich mit deren Begründung auseinander.

IV. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Gemäß Art144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist demnach u.a. das Vorliegen eines Bescheides (vgl. zB. VfSlg. 15.318/1998 mwN).

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch deren Inhalt maßgebend: Eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (vgl. zB. VfSlg. 13.263/1992, 14.451/1996 und 15.318/1998; zur Charakteristik von Leistungs- und Rechtsgestaltungsbescheiden vgl. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht2 [2003] Rz 928). Dies ist stets vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. VfSlg. 14.608/1996 mwN), insb. danach, ob die Behörde von Rechts wegen berechtigt oder verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen.

2. Dem Schreiben vom 12. Februar 2004 fehlen die wesentlichen formellen Merkmale eines Bescheides (Mindestanforderungen). Daran ändert auch nicht, dass das Schreiben als "Mahnung" bezeichnet wird, da eine solche zwar Voraussetzung für einen weiteren Rechtsakt ist, aber keine selbständige Entscheidung. Ihm ist kein normativer, sondern ein bloß informativer Inhalt entnehmbar, da den Adressaten des Schreibens bloß Hinweise gegeben und eine Rechtsauffassung näher gebracht wird. Das Schreiben ist daher nicht als Bescheid im Sinne des Art144 B-VG zu werten.

Mangels Bescheidqualität des angefochtenen Schreibens war die Beschwerde daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

V. Dieser Beschluss konnte - da die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist - ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG gefasst werden.

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