VfGH V49/02 ua

VfGHV49/02 ua12.10.2002

Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung zweier Verordnungen betreffend die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften und Erntehelfern wegen zu engen Aufhebungsantrages; untrennbarer Zusammenhang mit einer davor erlassenen, nicht angefochtenen Verordnung

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
FremdenG 1997 §9
Verordnung BGBl II 159/2002 über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft
Verordnung BGBl II 182/2002 über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
FremdenG 1997 §9
Verordnung BGBl II 159/2002 über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft
Verordnung BGBl II 182/2002 über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. §9 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2000 (im folgenden kurz: FrG), lautet:

"Aufenthaltserlaubnis für Saisonarbeitskräfte

und Erntehelfer

§9. (1) Im Falle eines kurzfristig auftretenden oder eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfes, der aus dem Potential an Arbeitskräften nicht abgedeckt werden kann, das im Inland Zugang zum Arbeitsmarkt hat, ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt - innerhalb des hiefür nach der Niederlassungsverordnung (§18) vorgegebenen Rahmens und nach Anhörung des betroffenen Landes - für einen Wirtschaftszweig, eine Berufsgruppe oder eine Region - mit Verordnung zahlenmäßig Kontingente für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festzulegen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten erteilt werden; sie sind vorrangig Fremden zu erteilen, die über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit, verfügen. Beschäftigungsbewilligungen mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Wochen, die einem an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigten Fremden erteilt werden, sind in dessen Reisedokument ersichtlich zu machen.

(1a) Unter den Voraussetzungen und nach dem Verfahren gemäß Abs1 ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit weiters ermächtigt, mit Verordnung zahlenmäßig Kontingente für die Beschäftigung ausländischer Erntehelfer festzulegen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Fremden, die an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Wochen erteilt werden; diese sind im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.

(2) ..."

§18 FrG 1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2000 lautet:

"Niederlassungsverordnung

§18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die

1. Führungs- und Spezialkräften (Abs6) und deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern,

2. anderen Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern, sowie

3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,

höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). Die Bundesregierung hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und in der Verordnung die Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.

(2) Vor Erlassung der Verordnung gemäß Abs1 sind die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundesarbeitskammer, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Österreichische Industriellenvereinigung und das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut zu hören. Den Ländern ist die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge für die Zahl der im jeweiligen Bundesland benötigten Niederlassungsbewilligungen zu erstatten (Abs1 Z1 bis 3); die Länder haben hiefür die bestehenden Möglichkeiten im Schul- und Gesundheitswesen sowie - nach Anhörung der maßgeblichen Gemeinden - die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und - nach Anhörung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Landesebene - die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen.

(3) In der Niederlassungsverordnung hat die Bundesregierung festzulegen:

1. die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für Saisonarbeitskräfte (§9 Abs1), mit denen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Verordnung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder auf befristete Zweckänderung verbinden darf;

2. die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer (§9 Abs1a), mit denen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Verordnung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verbinden darf.

(4) In der Niederlassungsverordnung hat die Bundesregierung schließlich die Höchstzahl jener Niederlassungsbewilligungen von Drittstaatsangehörigen festzulegen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen dürfen. Die Bundesregierung hat auch diese Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.

(5) (Verfassungsbestimmung) Die Bundesregierung hat bei Erlassung dieser Verordnung (Abs1, 3 und 4) auf die Aufnahmefähigkeit des inländischen Arbeitsmarktes und die Vorschläge der Länder Bedacht zu nehmen; eine zahlenmäßige Überschreitung eines solchen Vorschlages ist nur mit Zustimmung des betroffenen Landes zulässig.

(6) Ist anzunehmen, daß das Angebot an Arbeitskräften auf dem inländischen Arbeitsmarkt während der Geltungsdauer der Verordnung die Nachfrage deutlich übersteigen wird, so ist bei Erlassung der Verordnung im Hinblick auf unselbständig Erwerbstätige (Abs1 Z1 und 2) nur auf die im Inland nicht verfügbaren Arbeitskräfte, deren Beschäftigung als Führungskräfte im Hinblick auf den damit verbundenen Transfer von Investitionskapital oder deren Beschäftigung als Spezialkräfte im Hinblick auf ihre besondere Ausbildung und ihre speziellen Kenntnisse im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt (Führungs- und Spezialkräfte) und auf deren Familiennachzug Bedacht zu nehmen. Bei Erlassung der Verordnung gemäß Abs1 Z3 hat die Bundesregierung unter Bedachtnahme auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes abzuwägen, in welchem Ausmaß bei Vorrang der Integration der ansässigen erwerbsbereiten Fremden in den Arbeitsmarkt weitere erwerbsbereite Fremde zu unselbständiger Erwerbstätigkeit zugelassen werden können. Hiebei kann die Bundesregierung Gruppen ansässiger Drittstaatsangehöriger bezeichnen, denen in Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration der Familiennachzug bevorzugt ermöglicht werden soll. Außerdem kann die Bundesregierung Gruppen von Familienangehörigen bezeichnen, denen auf Grund bestimmter, die Integration erleichternder Umstände, wie etwa der bevorstehende Eintritt der Schulpflicht, der Familiennachzug bevorzugt ermöglicht werden soll.

(7) Die Niederlassungsverordnung ist jeweils so rechtzeitig zu erlassen, daß sie mit Beginn des folgenden Jahres in Kraft treten kann. Wird diese Verordnung nicht rechtzeitig erlassen, so ist die im Vorjahr geltende Verordnung mit der Maßgabe anzuwenden, daß in jedem Monat höchstens ein Zwölftel der Anzahl der Niederlassungsbewilligungen erteilt werden darf.

(8) Sofern eine wesentliche Änderung der Umstände dies notwendig macht, hat die Bundesregierung diese Verordnung auch während ihrer Geltungsdauer unter Beachtung der Abs1 und 5 abzuändern."

§2 der Verordnung der Bundesregierung, mit der die Höchstzahlen der quotenpflichtigen Aufenthaltstitel für das Jahr 2002 festgelegt werden (Niederlassungsverordnung 2002 - NLV 2002), BGBl. II Nr. 2/2002, lautet:

"Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer

§2. (1) Im Jahr 2002 dürfen auf Grund von Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gemäß §9 Abs1 FrG bis zu 8 000 Beschäftigungsbewilligungen, mit denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer befristeten Zweckänderung verbunden ist, erteilt werden.

(2) Im Jahr 2002 dürfen auf Grund von Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gemäß §9 Abs1a FrG bis zu 7 000 Beschäftigungsbewilligungen für Erntehelfer erteilt werden."

Die auf §9 Abs1 FrG gestützte Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 159/2002, lautet:

"§1. Für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft wird ein Kontingent in der Höhe von 7 540 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt, das auf die Bundesländer wie folgt aufgeteilt wird:

Burgenland: .............................................. 350

Niederösterreich:....................................... 3 200

Oberösterreich: ........................................ 1 500

Salzburg:.................................................. 20

Steiermark:..............................................2 170

Wien: .................................................... 300

§2. Im Rahmen der genannten Kontingente dürfen nach Ausschöpfung der den einzelnen Bundesländern mit Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 53/2002, zugeteilten Kontingente weitere Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt werden. Die Geltungsdauer dieser Beschäftigungsbewilligungen darf sechs Monate nicht überschreiten und nicht nach dem 31. Dezember 2002 enden.

§3. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. November 2002 außer Kraft."

Die auf §9 Abs1 FrG gestützte Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 182/2002, lautet:

"§1. Für den Wirtschaftszweig Sommerfremdenverkehr wird ein Kontingent in der Höhe von 6 440 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt, das auf die Bundesländer wie folgt aufgeteilt wird:

Burgenland: ............. 460, davon 12 für Schaustellerbetriebe

Kärnten: .................400

Niederösterreich: ....... 460, davon 60 für Schaustellerbetriebe

Oberösterreich: ......... 780, davon 25 für Schaustellerbetriebe

Salzburg: ..............1 035

Steiermark: ............. 475, davon 50 für Schaustellerbetriebe

Tirol: .................2 160

Vorarlberg: ..............350

Wien: ................... 320, davon 100 für Schaustellerbetriebe

§2. Im Rahmen der genannten Kontingente dürfen während des gesamten zeitlichen Geltungsbereiches dieser Verordnung Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt werden. Die Geltungsdauer dieser Beschäftigungsbewilligungen darf sechs Monate nicht überschreiten und nicht nach dem 31. Oktober 2002 enden.

§3. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. September 2002 außer Kraft."

II. Die Kärntner Landesregierung beantragt mit ihrem Beschluß vom 11. Juni 2002 die Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 159/2002 sowie der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 182/2002, als gesetzwidrig.

1. Zum Umfang des Antrages bringt die Kärntner Landesregierung folgendes vor:

"... Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein von Amtswegen eingeleitete[s] Verordnungsprüfungsverfahren den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Verordnungsbestimmungen derart abzugrenzen hat, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als notwendig ist, um die angenommene Gesetzwidrigkeit zu beseitigen, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. etwa VfSlg. Nr. 7376/1974, 9374/1982 und 10639/1985). Die Grenzen der Aufhebung müssen nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshofes auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahrens so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Verordnungstext nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. Nr. 6674/1972, 8155/1997).

Ein Gesetzesprüfungsantrag ist nach der [s]tändigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn im Falle einer Aufhebung im begehrten Umfang der verbleibende Rest der Gesetzesvorschrift als inhaltsleerer und unanwendbarer Torso verbliebe (VfSlg. Nr. 14895/1997). Dies muss auch für das Verordnungsprüfungsverfahren gelten.

... Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat sich die Kärntner Landesregierung bei der Festlegung des Anfechtungsumfanges hinsichtlich der vorliegenden Anträge von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat im Jahre 2002 bisher folgende Verordnungen auf Grund des §9 Abs1 des Fremdengesetzes 1997 mit denen Kontingente für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt und auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt werden, erlassen:

Damit wurde für den Wirtschaftszweig Fremdenverkehr ein Kontingent in der Höhe von 2090 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt und auf die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg aufgeteilt.

Damit wurde für de[n] Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft ein Kontingent in der Höhe von 3980 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt und auf die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien aufgeteilt.

Damit wurde für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft ein Kontingent in der Höhe von 7540 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt und auf die Bundesländer Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien aufgeteilt.

Damit wurde für den Wirtschaftszweig Sommerfremdenverkehr ein Kontingent in der Höhe von 6440 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt und auf die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien aufgeteilt.

Die in der Niederlassungsverordnung 2002 für Saisonarbeitskräfte in §2 Abs1 festgelegte Höchstgrenze von 8000 Beschäftigungsbewilligungen wurde mit der Verordnung BGBl. II Nr. 159/2002, mit der ein Kontingent der Höhe von 7540 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften im Wirtschaftszweig Land und Forstwirtschaft festgelegt wurde, erstmals überschritten. Mit der vorangehenden Verordnung BGBl. II Nr. 8/2002, über die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften für den Wirtschaftszweig Winterfremdenverkehr, mit der ein Kontingent in der Höhe von 2090 festgelegt wurde und mit der Verordnung BGBl. II Nr. 53/2002 mit der für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft ein Kontingent der Höhe von 3980 für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festgelegt wurde, wurde zwar das insgesamt höchstzulässige Kontingent für Saisonarbeitskräfte von 8000 Beschäftigungsbewilligungen noch nicht zur Gänze ausgeschöpft, es wäre noch eine Restquote von 1930 Beschäftigungsbewilligungen offen geblieben. Nachdem aber mit der Verordnung BGBl. II Nr. 159/2002 ein Kontingent in der Höhe von 7540 festgelegt wurde, erweist sich die Verordnung in ihrer Gesamtheit als gesetzwidrig, weil nur mit einer gänzlichen Aufhebung die angenommene Gesetzwidrigkeit beseitigt werden kann. Es steht nämlich dem Verfassungsgerichtshof nicht zu, gleichsam in der Rolle eines Verordnungsgebers, die normierte Zahl von 7540 Beschäftigungsbewilligungen durch die noch offene Restquote von 1930 Beschäftigungsbewilligungen zu ersetzen.

In gleicher Weise begründet wird der Antrag auf gänzliche Aufhebung der Verordnung BGBl. II Nr. 182/2002, mit der für den Wirtschaftszweig Sommerfremdenverkehr ein Kontingent in der Höhe von 6440 festgelegt wurde."

2. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat eine Äußerung erstattet, in der er die angefochtenen Verordnungen verteidigt.

3. Seit dem Einlangen des Antrages der Kärntner Landesregierung am 26. Juni 2002 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die auf §9 Abs1 FrG gestützte Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 311/2002 erlassen. Mit dieser Verordnung wird ein Kontingent in der Höhe von 405 festgelegt und auf die Bundesländer Tirol und Vorarlberg aufgeteilt; die Verordnung tritt mit Ablauf des 30. September 2002 außer Kraft.

III. Der Antrag ist unzulässig:

1. Gem. §18 Abs3 FrG hat die Bundesregierung in der Niederlassungsverordnung die Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für Saisonarbeitskräfte gem. §9 Abs1 FrG festzulegen, mit denen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Verordnung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder auf befristete Zweckänderung verbinden darf.

2. Die Niederlassungsverordnung 2002, BGBl. II Nr. 2, bestimmt in ihrem §2 Abs1, daß auf Grund von Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gem. §9 Abs1 FrG "bis zu 8000 Beschäftigungsbewilligungen", mit denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer befristeten Zweckänderung verbunden ist, erteilt werden dürfen.

3. Gem. §9 Abs1 FrG ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit u.a. im Fall eines kurzfristig auftretenden oder eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfes ermächtigt, - innerhalb des hiefür nach der Niederlassungsverordnung vorgegebenen Rahmens und nach Anhörung des betroffenen Landes - für einen Wirtschaftszweig, eine Berufsgruppe oder eine Region - mit Verordnung zahlenmäßig Kontingente für die Beschäftigung von ausländischen Saisonarbeitskräften festzulegen. Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG mit einer Geltungsdauer von maximal sechs Monaten erteilt werden.

4. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat in Vollziehung der Bestimmung des §9 Abs1 FrG die ihm nach dem System der Kontingentfestlegung zustehende Höchstzahl von 8000 Beschäftigungsbewilligungen nicht in einer Verordnung auf die unterschiedlichen Wirtschaftszweige bzw. Berufsgruppen aufgeteilt, sondern folgende Verordnungen in zeitlicher Abfolge erlassen:

a) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern im Winterfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 8/2002, kundgemacht am 8. Jänner 2002, mit der ein Kontingent in der Höhe von 2090 für die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften festgelegt wurde; diese Verordnung ist gem. §3 mit Ablauf des 30. April 2002 außer Kraft getreten;

b) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 53/2002, kundgemacht am 5. Februar 2002, mit einem Kontingent in der Höhe von 3980; diese Verordnung tritt gem. §3 mit Ablauf des 30. November 2002 außer Kraft;

c) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 159/2002, kundgemacht am 19. April 2002, mit einem Kontingent in der Höhe von 7540; diese Verordnung tritt gem. §3 mit Ablauf des 30 November 2002 außer Kraft;

d) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 182/2002, kundgemacht am 14. Mai 2002, mit einem Kontingent in der Höhe von 6440; diese Verordnung tritt gem. §3 mit Ablauf des 30. September 2002 außer Kraft und

e) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern im Sommerfremdenverkehr, BGBl. II Nr. 311/2002, kundgemacht am 6. August 2002, mit einem Kontingent von 405; diese Verordnung tritt gem. §3 mit Ablauf des 30. September 2002 außer Kraft.

Von diesen Verordnungen standen somit im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof am 26. Juni 2002 drei in Geltung, wobei eine Überschreitung der vorgegebenen Anzahl von 8000 Beschäftigungsbewilligungen gegebenenfalls nur durch die Zusammenrechnung der in diesen Verordnungen zugeteilten Kontingente erfolgen würde.

5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzeskonformität hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind - wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren (siehe VfSlg. 14044/1995; zu Art140 B-VG VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11455/1987) schon wiederholt darlegte, - notwendig so zu ziehen, daß einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (VfSlg. 15203/1998; B vom 27.11.2001, V28/01)

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, daß im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB B vom 20.6.2001, G99/00 und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein untrennbarer Zusammenhang im Sinne der vor zitierten Rechtsprechung kann nicht nur zwischen Regelungen ein und desselben Normsetzungsaktes bestehen, sondern auch zwischen gesetzlichen Bestimmungen, die auf je verschiedenen, auch zeitlich aufeinanderfolgenden Normsetzungsakten beruhen (vgl. hinsichtlich eines amtswegigen Prüfungsverfahrens zur "sachlich untrennbare[n] Einheit" des §13 Abs9a und 9b GG und §19 BDG VfSlg. 14692/1996 sowie hinsichtlich des "untrennbare[n] Zusammenhang[es]" zwischen §165 ABGB und §72 Personenstandsgesetz VfSlg. 14196/1995).

6. Die Kärntner Landesregierung beschränkt ihren Antrag auf die Aufhebung der Verordnungen BGBl. II Nr. 159/2002 und BGBl. II Nr. 182/2002 mit der Begründung, daß erst diese beiden Verordnungen zur Überschreitung des Kontingentes von maximal 8000 Beschäftigungsbewilligungen führen würden; die diesen Verordnungen zeitlich vorangegangene und im Zeitpunkt der Antrages (wie auch derzeit) noch in Geltung stehende Verordnung BGBl. II Nr. 53/2002 wird von ihr nicht bekämpft.

Die nicht angefochtene und die angefochtenen Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit stehen in diesem Sinne in einem untrennbaren Zusammenhang: Wenn der Gesetzgeber eine Regelung vorsieht, nach welcher innerhalb (arg. "im Rahmen") einer (hier: durch Verordnung gem. §18 FrG) vorgegebenen Höchstzahl von Berechtigungen durch weitere Verordnungen Kontingente einerseits nach regionalen Gesichtspunkten, andererseits für Wirtschaftszweige oder Berufsgruppen zugeteilt werden müssen, dann besteht kein Unterschied, ob diese Zuteilung in einem einheitlichen Normsetzungsakt erfolgt oder in mehreren, zeitlich aufeinanderfolgenden Verordnungen.

Wenn erst mehrere, in dieser Weise zeitlich aufeinanderfolgende Verordnungen gemeinsam zum gesetzwidrigen Ergebnis des Überschreitens einer (von einer höherrangigen Norm für diese Kontingentverteilung vorgegebenen, gemeinsamen) Obergrenze führen, so ist die dadurch bewirkte Gesetzwidrigkeit allen Verordnungen gemeinsam anzulasten und nicht bloß jener, die in der zufälligen zeitlichen Abfolge als erste eine Überschreitung der Obergrenze herbeiführt. Auch wenn daher in einer Reihe solcher Verordnungen jene, welche sich noch im Rahmen der Obergrenze bewegen, zunächst unter diesem Aspekt nicht gesetzwidrig sind, werden sie es ab dem Zeitpunkt, zu dem mit einer weiteren Verordnung die vorgegebene gemeinsame Obergrenze überschritten wird (dazu, daß eine ursprünglich verfassungskonform erlassene Norm im Zeitablauf verfassungswidrig werden kann, vgl. VfSlg. 12735/1991 ua).

Damit erweist sich der Anfechtungsumfang jedoch als zu eng, da zwischen allen auf Grund des §9 Abs1 FrG vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erlassenen Verordnungen ein untrennbarer Zusammenhang besteht, weshalb die Kärntner Landesregierung alle zum Zeitpunkt der Anfechtung (noch) in Geltung stehenden Verordnungen hätte anfechten müssen.

7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

8. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

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