Normen
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
GelVerkG 1996 §13
Stmk BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 2002 §17
VfGG §61a
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
GelVerkG 1996 §13
Stmk BetriebsO für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 2002 §17
VfGG §61a
Spruch:
1. §17 der "Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. November 2002, mit der gewerbepolizeiliche Regelungen für die nichtlinienmäßige Beförderung von Personen mit Fahrzeugen des Straßenverkehrs getroffen werden (Steiermärkische Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 2002 - Stmk. BO 2002)" wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.
2. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ist schuldig, den Antragstellern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit € 2436,30 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Individualantrag gemäß Art139 B-VG begehren die Einschreiter, drei Grazer Taxiunternehmen, die Aufhebung des §17 der "Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. November 2002, mit der gewerbepolizeiliche Regelungen für die nichtlinienmäßige Beförderung von Personen mit Fahrzeugen des Straßenverkehrs getroffen werden (Steiermärkische Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 2002 - Stmk. BO 2002)", in eventu die Aufhebung nur dessen Absätze 1, 2 und 4, in eventu die Aufhebung des Wortes "Umsatz" in §17 Abs2 lith Stmk. BO 2002.
1.2. §17 Stmk. BO 2002 hat folgenden Wortlaut:
"(1) Im Taxifahrzeug ist ein Dienstbuch zu führen, das von der zuständigen Fachgruppe in der Wirtschaftskammer ausgegeben wird.
(2) In Fahrzeugen, in denen Fahrpreisanzeiger verwendet werden, hat der Taxilenker vor Dienstantritt folgende Daten im Dienstbuch einzutragen:
- a) Polizeiliches Kennzeichen
- b)
Datum
- c) Vor- und Zuname des Lenkers
- d)
Dienstbeginn
- e) Kilometer gesamt
- f) Kilometer besetzt
- g) Anzahl der Schaltungen
- h)
Umsatz
(3) In Fahrzeugen ohne Fahrpreisanzeiger hat der Taxilenker vor Dienstantritt folgende Daten im Dienstbuch einzutragen:
- a) Polizeiliches Kennzeichen
- b)
Datum
- c) Vor- und Zuname des Lenkers
- d)
Dienstbeginn
- e) Tachostand Anfang
(4) Nach Dienstende hat der Taxilenker die betreffende Seite im Dienstbuch vollständig auszufüllen und zu unterfertigen, wobei der rechte Abschnitt zum Zwecke der Abrechnung beim Lenker verbleibt."
1.3. Die Stmk. BO 2002 ist als Durchführungsverordnung zum §13 Abs3 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 (GelverkG), BGBl. Nr. 112/1996 in der (damaligen) Fassung BGBl. I Nr. 135/1999 erlassen worden. Der unter dem Titel "Besondere Ausübungsvorschriften" stehende §13 GelverkG lautet:
"§13. (1) Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr kann für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbe mit Verordnung Vorschriften über die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften der im Fahrdienst tätigen Personen hinsichtlich ihrer Ausbildung, Gesundheit und Zuverlässigkeit erlassen.
(2) Hinsichtlich des Ausflugswagen-(Stadtrundfahrten-)Gewerbes, des Mietwagen-Gewerbes mit Omnibussen und des Gästewagen-Gewerbes mit Omnibussen kann der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Verordnung Vorschriften erlassen über
- 1. die nach der Eigenart des Gewerbes erforderliche Beschaffenheit, Ausrüstung und Kennzeichnung der bei der Gewerbeausübung verwendeten Fahrzeuge hinsichtlich ihrer Betriebssicherheit und Eignung, insbesondere auch für Zwecke des Fremdenverkehrs;
- 2. die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Betriebsund Beförderungsbedingungen; die Vorschreibung einer Versicherungspflicht, die hinsichtlich der Versicherungssumme der Eigenart des Gewerbes Rechnung trägt und auch über die für Kraftfahrzeuge allgemein vorgeschriebene Versicherungspflicht hinausgeht.
(3) Hinsichtlich des Taxi-Gewerbes, des Mietwagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen und des Gästewagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen kommt die Erlassung einer Verordnung nach Abs2 dem Landeshauptmann mit der Maßgabe zu, daß er für das Taxi-Gewerbe auch eine Beförderungspflicht und die Anbringung eines Fahrpreisanzeigers vorschreiben kann.
(4) Erforderlichenfalls hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung und im Interesse der die Leistungen des betreffenden Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten weitere Vorschriften, insbesondere über ein Verbot oder eine Beschränkung des Auffahrens auf Standplätzen (§96 Abs4 StVO 1960) einer Gemeinde mit Taxifahrzeugen, die auf Grund von Konzessionen mit einem Standort außerhalb der betreffenden Gemeinde eingesetzt werden, über eine bestimmte Reihenfolge im Auffahren auf Standplätzen, über die Entgegennahme von Fahrtaufträgen mittels Standplatztelefon oder Funk sowie über den Nachtdienst durch Verordnung festzulegen.
(5) Die Organe der zur Vollziehung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes zuständigen Behörden können sich vom ordnungsgemäßen Betrieb der mit Omnibussen ausgeübten gewerbsmäßigen Gelegenheitsverkehre jederzeit überzeugen und dabei, wenn es sich um Betriebe des Mietwagen-Gewerbes handelt, insbesondere überprüfen, ob geforderte Beförderungsentgelte den gemäß §14 Abs3 festgelegten Tarifen entsprechen; die Gewerbetreibenden oder deren Beauftragte haben den mit der Überprüfung betrauten Organen die erforderlichen Auskünfte zu geben und notwendige Unterlagen vorzulegen."
1.4.1. Die Einschreiter begründen die Zulässigkeit ihres Antrages damit, daß sie sich bei Nichtbefolgung der in §17 Stmk. BO 2002 angeordneten Aufzeichungsverpflichtung der Gefahr einer Bestrafung aussetzen würden. Das Erwirken eines Strafbescheides, um auf diesem Weg die Verordnungsbestimmung vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, könne ihnen jedoch nicht zugemutet werden.
1.4.2. Die Antragsteller erachten §17 Stmk. BO 2002 als gesetzwidrig und behaupten die Unzuständigkeit des Landeshauptmannes der Steiermark zur Erlassung dieser Bestimmung. Sie begründen dies im einzelnen wie folgt:
"Verletzung des Rechtsstaatsprinzips im Sinne des Artikel 18 Abs2
B-VG:
Die gegenständliche Verordnung des Landeshauptmannes für Steiermark findet in der gesetzlichen Verordnungsermächtigung in §13 Abs3 bzw. Abs4 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 BGBl 112/1996 idF BGBl I Nr. 32/2002 keine Deckung. Bei der Erlassung von Buchführungspflichten gemäß §17 Stmk. BO handelt es sich um keine Vorschriften, welche die Beschaffenheit, Ausrüstung und Kennzeichnung des verwendeten Fahrzeuges bzw. die Betriebsbedingungen im Sinne des §13 Abs2 Z1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 betreffen. Bei den in §17 Stmk. BO 2002 geregelten 'Buchführungspflichten' handelt es sich auch um keine Rechtspflichten, die dem Begriff der 'Beförderungsbedingungen' in §13 Abs2 Z2 iVm. Abs3 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz unterliegen. Eine Wortinterpretation ergibt, dass es sich hier um Transportbedingungen des Taxikunden handelt, wie sie etwa in §9, 10, 11, 12 Stmk. BO 2002 geregelt sind. Vergleichbare Regelungen der 'Beförderungsbedingungen' enthält bereits die (noch) auf Grund des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes BGBl 85/1952, zuletzt geändert durch BGBl 129/1993 vor Wiederverlautbahrung des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 erlassene Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr.
Diese Verordnung BGBl 951/1993 idF BGBl 1028/1994 enthält ebenfalls vergleichbare 'Beförderungsbedingungen' nicht aber 'Buchführungspflichten'.
Die angefochtene Bestimmung des §17 Stmk. BO 2002 findet auch keine Deckung im Sinne des Artikel 18 Abs2 B-VG im Begriff der 'weiteren Vorschriften' in §13 Abs4 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996. Die demonstrative Aufzählung in §13 Abs4 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 zeigt, dass es sich hier um typische Wirtschaftslenkungsmaßnahmen handelt, die mit (ihrem Charakter nach abgabenrechtlichen) Buchführungspflichten nicht vergleichbar sind. Aus diesem Grund lassen sich Buchführungspflichten nicht als im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung definieren."
Weiters behaupten die Antragsteller die Kompetenzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung. Darüber hinaus verletze die Auferlegung dieser Aufzeichnungsverpflichtung durch §17 Stmk. BO 2002 die Antragsteller im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung.
2. Der zur schriftlichen Äußerung aufgeforderte Landeshauptmann der Steiermark legte den Verordnungsakt vor, jene Aktenstücke, die sich auf das anhängige Verfahren beziehen, allerdings nur unvollständig. Zur angefochtenen Verordnungsbestimmung selbst wurde keine Stellungnahme abgegeben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu den Antragsvoraussetzungen:
§17 Stmk. BO 2002 legt den Taxiunternehmern die (aktuelle und nicht bloß potentielle) rechtliche Verpflichtung auf, im jeweiligen Taxifahrzeug ein vom jeweiligen Taxilenker auszufüllendes Dienstbuch mitzuführen. Die Vernachlässigung dieser Verpflichtung führt zur Einleitung eines Strafverfahrens nach §34 Stmk. BO 2002 iVm. §15 Abs1 Z6 GelverkG. Es ist den Antragstellern nicht zumutbar, durch Übertretung dieser Rechtspflicht ein Strafverfahren und damit auch die Möglichkeit der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu provozieren (VfSlg. 13102/1992, 13635/1993, 14083/1995). Andere rechtliche Möglichkeiten zur Geltendmachung ihrer Bedenken stehen den Antragstellern nicht zur Verfügung.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der (Haupt-)Antrag auf Aufhebung des - eine untrennbare Einheit (VfSlg. 16365/2001, VfGH 12.10.2002, V49/02 ua, VfGH 26.6.2003, G240/02, V60/02) bildenden - §17 Stmk. BO 2002 daher als zulässig.
2. Der Antrag ist berechtigt:
Im Verordnungsakt befindet sich eine Stellungnahme der Wirtschaftskammer Steiermark, "Fachgruppe für das Beförderungsgewerbe mit PKW", aus der sich der Zweck für die Einführung des Dienstbuches für das Taxi- und Mietwagengewerbe durch §17 Stmk. BO 2002 ergibt. Die Wirtschaftskammer Steiermark wurde von "den Finanzbehörden" aufmerksam gemacht, daß sich bei zahlreichen Betriebsprüfungen bei Taxiunternehmen die Grundaufzeichnungen iSd. §131 BAO nicht "im erforderlichen Zustand befanden". Um dagegen Abhilfe zu schaffen, sollte eine "Möglichkeit geschaffen werden, die Grundaufzeichnungen außerhalb des Firmensitzes einseh- und kontrollierbar zu machen". Es wurde von der Finanzbehörde ein Vorschlag erstattet, wie die Grundaufzeichnungen konkret zu erfolgen haben, "damit diese die 'Vermutung der ordnungsgemäßen Führung für sich haben (§163 BAO)'".
§13 Abs3 iVm. Abs2 GelverkG ermächtigt den (jeweiligen) Landeshauptmann im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung gewerbepolizeiliche Regelungen über "die nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Betriebs- und Beförderungsbedingungen" zu erlassen. Wie bereits die erwähnte Stellungnahme der zuständigen Fachgruppe der Wirtschaftskammer Steiermark deutlich macht, wurde durch die in §17 Stmk. BO 2002 normierte Aufzeichnungsverpflichtung keine gewerbepolizeiliche Regelung (iS der ständigen Rspr. des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff der "Gewerbepolizei" VfSlg. 2977/1956, 4117/1961, 4227/1962, 10831/1986, 14187/1995, VfGH 10.10.2003, G212/02) geschaffen, sondern es wurde diese Vorschrift ausschließlich aus abgabenrechtlichen Gründen zur besseren finanzbehördlichen Kontrolle von Taxiunternehmen zur Verhinderung der Umgehung der Steuerpflicht (durch sog. "Schwarzfahrten") erlassen. Sie findet daher in §13 Abs3 GelverkG keine Deckung.
Da es sich beim §17 Stmk. BO 2002 um keine Regelung gewerbepolizeilicher Natur handelt, scheidet schon aus diesem Grund auch die Verordnungsermächtigung in §13 Abs4 GelverkG als mögliche weitere taugliche gesetzliche Grundlage für diese Verordnungsbestimmung aus.
§17 Stmk. BO 2002 war daher mangels gesetzlicher Grundlage als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie war als zuständige oberste Behörde des Bundes gemäß Art139 Abs5 B-VG zu verpflichten, diesen Ausspruch im Bundesgesetzblatt II kundzumachen (vgl. zB VfSlg. 13040/1992, 14083/1995).
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §61a VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 376,05, Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 245,25 sowie die in Höhe von € 180,- entrichtete Eingabengebühr enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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