VfGH B1676/01 ua

VfGHB1676/01 ua9.10.2003

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
VfGG §17a
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
VfGG §17a

 

Spruch:

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden daher aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils € 1.962,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beiden vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Gemeinden betreiben in Oberösterreich je eine vor dem 1. Juli 1997 bewilligte (nunmehr: Massenabfall-)Deponie.

1. a) Mit Eingabe vom 22. Februar 2001 beantragte die zu B1676/01 beschwerdeführende Gemeinde beim Landeshauptmann von Oberösterreich für die von ihr betriebene Massenabfalldeponie eine Verlängerung der in §45a Abs1 Z2 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) mit 1. Jänner 2004 festgelegten Anpassungsfrist betreffend das (in §5 Z7 der Deponieverordnung, BGBl. 164/1996, normierte) Verbot der Deponierung bis zur Verfüllung der rechtskräftig genehmigten Einlagerungsmenge, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2008.

b) Bereits im Jahr 2000 richtete die nunmehr zu B1414/02 beschwerdeführende Gemeinde ein gleichsinniges, (aber noch) auf §31d Abs7 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG) gestütztes Begehren an den Landeshauptmann von Oberösterreich.

2. a) Diese Anträge wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 6. Februar 2001 (B1414/02) bzw. vom 6. Juli 2001 (B1676/01) als unzulässig zurück: Eine allfällige Verlängerung der Anpassungsfrist habe gemäß §45a Abs7 AWG durch Verordnung zu erfolgen, auf deren Erlassung aber kein (in einem Verwaltungsverfahren durchsetzbarer) Anspruch bestünde.

b) Den dagegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erhobenen Berufungen blieb der Erfolg versagt:

Mit Bescheiden vom 24. Oktober 2001 (B1676/01) und vom 29. Juli 2002 (B1414/02) bestätigte der Bundesminister - im zuletzt genannten Bescheid unter Berufung auf den (im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zwar kundgemachten, allerdings noch nicht in Kraft getretenen) §76 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) - die erstinstanzlichen Bescheide.

3. In den gegen diese Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerden erachten sich die beschwerdeführenden Gemeinden in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit der Erwerbsausübung und Unversehrtheit des Eigentums insbesondere wegen Anwendung des für verfassungswidrig erachteten §45a Abs1 Z2 AWG verletzt und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften die Abweisung der jeweiligen Beschwerde beantragt.

II. Aus Anlass dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. März 2003, B1676/01 ua., ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §45a Abs5 letzter Satz und der Wortfolge "durch Verordnung" im §45a Abs7 AWG, BGBl. 325/1990, idF BGBl. I 90/2000 ein. Mit Erkenntnis vom 9. Oktober 2003, G41,42/03, sprach er aus, dass diese Bestimmungen verfassungswidrig waren.

III. Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese in gesetzwidriger Weise ihre gesetzliche Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 13.280/1992 und VfGH 30.11.2000, B4773/96).

Die vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften, die Zurückweisung der Anträge auf Fristverlängerung bestätigenden Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gründen sich auf die mit dem unter Pkt. II. genannten Erkenntnis für verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des §45a AWG.

Da diese Bestimmungen gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlassfall nicht mehr anzuwenden sind, sohin über einen Antrag auf Fristverlängerung gemäß §45a Abs5 zweiter Satz AWG mit Bescheid zu entscheiden war, wurde den beschwerdeführenden Gemeinden zu Unrecht eine Sachentscheidung über ihre Verlängerungsanträge verweigert.

Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Verletzung des den beschwerdeführenden Parteien verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten. Der - darüber hinaus begehrte - Ersatz der Eingabegebühr gemäß §17a VfGG hat nicht stattzufinden, weil gemäß §17a Abs1 zweiter Satz Gebietskörperschaften von deren Entrichtung befreit sind.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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