VfGH G219/01

VfGHG219/017.3.2002

Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend pauschalierte Dienstgeberbeiträge für geringfügig Beschäftigte in der Kranken- und Pensionsversicherung als kompetenzwidrig; keine Zuordnung zum Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" bzw "Abgabenwesen" infolge Unabhängigkeit der Beitragspflicht von einem Versicherungsverhältnis bzw mangels Qualifikation der Dienstgeberbeiträge als öffentliche Abgaben iSd F-VG 1948; keine Aufhebung der Regelung über die Ausnahme geringfügig Beschäftigter von der Vollversicherungspflicht bzw die Möglichkeit einer Selbstversicherung; Einstellung des Verfahrens hinsichtlich von Bestimmungen über die Beitragspflicht vollversicherter geringfügig Beschäftigter sowie über Unfallversicherungsbeiträge der Dienstgeber mangels Präjudizialität

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art13 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität Umfang
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand Umfang
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
ASVG §5 Abs1 Z2
ASVG §19a
ASVG §53a
F-VG 1948
B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art13 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität Umfang
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand Umfang
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
ASVG §5 Abs1 Z2
ASVG §19a
ASVG §53a
F-VG 1948

 

Spruch:

I. In §53a des Bundesgesetzes vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung der Z33 der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, werden

  1. a) im Abs1 Z1 die Ausdrücke "1." sowie "und,",
  2. b) im Abs1 die Z2 zur Gänze,
  3. c) der Abs2 zur Gänze sowie
  4. d) im Abs5 die Wendung "gemäß Abs1 Z2 und"

als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 2003 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. §5 Abs1 Z2 und §19a ASVG, idF des Art7 Z8 bzw. des Art7 Z32 des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 - ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997 (54. Novelle zum ASVG), die letztgenannte Bestimmung auch in der Fassung der Z20 und 21 der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, sowie die verbleibenden Teile des §53a Abs5 ASVG in der Fassung der Z33 der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, - ausgenommen die Worte "gemäß Abs3" - werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. §5 Abs1 Z2 ASVG idF Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 (ASRÄG 1997), BGBl. I Nr. 139/1997, nimmt von der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG

"Dienstnehmer ..., wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß Abs2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen)",

aus.

Für das Kalenderjahr 1998 wurde die in §5 Abs1 Z2 ASVG bezogene sog. Geringfügigkeitsgrenze mit S 3.830,-- bestimmt, wenn das geringfügige Beschäftigungsverhältnis auf mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde (vgl. §5 Abs2 Z2 ASVG iVm §2 Z2 Kundmachung BGBl. I Nr. 431/1997). Geringfügig beschäftigte Dienstnehmer sind somit nicht mehr hinsichtlich jeder Beschäftigung von der Vollversicherungspflicht ausgenommen, sondern nur dann, wenn das im Kalendermonat bezogene Entgelt aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt. Überschreitet daher das Entgelt aus zwei oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen die Geringfügigkeitsgrenze, so tritt seit Inkrafttreten des ASRÄG 1997 Vollversicherungspflicht für alle geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ein; dies auch dann, wenn eine (oder mehrere) hinsichtlich des Entgelts (gemeinsam) die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitende Beschäftigung(en) neben einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis besteht (bestehen). Nähere Regelungen über die Durchführung der Versicherung in jenen Fällen, in denen mehrere geringfügige Beschäftigungen gemeinsam zur Versicherungspflicht führen, treffen die §§471f ff ASVG.

2. Von der Pflichtversicherung ausgenommen sind nach §5 Abs1 Z2 iVm Abs2 ASVG daher seit dem ASRÄG 1997 nur mehr jene geringfügig beschäftigten Personen, die (erstens) in keinem Beschäftigungsverhältnis vollversichert sind und (zweitens) deren Entgelt aus einer oder mehreren Beschäftigungen auch zusammengerechnet die Grenze des §5 Abs2 ASVG nicht übersteigt. Diese Personen sind nur in der Unfallversicherung pflichtversichert (§7 Z3 lita ASVG), haben aber - wenn sie auch sonst weder in einer gesetzlichen Kranken- noch Pensionsversicherung versichert sind - gem. §19a ASVG die Möglichkeit, sich in den genannten Versicherungszweigen selbst zu versichern. §19a Abs6 ASVG bestimmt hiezu, daß eine derartige Selbstversicherung in der Krankenversicherung hinsichtlich des Anspruchs auf Leistungen nach dem ASVG und nach dem Mutterschutzgesetz 1979 dieselben Rechtswirkungen hat wie eine Pflichtversicherung.

3. Die Beitragspflicht sowie die Aufteilung der Beiträge zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer wird in §53a ASVG idF ASRÄG 1997 sowie der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, geregelt, der wie folgt lautet:

"Beiträge für Versicherte, die in geringfügigen

Beschäftigungsverhältnissen stehen

§53a. (1) Der Dienstgeber hat für alle bei ihm gemäß §5 Abs2 beschäftigten Personen zu leisten:

1. einen Beitrag zur Unfallversicherung in der Höhe von 1,4 % der allgemeinen Beitragsgrundlage und,

2. sofern die Summe der monatlichen allgemeinen Beitragsgrundlagen (Entgelt ohne Sonderzahlungen) dieser Personen das Eineinhalbfache des Betrages gemäß §5 Abs2 übersteigt, einen Pauschalbeitrag in der Höhe von 16,4 % der Beitragsgrundlage gemäß Abs2; davon entfallen

a) auf die Krankenversicherung als allgemeiner Beitrag 3,6 % und als Zusatzbeitrag 0,25 %,

b) auf die Pensionsversicherung als allgemeiner Beitrag 9,25 % und als Zusatzbeitrag 3,3 %.

(2) Grundlage für die Bemessung des Pauschalbeitrages gemäß Abs1 Z2 ist die Summe der Entgelte (einschließlich der Sonderzahlungen), die der Dienstgeber jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs1 genannten Personen zu zahlen hat.

(3) Vollversicherte, die in einem oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stehen, haben hinsichtlich dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältisse einen Pauschalbeitrag zu leisten. Für jeden Kalendermonat beträgt dieser Pauschalbeitrag für die im §51 Abs1 Z1 lita genannten Personen 13,65 %, für alle anderen Personen 14,2 % der allgemeinen Beitragsgrundlage. Davon entfallen

  1. a) auf die Krankenversicherung als allgemeiner Beitrag
    • für die im §51 Abs1 Z1 lita genannten

      Personen 3,15 %,

    • für alle anderen Personen 3,7 %

      und als Zusatzbeitrag 0,25 %,

b) auf die Pensionsversicherung als allgemeiner Beitrag 9,25 % und als Zusatzbeitrag 1 %.

(4) Beiträge zur Krankenversicherung für Vollversicherte gemäß Abs3 sind nur so weit vorzuschreiben, als die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen aus allen Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat das Dreißigfache der Höchstbeitragsgrundlage (§45 Abs1) nicht überschreitet.

(5) Die gemäß Abs1 Z2 und gemäß Abs3 auf die Pensionsversicherung entfallenden Beiträge sind an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger (§447g) zu überweisen."

3.1. Jeder vollversicherte, geringfügig Beschäftigte hat einen in §53a Abs3 ASVG näher geregelten Pauschalbeitrag (in der auch sonst für Pflichtversicherte geltenden Höhe) zu leisten. Nur geringfügig Beschäftigte, die weiterhin von der Pflichtversicherung ausgenommen sind, können sich gem. §19a ASVG in der Kranken- und Pensionsversicherung selbstversichern; Beitragsgrundlage gem. §76b Abs2 ASVG ist dabei die jeweilige Geringfügigkeitsgrenze des §5 Abs2 ASVG, der Beitrag beträgt gem. §77 Abs2a ASVG S 540,-- monatlich (Wert 1998).

3.2. Nach §53a Abs1 Z2 ASVG hat ein Dienstgeber für alle bei ihm geringfügig beschäftigten Dienstnehmer Pauschalbeiträge in Höhe von 16,4 % der Beitragsgrundlage (dazu §53a Abs2 ASVG) in der Kranken- und Pensionsversicherung zu leisten, vorausgesetzt, die monatlichen allgemeinen Beitragsgrundlagen dieser Dienstnehmer übersteigen im Kalendermonat insgesamt 150 % der Geringfügigkeitsgrenze (im Kalenderjahr 1998 somit den Betrag von S 5.745,--). Die sonach entstandene Beitragspflicht gilt hinsichtlich aller im Betrieb des Dienstgebers bestehenden geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse.

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1271/99 die Beschwerde einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung anhängig, die in Oberösterreich das Gewerbe der Gebäude- und Zimmerreinigung betreibt. Da die Gesellschaft unstrittig in jedem Kalendermonat des Kalenderjahres 1998 geringfügig beschäftigte Dienstnehmer angestellt hatte, die Entgelte in Höhe von insgesamt über 150 % der Geringfügigkeitsgrenze bezogen, wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 6.5.1999 - auf Antrag der Gesellschaft - festgestellt, daß die Gesellschaft für die im Kalenderjahr 1998 bei ihr geringfügig beschäftigten Dienstnehmer Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von S 29.794,37, Pensionsversicherungsbeiträge in Höhe von S 97.121,94 sowie Unfallversicherungsbeiträge in Höhe von S 10.834,32 zu zahlen habe.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob dagegen (lediglich) hinsichtlich der Feststellung der Pflicht zur Entrichtung von Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträgen Einspruch an den Landeshauptmann von Oberösterreich, der dieses Rechtsmittel jedoch als unbegründet abwies und den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigte.

2. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid erhob die Gesellschaft sodann Beschwerde gem. Art144 Abs1 B-VG.

3. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §5 Abs1 Z2, des §19a sowie des §53a ASVG (in den aus dem Spruch ersichtlichen Fassungen) entstanden. Er hat daher am 27.6.2001 beschlossen, diese Bestimmungen von Amts wegen in Prüfung zu ziehen, uwz. aus folgenden Erwägungen:

"... Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch gegen die in Prüfung gezogenen, anscheinend in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen das Bedenken, daß sich der Bundesgesetzgeber bei ihrer Erlassung insoweit nicht auf den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' in Art10 Abs1 Z11 B-VG zu stützen vermochte, als die in §53a ASVG getroffene Regelung eines 'pauschalierten Dienstgeberbeitrages' für geringfügig Beschäftigte aus folgenden Gründen diesem Kompetenztatbestand nicht zuzuordnen sein dürfte:

.... Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 3670/1960 ausgesprochen hat, ist der Inhalt der Kompetenzartikel des B-VG nach dem Stand der einfachen Gesetzgebung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung zu ermitteln; für den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' ist dies der 1. Oktober 1925. (Die Neufassung des Kompetenzartikels im Jahr 1974, BGBl. Nr. 444, ist für den beibehaltenen Begriff 'Sozialversicherungswesen' ohne Bedeutung, da die genannte Novelle diesem Begriff keine neue Bedeutung zumessen wollte; vgl. die Materialien zur B-VG Novelle 1974, EB RV 182 BlgNR XIII. GP 8 ff, die sich nur mit dem neu geschaffenen Begriff 'Arbeitsrecht' beschäftigen). Neuregelungen sind jedoch zulässig, wenn sie ihrem Inhalt nach systematisch dem Kompetenzgrund angehören (vgl. ebenso VfSlg. 3670/1960 sowie jüngst VfSlg. 14266/1995, 14444/1996, 15286/1998 und 15552/1999 (intrasystematische Weiterentwicklung von Kompetenzbegriffen)).

... Im Jahr 1925 bildeten im wesentlichen folgende Gesetze den Kern des Sozialversicherungsrechtes: Das Gesetz vom 28. Dezember 1887 betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter, RGBl. Nr. 1/1888, mehrfach novelliert, vor dem 1.10.1925 zuletzt mit BGBl. Nr. 247/1925; das Gesetz vom 30. März 1888 betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, RGBl. Nr. 33/1888, mehrfach novelliert, wiederverlautbart mit Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 859/1922, letzte Novelle vor dem 1.10.1925 mit BGBl. Nr. 113/1925; das Gesetz vom 16. Dezember 1906, betreffend die Pensionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in öffentlichen Diensten Angestellten, RGBl. Nr. 1/1907, mehrfach novelliert, vor dem 1.10.1925 zuletzt mit BGBl. Nr. 373/1923 und das Gesetz vom 24. März 1920 über die Arbeitslosenversicherung, StGBl. Nr. 153/1920, oftmals novelliert, vor dem 1.10.1925 zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 253/1925. All diesen Gesetzen war es zu eigen, daß der Eintritt der Sozialversicherungspflicht an die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses anknüpfte, daß Dienstgeber und Dienstnehmer aufgrund des ex lege entstandenen Versicherungsverhältnisses zur Leistung von Beiträgen verpflichtet waren und daß der Dienstnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles bestimmte Leistungen erhielt.

... Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Auslegung des Kompetenzbegriffes 'Sozialversicherungswesen' beschäftigt (vgl. schon VfSlg. 1388/1931 und VfSlg. 1448/1932 hinsichtlich der Abgrenzung dieses Kompetenztatbestandes von jenem der 'Heil- und Pflegeanstalten' im damaligen Art12 Abs1 Z2 B-VG, bzw. in Art12 Abs1 Z1 B-VG; ferner VfSlg. 3219/1957 und 7785/1976).

... Im Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 führte der Verfassungsgerichtshof zum Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' - aus dem Blickwinkel der Umschreibung des Kreises der Versicherten und der Verpflichtung der Dienstgeber zur Beitragsleistung - auszugsweise folgendes aus:

'Bei der Sozialversicherung handelt es sich nun um ein

verhältnismäßig neues Sachgebiet, das durch eine unaufhörliche

Fortentwicklung sowohl was den Umfang der Versicherten als auch den

Gegenstand der Versicherung anlangt, gekennzeichnet ist. Die

Sozialversicherungsgesetzgebung ist - neben anderen - eine

Einrichtung, die den Wandel in den Auffassungen über die Aufgaben des

Staates auf dem Gebiete der Sozialordnung veranschaulicht. Das Wesen

der Sozialversicherung besteht darin, in einer bestimmten, von

anderen Maßnahmen der Sozialpolitik unterschiedenen Form die

mannigfachen Gefahren, die die wirtschaftliche Existenz bedrohen,

auszuschalten oder doch zu mildern. Der Kompetenzbereich ist damit

nicht auf wirtschaftliche Gefahren eingeschränkt, denen bestimmte

Schichten der Bevölkerung ausgesetzt sind. ... Es ist allerdings der

Sozialversicherung eigentümlich, daß auch die Dienstgeber zur

Beitragsleistung herangezogen werden. Maßnahmen dieser oder ihnen

rechtlich gleichzustellender Art sind daher zweifellos

sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen. ... Auch wenn man die

Vorschriften über die Dienstgeberbeiträge auf die Auffassung des

Gesetzgebers über eine Verpflichtung der Dienstgeber zurückführt, an

der Linderung eines sozialen Übelstandes mitzuwirken, so kann doch

nicht verkannt werden, daß ein solcher Gedanke innerhalb der

Sozialversicherung nur in einem beschränkten Umfang, der für dieses

Sachgebiet typisch ist, verwirklicht wird. ... Der nach dieser

Auffassung im Unternehmerbeitrag verkörperte Gedanke einer sozialen

Verantwortung geht über den vom Unternehmer geschaffenen

Unternehmensbereich nicht hinaus ... Vor allem aber ist der

Arbeitgeberbeitrag von der Höhe des Arbeitseinkommens der Beschäftigten abhängig.'

Der Verfassungsgerichtshof erachtete in diesem Erkenntnis zum Zwecke der Finanzierung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung erhobene Zuschläge zur Grundsteuer als vom Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' nicht erfaßt und daher als verfassungswidrig.

... In jenen Fällen, in denen die in §53a Abs1 Z2 ASVG normierte Beitragsverpflichtung des Dienstgebers einen insgesamt nur geringfügig beschäftigten Dienstnehmer erfaßt, knüpft zwar der Gesetzgeber - anders als im Fall des Erkenntnisses VfSlg. 3670/1960 - am Arbeitsverdienst und damit unternehmensbezogen an; ungeachtet dieser Verpflichtung zur Beitragsleistung kommt jedoch - so nimmt der Verfassungsgerichthof vorläufig an - ein Versicherungsverhältnis (beinhaltend einen zumindest theoretisch möglichen Leistungsanspruch) weder ex lege durch die Aufnahme der Beschäftigung, noch unter Vorbehalt der vom Dienstgeber tatsächlich erbrachten Beitragsleistung, sondern - zunächst - überhaupt nicht zustande. Ein Versicherungsverhältnis scheint vielmehr in solchen Fällen nur durch die Aufnahme einer Selbstversicherung gem. §19 ASVG durch den Dienstnehmer zu entstehen, diesfalls aber wieder ganz unabhängig davon, ob auch der Dienstgeber für diesen Dienstnehmer einen Dienstgeberbeitrag zu entrichten hat oder nicht (keine Beitragspflicht des Dienstgebers besteht z.B. etwa dann, wenn dieser Dienstgeber nur einen einzigen geringfügig entlohnten Dienstnehmer beschäftigt).

... Mangels Entstehung eines Versicherungsverhältnisses dürfte daher die genannte Regelung über die Beitragspflicht - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - weder dem Kompetenztatbestand des 'Sozialversicherungswesens' iS der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kompetenztatbestandes geltenden Rechtslage (s. 2.1.) zuzuordnen noch als dessen intrasystematische Fortentwicklung anzusehen sein: Es dürfte nämlich ein unverzichtbares Wesensmerkmal der gesetzlichen Sozialversicherung sein, daß die Beitragsleistung mit dem (vorherigen oder gleichzeitigen) Entstehen eines Versicherungsverhältnisses, d.i. das Versichern einer Person gegen den Eintritt bestimmter Ereignisse - wie z.B. Krankheit oder Alter -, verbunden ist. Die Regelung über eine in der Form eines Sozialversicherungsbeitrages konzipierte Beitragspflicht vermag sich anscheinend auch nicht auf andere Kompetenztatbestände, insbesondere jene der Finanzverfassung, zu stützen, weil die Beiträge keiner Gebietskörperschaft zufließen (vgl. VfSlg. 6039/1969)."

4. Die Bundesregierung hat eine schriftliche Äußerung erstattet, in der folgendes ausgeführt wird:

"I.

Zur Rechtslage und zu den Prozessvoraussetzungen:

Die Bundesregierung verweist eingangs auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach bei einem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren (nur) jene gesetzlichen Bestimmungen präjudiziell sind, die von der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, bei der Erlassung dieses Bescheides in denkmöglicher Weise angewendet wurden (vgl. z.B. VfSlg. 5373/1966, 8318/1978, 8999/1980, 12677/1991 und 14257/1995) oder die diese Behörde anzuwenden verpflichtet war (siehe z.B. VfSlg. 10617/1985, 11752/1988 und 14257/1995) und die darum auch der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung über die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde anzuwenden hätte (vgl. z.B. VfSlg. 6947/1972 und 14257/1995). Präjudiziell sind darüber hinaus auch jene Bestimmungen, die der Verfassungsgerichtshof anzuwenden hätte, obgleich sie von der belangten Behörde weder angewendet wurden noch anzuwenden waren (vgl. z.B. VfSlg. 8028/1977, 10292/1984, 10402/1985, 12678/1991, 13273/1992 und 14257/1995). Dabei ist es jedoch - wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls in ständiger Rechtssprechung (siehe z. B. VfSlg. 9751/1983, 10816/1986, 11394/1987, 12067/1989 und 14078/1995) ausgesprochen hat - 'offenkundig, dass die Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG den Verfassungsgerichtshof nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam kann letztlich jede Norm, dh die gesamte Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften ist es vielmehr, den Umfang jener generellen Normen, die zu prüfen der Verfassungsgerichtshof befugt ist, einzugrenzen.'

Weiters hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Umfang der zu prüfenden Bestimmungen derart abzugrenzen ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Demgemäß hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7726/1975, 7786/1976).

Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss wurde mit dem gemäß Art144 B-VG angefochtenen Bescheid die Verpflichtung der beschwerdeführenden Gesellschaft ausgesprochen, für die im Jahr 1998 bei ihr geringfügig Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge in bestimmter Höhe zu zahlen. Die Beitragspflicht der Dienstgeber für die bei ihnen geringfügig beschäftigten Personen wird in §53a ASVG geregelt. Aus dieser Bestimmung ergibt sich zum einen die Verpflichtung der Dienstgeber, bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einen Pauschalbetrag zu leisten, zum anderen ist auch die Höhe des Pauschalbetrages aufgrund der in dieser Bestimmung normierten Prozentsätze festzulegen. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes dürfte die belangte Behörde weder in dem von ihr durchgeführten Verfahren der Beitragsvorschreibung die §§5 Abs1 Z2 und 19a ASVG tatsächlich angewendet haben, noch war sie nach Auffassung der Bundesregierung in einem derartigen Verfahren dazu verpflichtet. In einem Verfahren der Beitragsvorschreibung hat die Behörde somit ihren Bescheid auf §53a ASVG zu stützen, wobei für die Frage des Vorliegens eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses die Bestimmung des §5 Abs2 ASVG maßgeblich ist. Die Fragen, ob solche Dienstnehmer der Vollversicherungspflicht unterliegen (§5 Abs1 Z2 ASVG) bzw. ob ihnen ein Recht zur Selbstversicherung zukommt (§19a ASVG) sind in einem Verfahren gemäß §53a leg. cit. nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu beurteilen.

In diesem Zusammenhang ist weiters auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorliegt - zu beseitigen, dass aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist. Es sollen also keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten (VfSlg. 13739/1994).

Die vom Verfassungsgerichtshof vorzunehmende Abwägung ergibt nach Auffassung der Bundesregierung im vorliegenden Fall, dass das Verfahren nur hinsichtlich §53a ASVG zulässig sein dürfte. Denn durch eine allfällige Aufhebung dieser Bestimmung würde die mögliche Verfassungswidrigkeit, läge sie tatsächlich vor, beseitigt werden. Durch eine allfällige Aufhebung der §§5 Abs1 Z2, 19a ASVG wäre die Veränderung des Normengehaltes des ASVG insgesamt größer als bei alleiniger Prüfung des §53a ASVG (vgl. VfSlg. 8389/1978, 15117/1998).

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dürften auch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, weil es im Falle des Zutreffens der aufgeworfenen Bedenken nicht erforderlich wäre, die Bestimmungen der §§5 Abs1 Z2, 19a ASVG, auf die sich der Bescheid unmittelbar nicht gründet, mit aufzuheben. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass die §§5 Abs1 Z2 und 19a ASVG nicht präjudiziell sind und insoweit die Prozessvoraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

II.

Vorbemerkungen:

Die Bundesregierung erlaubt sich, den verfassungsrechtlichen Ausführungen zum besseren Verständnis jene rechtspolitischen Erwägungen voranzustellen, die den in Prüfung gezogenen Bestimmungen zugrunde liegen:

Seit Anfang der 90-er Jahre wurde intensiv über die Einbeziehung der so genannten atypischen bzw. prekären Dienstverhältnisse in die Vollversicherung der Sozialversicherung diskutiert. Im Zentrum dieser Diskussionen standen insbesondere zwei Personengruppen:

* die so genannten Werkvertragsnehmer und

* die geringfügig Beschäftigten, wobei diese Personengruppe insbesondere aus frauenspezifischer Sicht in die Diskussion eingebracht wurde.

Die Verbreitung so genannter 'neuer' Beschäftigungsformen war im letzten Jahrzehnt immer stärker geworden, sodass soziale Probleme und ein Einbruch der Beitragseinnahmen der gesetzlichen Sozialversicherung zu befürchten waren. Sowohl das Entstehen zahlreicher neuer Dienstleistungsberufe, insbesondere aber auch der rapide Anstieg geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (im Jahr 1997 bereits rund 170.000 geringfügige Beschäftigungen) ergaben Handlungsbedarf zur langfristigen Stabilisierung der Solidargemeinschaft.

Bereits in der Stammfassung des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 waren nach §5 Abs1 Z2 ASVG Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen hinsichtlich einer Beschäftigung, die nach Abs2 leg. cit. als geringfügig anzusehen war, von der Vollversicherung ausgenommen. Eine Beschäftigung galt als geringfügig, wenn dem Dienstnehmer von einem oder mehreren Dienstgebern monatlich kein höheres Entgelt als 270 S gebührte. In der Stammfassung des ASVG war also bereits jene personenbezogene Betrachtung verwirklicht, die mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139, wieder aufgegriffen wurde. Ebenfalls bereits damals bestand für geringfügig Beschäftigte eine Teilversicherung in der Unfallversicherung nach §7 Z3 lita ASVG.

Mit der 9. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 13/1962, wurde ergänzend zur monatlichen Geringfügigkeitsgrenze eine tägliche und eine wöchentliche Geringfügigkeitsgrenze eingeführt und die Anwendung der Geringfügigkeitsgrenze auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis eingeschränkt. Gleichzeitig wurde in §19a ASVG eine Selbstversicherung bei mehrfacher geringfügiger Beschäftigung für jene Personen geschaffen, denen von mehreren Dienstgebern zusammen ein Entgelt mindestens in Höhe der (täglichen, wöchentlichen oder monatlichen) Geringfügigkeitsgrenze gebührte. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde ausgeführt, dass die personenbezogene Regelung der Geringfügigkeitsgrenze in der Praxis zu administrativen Schwierigkeiten geführt hatte. Da nämlich eine geringfügige Beschäftigung nur dann als geringfügig anzusehen war, wenn dem Dienstnehmer von einem oder mehreren Dienstgebern monatlich kein höheres Entgelt als der Betrag nach §5 Abs2 ASVG gebührte, war jeder Dienstgeber, der der ihm auferlegten gesetzlichen Meldepflicht nachkommen wollte, gezwungen festzustellen, ob der von ihm - oft nur wenige Stunden in der Woche - beschäftigte Dienstnehmer nicht noch auf Grund anderer Beschäftigungen ein höheres Entgelt in dem in Betracht kommenden Kalendermonat bezog. Um den in Durchführung der Bestimmung aufgetretenen Schwierigkeiten wenigstens zum Teil zu begegnen, hatten die Versicherungsträger in der Praxis den Betrag nach §5 Abs2 ASVG auf Kalendertage aufgeteilt und damit erreicht, dass zwecks Feststellung der Pflichtversicherung nicht erst das Ende des Kalendermonats abgewartet werden musste, sondern schon am Ende des Arbeitstages der Sachverhalt rechtlich qualifiziert werden konnte. Da sich diese Praxis grundsätzlich bewährt hatte, sollte die gesetzliche Bestimmung um eine tägliche und eine wöchentliche Geringfügigkeitsgrenze erweitert werden. Darüber hinaus sollte aber - um den Dienstgebern die Erfüllung der ihnen obliegenden Meldepflicht zu erleichtern und sie der Schwierigkeiten der Feststellung allfällig anderweitiger Beschäftigungen und der daraus erzielten Entgelte zu entheben - in Hinkunft jedes Beschäftigungsverhältnis für sich allein daraufhin untersucht werden, ob es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelte oder nicht.

Im Rahmen der Selbstversicherung nach §19a ASVG war Beitragsschuldner sowohl hinsichtlich des Kranken- als auch des Pensionsversicherungsbeitrags der Selbstversicherte. Er hatte jedoch das Recht, von jedem seiner Dienstgeber gegen Nachweis der bestehenden Selbstversicherung die Hälfte des Beitrags zu verlangen, der auf das von diesem Dienstgeber gezahlte Entgelt entfällt. Es liegt auf der Hand, dass diese Beitragsregelung dazu geführt hat, dass die Selbstversicherung nach §19a ASVG nur marginal in Anspruch genommen wurde.

Erst ab dem Herbst 1994 war eine verpflichtende Meldung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen an die gesetzlichen Krankenversicherungsträger vorgesehen. Diese Meldung blieb allerdings zunächst ohne weitere Rechtsfolgen, geringfügig Beschäftigte waren weiterhin wie in der Vergangenheit nur unfallversichert. Seit Beginn des Jahres 1995 liegen damit aber erstmals ausführliche Statistiken über geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vor.

Mit Entschließung vom 2. Oktober 1996, E 24 - NR/XX.GP, ersuchte der Nationalrat die Bundesregierung, unter Beiziehung von Sozialpartnern und Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Weiterentwicklung des österreichischen Sozialversicherungssystems mit dem Ziel einer breiten und fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen und einer einheitlichen Sozialversicherung bis Ende 1997 zu erarbeiten. In der Begründung der Entschließung wird auf die Entwicklung unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse ebenso verwiesen, wie auf die immer stärker akzentuierte Ausnützung von Umgehungsmöglichkeiten. So drängten Arbeit- bzw. Auftraggeber wirtschaftlich schwächere Arbeitnehmer immer mehr in sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse. Aber auch - ohnehin mitversicherte - Beschäftigte seien gerne bereit, an der Gestaltung abgabenfreier Beschäftigungen mitzuwirken. In der Entschließung wurde hervorgehoben, dass durch diese Vorgangsweise der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten erhebliche Mittel entzogen werden, vor allem war aber auch die wichtige soziale Absicherung für viele ArbeitnehmerInnen nicht mehr gegeben (vgl. Wirth/Pöltner, Soziale Sicherheit 1997, 773).

Vor diesem Hintergrund konstituierte sich Mitte April 1997 die in der oben genannten Entschließung vorgesehene Arbeitsgruppe im damaligen Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die Arbeiten der Sozialpartner und Experten waren darauf ausgerichtet, eine faire Einbeziehung möglichst aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken und administrativen Möglichkeiten zu realisieren. Die Vorschläge der Sozialpartner und Experten sind in den Entwurf eines Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 (ASRÄG 1997), BGBl. I Nr. 139, eingeflossen.

Ziel der im Dezember 1997 beschlossenen gesetzlichen Bestimmungen war es nicht, das Entstehen neuer Beschäftigungsformen zu unterbinden, da diese vielerorts sachlich gerechtfertigt sind und den Entwicklungen einer ausdifferenzierten Arbeitswelt entsprechen, sondern es war vielmehr notwendig geworden, auch diese 'neuen' Beschäftigungsformen in die solidarische Beitrags- und Leistungsgemeinschaft einzubinden. Darüber hinaus bestand von Anfang an die Absicht, jene 'Umgehungsgeschäfte' zu verhindern bzw. weitestgehend zu unterbinden, bei denen neue Beschäftigungsformen und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht aus sachlichen Gründen, sondern zur Umgehung der Beitragspflicht gewählt wurden. Damit sollte ein Mehr an Wettbewerbsneutralität zwischen den Beschäftigungsformen geschaffen werden.

Mit der Ausdehnung der Sozialversicherungspflicht auf neue Beschäftigungsformen und der Neuregelung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes von geringfügig Beschäftigten steht der Gesetzgeber in einer langen Tradition, die 1955 mit der Beschlussfassung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), das heißt mit dem umfassenden Sozialversicherungsschutz für Arbeiter und Angestellte, begründet wurde und in den sechziger und siebziger Jahren mit der Einbeziehung der Beamten in die Kranken- und Unfallversicherung (Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, B-KUVG), der Bauern (Bäuerliches Sozialversicherungsgesetz, BSVG), der Gewerbetreibenden (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz, GSVG) sowie der freiberuflichen Kammermitglieder (Freiberufliches Sozialversicherungsgesetz, FSVG) fortgesetzt wurde. Mit den Bestimmungen des ASRÄG 1997 wurde der Kreis geschlossen, um den (auch im internationalen Vergleich) hohen Standard der Einbeziehung der Bevölkerung in die gesetzliche Sozialversicherung auch unter veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt (Entstehen neuer Beschäftigungsformen) halten zu können (vgl. Schmid, Soziale Sicherheit 1999, 304).

Die Sozialversicherung der geringfügig Beschäftigten wurde im Rahmen des ASRÄG 1997 mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1998 wie folgt neu gestaltet.

* Unangetastet blieb lediglich die Definition eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses. Ein Beschäftigungsverhältnis gilt nach §5 Abs2 ASVG als geringfügig, wenn der Monatsverdienst des Beschäftigten unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Im Jahr 2001 liegt diese Grenze bei 4.076 S.

* Eine Ausnahme von der Vollversicherung und damit lediglich die Teilversicherung in der Unfallversicherung ist allerdings nur mehr für jene Personen gegeben, die aus der Summe ihrer Beschäftigungsverhältnisse ein Einkommen beziehen, das unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

* Diese Personen haben nunmehr die Möglichkeit, die ebenfalls mit 1.1.1998 neu geschaffene Selbstversicherung wegen geringfügiger Beschäftigung nach §19a ASVG in Anspruch zu nehmen. Gegen Entrichtung eines monatlichen Fixbetrages von 575 S (2001) können sich geringfügig beschäftigte Personen, die von der Vollversicherung ausgenommen und auch sonst weder in der Kranken noch in der Pensionsversicherung pflichtversichert sind, solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben, auf Antrag in der Kranken- und Pensionsversicherung selbstversichern. Gegenüber der 'alten' Selbstversicherung für mehrfach geringfügig Beschäftigte bedeutet dies eine zweifache Neuerung: Zum einen entspricht die Beitragsleistung nur mehr dem Dienstnehmeranteil, wobei diese auf Basis der Geringfügigkeitsgrenze erfolgt. Zum anderen aber steht die Selbstversicherung nun genau jenen Personen offen, deren Gesamteinkünfte unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Damit ist die neue Regelung des §19a ASVG konträr zur früher gegebenen Selbstversicherungsmöglichkeit.

* Jene Personen aber, die aus der Summe mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielen bzw. die ihre geringfügige(n) Beschäftigung(en) neben einer 'normalen' versicherungspflichtigen Beschäftigung ausüben, sind mit der Summe ihrer Einkünfte in die Vollversicherung einbezogen. Sie haben - nach der Definition des Gesetzes - hinsichtlich ihrer geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einen Pauschalbeitrag nach §53a Abs3 ASVG zu entrichten, der sich nach der tatsächlichen Höhe der beitragspflichtigen Entgelte und nach den für Arbeiter und Angestellte relevanten Beitragssätzen für Dienstnehmer in der Kranken- und Pensionsversicherung bemisst, womit der Beitragsleistung nach §53a Abs3 ASVG jeder pauschale Charakter fehlt.

* Der Dienstgeber hat nach §53a Abs1 Z2 ASVG für alle bei ihm geringfügig beschäftigten Personen wie bisher einen Beitrag zur Unfallversicherung in Höhe von 1,4 % der allgemeinen Beitragsgrundlage zu leisten. Neu hingegen ist folgende Regelung, die eher dem Charakter eines Pauschalbeitrages entspricht: Wenn die Summe der allgemeinen monatlichen Beitragsgrundlagen (Entgelt ohne Sonderzahlungen) aller bei einem Dienstgeber geringfügig beschäftigten Personen das Eineinhalbfache der Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, hat der Dienstgeber 16,4 % der gesamten Lohnsumme dieser Personengruppe zu entrichten. Davon entfallen auf die Krankenversicherung 3,85 % und auf die Pensionsversicherung 12,55 %. Diese Beitragspflicht des Dienstgebers ist unabhängig davon gegeben, ob für einen bei ihm geringfügig beschäftigten Dienstnehmer eine Versicherung - entweder eine Vollversicherung oder eine Selbstversicherung - gegeben ist oder nicht. Damit wurde im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung erstmals eine Beitragspflicht normiert, die losgelöst vom Bestehen eines Versicherungsverhältnisses angewandt wird.

Mit dieser Neuregelung wurde eine sozial ausgewogene und für alle Beteiligten angemessene Lösung gefunden, die gleichzeitig die - aus der Regelung der Stammfassung resultierenden - administrativen Schwierigkeiten nicht aufkommen ließ. Mit der pauschalierten Beitragspflicht der Dienstgeber schuf der Gesetzgeber eine finanzielle Ausgewogenheit zwischen den - verpflichtenden oder freiwilligen - Beitragsleistungen der geringfügig beschäftigten Dienstnehmer und den neuen Dienstgeberbeiträgen.

In den Jahren 1998 bis 2000 - das Jahr 2000 ist das letzte Jahr, für das Daten aus der Erfolgsrechnung vorliegen - wurden von den Dienstnehmern und den Dienstgebern folgende Beiträge entrichtet:

* An pauschalierten Dienstgeberbeiträgen nach §53a Abs1 Z2 ASVG wurden im Jahr 1998 rund 476 Mio. S , im Jahr 1999 rund 676 Mio. S und im Jahr 2000 rund 668 Mio. S entrichtet. Von dem letztgenannten Wert entfielen rund 511 Mio. S auf die gesetzliche Pensionsversicherung und der Rest, rund 157 Mio. S, auf die Krankenversicherung. Die entsprechenden Daten können der beiliegenden Tabelle 1 entnommen werden.

* Daten darüber, wie viele Dienstgeber davon betroffen sind bzw. für wie viele geringfügige Beschäftigungsverhältnisse diese pauschalierten Dienstgeberbeiträge zu entrichten sind, liegen nicht vor. Wohl aber kann man an Hand einer Sonderauswertung, die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Erhebungszeitpunkte Juni 1997, Dezember 1997 und Juni 1998 durchgeführt wurde, eine grobe Abschätzung durchführen: Zum Erhebungszeitpunkt Juni 1998 gab es beispielsweise rund 86.000 Dienstgeber mit geringfügig Beschäftigten. Rund 61.000 davon hatten nur einen derartigen Dienstnehmer und konnten somit von dem pauschalierten Dienstgeberbeitrag nicht betroffen sein. Nimmt man an, dass von den rund 15.000 Dienstgebern, die zwei derartige Dienstnehmer beschäftigt haben, 50 % von dem pauschalierten Dienstgeberbeitrag betroffen sind und dass darüber hinaus alle Dienstgeber mit drei und mehr geringfügig Beschäftigten ebenfalls betroffen sind, so kann man annehmen, dass zu dem genannten Zeitpunkt rund 17.600 Dienstgeber von einer derartigen Beitragsleistung betroffen waren. Die Beitragsleistung erfolgte dabei für rund 97.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Die entsprechenden Daten dieser Abschätzung können der Tabelle 2 entnommen werden.

Zusammengefasst kann man daher Folgendes sagen: Nimmt man an, dass die Struktur, die zu den oben genannten Erhebungszeitpunkten Juni 1997 bis Juni 1998 gegeben war, auch heute noch gilt, so bedeutet dies, dass rund 20 % aller Dienstgeber mit geringfügig Beschäftigten einen pauschalierten Dienstgeberbeitrag zu entrichten haben. Die zugehörige Beitragsleistung erfolgt dabei für etwas mehr als die Hälfte aller geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse.

* An pauschalierten Dienstnehmerbeiträgen nach §53a Abs3 ASVG fielen im Jahr 1998 rund 305.000 S an, im Jahr 1999 rund 171 Mio. S und im Jahr 2000 rund 205 Mio. S. Der geringe Wert aus dem Jahr 1998 ergibt sich daraus, dass die Veranlagung für das Jahr 1998 zum überwiegenden Teil erst 1999 erfolgte.

* Die Einnahmen der Sozialversicherung an freiwilligen Beiträgen aus der Selbstversicherung nach §19a ASVG beliefen sich im Jahr 1998 auf rund 51 Mio. S, im Jahr 1999 auf rund 127 Mio. S und im Jahr 2000 auf rund 164 Mio. S. Die entsprechenden Daten befinden sich auf Tabelle 3.

* Die Zahl der Selbstversicherten nach §19a ASVG nimmt dabei stetig zu. Im Dezember des Jahres 2000 betrug sie rund 30.000 Personen, während sie vergleichsweise zu Beginn des Jahres 1999 noch bei rund 16.400 lag. Diese Daten befinden sich auf Tabelle 4.

* Vergleicht man nunmehr die Einnahmen aus der Beitragsverpflichtung der Dienstgeber mit den Gesamteinnahmen aus Dienstnehmerbeiträgen, so ergibt sich beispielsweise für das Jahr 2000 folgendes Bild: Den bereits genannten pauschalierten Dienstgeberbeiträgen von rund 668 Mio. S stehen Gesamteinnahmen von den Dienstnehmern von 369 Mio. S gegenüber, letztere bestehen aus 164 Mio. S aus der Selbstversicherung sowie aus 205 Mio. S aus den pauschalierten Dienstnehmerbeiträgen.

Die Einführung der Regelung mit 1. Jänner 1998 hat im ersten Jahr eine Verlangsamung des Anstiegs bei den geringfügig Beschäftigten bewirkt. So ist in den Jahren 1996 und 1997 die Zahl der geringfügig Beschäftigten noch mit jährlichen Raten von rund 10 % auf rund 170.000 angewachsen. Im Jahr 1998 hat sich die Zunahme dagegen auf unter 3 % abgeflacht. Allerdings wurde im darauffolgenden Jahr bereits wieder ein Anstieg um 11,5 % verzeichnet. Ende Juli 2001 waren damit 203.032 Personen geringfügig beschäftigt. Die Neuregelung hat daher eine kurzzeitige Verlangsamung beim Anstieg der geringfügigen Beschäftigung gebracht.

In der weiteren Folge hat diese Beschäftigungsform jedoch wieder deutlich zugenommen.

III.

Zu den erhobenen Bedenken:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig angenommen, dass es ein unverzichtbares Wesensmerkmal der gesetzlichen Sozialversicherung sein dürfte, dass die Beitragsleistung mit dem (vorherigen oder gleichzeitigen) Entstehen eines Versicherungsverhältnisses verbunden sei. Mangels Entstehung eines Versicherungsverhältnisses dürfte daher die Regelung über die Beitragspflicht des Dienstgebers weder dem Kompetenztatbestand des 'Sozialversicherungswesen' im Sinne der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kompetenztatbestandes geltenden Rechtslage zuzuordnen, noch als dessen intrasystematische Fortentwicklung anzusehen sein. Die Regelung vermöge sich aber auch nicht auf andere Kompetenztatbestände, insbesondere jene der Finanzverfassung stützen, weil die Beiträge keiner Gebietskörperschaft zufließen.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist der Inhalt der Kompetenzartikel des Bundes-Verfassungsgesetzes nach dem Stand der einfachen Gesetzgebung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung zu ermitteln; für den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' ist dies der 1. Oktober 1925. Neuregelungen sind jedoch zulässig, wenn sie ihrem Inhalt nach systematisch dem Kompetenzgrund angehören (vgl. etwa VfSlg. 3670/1960, 15286/1998).

Es ist unbestritten, dass die Regelung des §53a ASVG, wonach ein pauschalierter Dienstgeberbeitrag auch ohne Entstehen eines Versicherungsverhältnisses zu leisten ist, im System der Sozialversicherung eine Innovation darstellt und es bisher keine vergleichbaren Regelungen gegeben hat. Dieses Konzept basiert jedoch auf tiefgreifenden Änderungen in den wirtschaftlich-sozialen Gegebenheiten, die mit den bisher angewandten Regelungsmodellen nicht mehr einer befriedigenden Lösung zugeführt werden konnten.

Wie bereits oben ausgeführt, ist es in den 90er-Jahren zu einer zunehmenden Verbreitung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gekommen, wodurch dem Versicherungssystem Beiträge entzogen wurden und die betroffenen Arbeitnehmer, insbesondere Frauen, aus der Versichertengemeinschaft ausgeschlossen waren. Eine Änderung der Rechtslage sollte auch deshalb bewirkt werden, weil Personen, die aus einem Arbeitsverhältnis ein Einkommen beziehen, das über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, vollversichert waren, nicht jedoch Personen mit einem Gesamteinkommen in gleicher Höhe aus mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Es lag auf der Hand, dass dieser Entwicklung entgegengetreten werden musste, um die Stabilität des Gesamtsystems nicht zu gefährden und künftige soziale Probleme aufgrund nicht erworbener oder nur sehr geringer Pensionsansprüche zu verhindern. Der Nationalrat hatte daher die Bundesregierung in der eingangs zitierten Entschließung aufgefordert, entsprechende Regelungsmodelle zu entwickeln, die jedoch nicht nur geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, sondern alle noch nicht in die Sozialversicherung einbezogenen Erwerbseinkommen berücksichtigen sollten. Die Problematik war nämlich eine umfassende und betraf insbesondere auch Personen, die selbständig tätig, jedoch nicht Mitglieder der Wirtschaftskammer und daher nicht in die Sozialversicherung der Selbständigen einbezogen waren.

Der Gesetzgeber stand somit vor der schwierigen Aufgabe, einerseits (mehrfach) geringfügig beschäftigte Personen in die Kranken- und Pensionsversicherung einzubeziehen und insbesondere das missbräuchliche Eingehen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mit dem Ziel der Umgehung der Beitragspflicht einzudämmen, gleichzeitig jedoch jenen Arbeitnehmern, die insgesamt ein Einkommen beziehen, das unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt, die Möglichkeit zu geben, nur auf ihren Wunsch in das System der sozialen Sicherheit zu optieren. Es erscheint nämlich sozialpolitisch nicht sinnvoll, kleine und kleinste Einkommen der Beitragspflicht zu unterwerfen. Dies hätte zu - für die Betroffenen schmerzlichen - Beitragsleistungen, jedoch in der Pensionsversicherung zu kaum realisierbaren Anwartschaften und in der Krankenversicherung zu einer Sachleistungsberechtigung ohne angemessene Beitragsleistung geführt. Jemand, der beispielsweise 2.000 S aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis verdient, sollte nicht mit Beiträgen auf dieser Grundlage einen Pensionsmonat erwerben können. Gleichzeitig konnte man ihn jedoch auch nicht dazu verhalten, Beiträge von der Geringfügigkeitsgrenze als Mindestbeitragsgrundlage zu leisten und damit das von ihm erzielte Einkommen (in Extremfällen sogar mehr als dieses) zur Gänze an die Kranken- und Pensionsversicherung abzuführen.

Aus sozialpolitischen Gründen wurde den betroffenen Personen daher die Möglichkeit eingeräumt, nach §19a ASVG in die Vollversicherung zu optieren, wobei als Beitragsgrundlage die Geringfügigkeitsgrenze angewendet wird und lediglich die auf den Dienstnehmer entfallenden Beiträge entrichtet werden müssen. Es handelt sich daher um eine begünstigte Selbstversicherung. Gleichzeitig wurde hinsichtlich jener Personen, die aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen ein Einkommen erzielen, das insgesamt über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, der Schritt von der beschäftigungsbezogenen zur personenbezogenen Versicherung vollzogen.

Es erschien angemessen, die Dienstgeber von geringfügig beschäftigten Personen, deren Tätigkeit ebenso zum wirtschaftlichen Erfolg ihrer Dienstgeber beiträgt wie die Tätigkeit von vollbeschäftigten Personen, zur Finanzierung des sozialen Schutzes ihrer Dienstnehmer heranzuziehen. Gleichzeitig wollte man Wettbewerbsvorteile von Dienstgebern mit geringfügig Beschäftigten gegenüber Dienstgebern mit pflichtversicherten Beschäftigten beseitigen und so die Neigung der Dienstgeber, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, um die Beitragspflicht zu umgehen, eindämmen. Hier stellte sich nun aber die Problematik, dass nur jene geringfügig beschäftigten Dienstnehmer pflichtversichert sein sollten, die insgesamt ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze beziehen, die anderen jedoch lediglich die Optionsmöglichkeit in die begünstigte Selbstversicherung nach §19a ASVG haben sollten. Würde ein solcher Dienstnehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, wäre er auch nicht vollversichert.

Im Bewusstsein, ein neues Regelungsmodell in der Sozialversicherung zur Anwendung zu bringen, entschied sich der Gesetzgeber schließlich nach langen und schwierigen Verhandlungen der Sozialpartner zu der im §53a Abs1 Z2 ASVG getroffenen teilweisen Abkoppelung des Dienstgeberbeitrages von der Vollversicherung seiner Dienstnehmer dahingehend, dass der Arbeitgeber aus der Lohnsumme der bei ihm geringfügig beschäftigten Dienstnehmer einen pauschalierten Dienstgeberbeitrag an die Kranken- und die Pensionsversicherung zu leisten hat, auch wenn sich im Einzelfall die Versicherung eines Dienstnehmers nicht realisiert, weil dessen Gesamteinkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt und er auch nicht von der Möglichkeit der begünstigten Selbstversicherung nach §19a ASVG Gebrauch macht. Nach §53a Abs1 Z2 ASVG wird ein Beitrag nur für die eigenen Dienstnehmer geleistet und es ist eine, wenn auch nur potenzielle, von den Dienstnehmern aktivierbare Korrelation zwischen der Beitragsleistung des Dienstgebers und dem Leistungsanspruch seiner eigenen Dienstnehmer gegeben, weshalb die zentralen Inhalte und der Regelungszweck der Sozialversicherung nicht überschritten wird (vgl. Runggaldier, ÖJZ 1998, 498f).

Gleichzeitig war es aber sozialpolitisch nicht wünschenswert, Arbeitgeber mit nur sehr geringen Lohnzahlungen an geringfügig Beschäftigte, dh in der Regel mit nur einem geringfügig Beschäftigten, mit zusätzlichen Lohnnebenkosten zu belasten. Gedacht wurde insbesondere an Beschäftigungsverhältnisse im privaten Bereich, wie Haushaltshilfen und Ähnliches. Das Abstellen auf die eineinhalbfache Geringfügigkeitsgrenze erschien daher als Grenzziehung zwischen dem rein privaten und dem darüber hinaus gehenden geschäftlichen Bereich ein sachlich angemessenes Kriterium, wobei es nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs bei Grenzziehungen auf eine Durchschnittsbetrachtung ankommt und nicht auf die Auswirkungen im Einzelfall.

Weiters sei darauf hingewiesen, dass zwischen der Beitragsleistung des Dienstgebers und dem Leistungsanspruch des Dienstnehmers der von der Rechtsprechung geforderte funktionelle Zusammenhang gegeben ist. Dies deshalb, weil die geringfügig Beschäftigten, für die der Dienstgeber Beiträge gemäß §53a ASVG zu entrichten hat, gemäß §19a ASVG für die Einbeziehung in die Kranken- und Pensionsversicherung optieren können. Auch wenn den geringfügig Beschäftigten somit keine Verpflichtung zukommt, den Sozialversicherungsschutz zu erlangen, haben sie doch die Möglichkeit, auf ihren Antrag entsprechende Leistungen zu erwirken. Da sich überdies die Beitragspflicht des Dienstgebers nur auf solche Arbeitnehmer erstreckt, die bei ihm geringfügig beschäftigt sind, und es ausschließlich an ihnen liegt, nach §19a ASVG in den Sozialversicherungsschutz zu gelangen, wird nach Ansicht der Bundesregierung der Bereich des Unternehmens (VfSlg. 367(0)/1960) jedenfalls nicht verlassen. Dass es nicht in jedem Einzelfall zu einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Sozialversicherungsschutzes nach §19a ASVG kommt, vermag am funktionellem Zusammenhang deshalb nichts zu ändern, weil - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. etwa VfSlg. 6015/1969) - der Versicherungsgedanke in der Sozialversicherung gegenüber dem Versorgungsgedanken zurücktritt. Aus diesem Grund müsse es in Einzelfällen auch in Kauf genommen werden, dass es wegen der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse trotz Beitragserbringung zu keinem Leistungsanspruch komme. Durch die in Rede stehenden Regelungen besteht daher ein - wenn auch nur potentieller - Zusammenhang zwischen der Beitragsleistung des Dienstgebers und dem Leistungsanspruch seiner eigenen Dienstnehmer. Damit erscheinen die angesprochenen Bestimmungen in intrasystematischer Fortentwicklung des in Art10 Abs1 Z11 B-VG normierten Kompetenztatbestandes 'Sozialversicherungswesen' als verfassungskonform.

Nach Auffassung der Bundesregierung führt auch eine Auslegung des vom Verfassungsgerichtshof zitierten Erkenntnisses VfSlg. 367(0)/196(0) zu keinem anderen Ergebnis. Darin hatte der Verfassungsgerichtshof die Verfassungskonformität von Regelungen zu beurteilen, wonach Personen, die außerhalb einer Pflichtversicherung stehen, verpflichtet sind, an der Aufbringung der Mittel für diese Versicherung teilzunehmen. Es sind somit die Kreise der Pflichtversicherten und der Beitragsschuldner, die als Beitrag einen Grundsteuerzuschlag zu leisten hatten, voneinander abgewichen. Diesem Erkenntnis lag somit der Fall zu Grunde, dass Außenstehende zu finanziellen Leistungen verpflichtet wurden, weshalb der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis gelangte, dass die zu prüfenden Bestimmungen nicht auf den die Einrichtung der Dienstgeberanteile zugrundeliegenden Rechtsgedanken gestützt werden könnten. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes geht der Unternehmerbeitrag über den vom Unternehmer geschaffenen Unternehmensbereich nicht hinaus. Zudem sei der funktionelle Zusammenhang zwischen Leistungs- und Beitragshöhe ein Grundgedanke der österreichischen Sozialversicherungsgesetzgebung.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch die Beitragspflicht des Dienstgebers für geringfügig Beschäftigte nach §53a ASVG die vom Verfassungsgerichtshof angesprochenen wesentlichen Merkmale des Unternehmerbeitrages nicht verletzt werden. Nach §53a Abs1 ASVG hat der Dienstgeber nur für bei ihm tatsächlich geringfügig Beschäftigte Beiträge zu leisten. Überdies bemisst sich die Beitragsgrundlage gemäß §53a Abs2 ASVG nach der Summe der Entgelte, die der jeweilige Dienstgeber seinen bei ihm geringfügig Beschäftigten zu zahlen hat. Daraus ist ersichtlich, dass die Beitragsgrundlage von der Summe der ausbezahlten Entgelte abhängig ist. Zwar werden die geringfügig Beschäftigten nicht angehalten, den Versicherungsschutz des §19a ASVG in Anspruch zu nehmen, doch zeigt die potentielle Möglichkeit einer solchen Inanspruchnahme, dass insofern ein funktioneller Zusammenhang zur Beitragspflicht besteht.

Es ist somit festzuhalten, dass die Regelung des §53a ASVG zwar eine Innovation im Rahmen der Sozialversicherung darstellt, diese aber nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen einer intrasystematischen Fortentwicklung im Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' Deckung findet. Tiefgreifende Änderungen in der gesellschaftlichen Entwicklung bedürfen neuer Antworten des Gesetzgebers und können nicht mit den bisher angewandten Regelungsmodellen einer befriedigenden Lösung zugeführt werden. So hat auch der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Sozialversicherung um ein verhältnismäßig neues Sachgebiet handelt, das durch eine unaufhörliche Fortentwicklung sowohl was den Umfang der Versicherten als auch den Gegenstand der Versicherung anlangt, gekennzeichnet ist (VfSlg. 3670/1960). Das vom Gesetzgeber gewählte Modell eines pauschalierten Dienstgeberbeitrages und einer begünstigten freiwilligen Selbstversicherung für Dienstnehmer, bietet für alle Betroffenen eine angemessene und sozialpolitisch sinnvolle Lösung, ohne dass dadurch die Grundsätze der Sozialversicherung in Frage gestellt oder gar verlassen würden.

IV.

Zu den Auswirkungen einer allfälligen Aufhebung der

Geringfügigkeitsgrenze nach §5 Abs1 Z2 ASVG durch den

Verfassungsgerichtshof:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27. Juni 2001 festgestellt, dass zu prüfen sein wird, ob eine verfassungskonforme Rechtslage allenfalls auch durch die Beseitigung der Ausnahmebestimmung des §5 Abs1 Z2 ASVG hergestellt werden könnte.

Die Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze nach §5 Abs1 Z2 ASVG, die bereits in der Stammfassung des ASVG enthalten war und deren Sinnhaftigkeit weitgehend unbestritten ist, hätte zur Folge, dass sämtliche Einkommen aus einer unselbständigen Beschäftigung, die vom ASVG erfasst sind, eine Pflichtversicherung nach sich zögen. Aufgrund des Äquivalenzprinzips von Beitrag und Leistung, auf dem das Sozialversicherungssystem im Wesentlichen ruht, müsste daher das Beitrags- und Leistungsrecht des ASVG umfassend neu geregelt werden. Dem Gesetzgeber würden eben jene Schwierigkeiten begegnen, die ihn zur Einführung des pauschalierten Dienstgeberbeitrags und einer begünstigten Selbstversicherung für geringfügig Beschäftigte veranlasst haben.

Die Geringfügigkeitsgrenze spielt aber auch im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) und damit im Bereich der Arbeitslosenversicherung eine wichtige Rolle. Einerseits soll eine Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezogen werden (§1 Abs2 litd AlVG), andererseits kann neben einem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden (§12 Abs6 AlVG).

Eine Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze würde damit zu einer Änderung des derzeitigen Systems führen, wonach bei Eintritt von Arbeitslosigkeit einerseits Arbeitslosengeldbezüge, die nicht existenzsichernd sind, weitgehend vermieden werden, andererseits für den Arbeitslosen die Möglichkeit besteht, neben einem Arbeitslosengeldbezug eine geringfügige Beschäftigung aufzunehmen und damit von der Arbeitswelt nicht vollständig abgeschnitten zu werden, sondern zu dieser eine Verbindung aufrecht zu erhalten. Für die Unternehmerseite würde eine Erhöhung der Arbeitskosten, für die Arbeitnehmerseite eine Verringerung der Nettoeinkommen aus geringfügiger Beschäftigung bewirkt. In der Folge ist davon auszugehen, dass zumindest bei einem Teil der vormals gemeldeten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse die Anmeldung bei der Sozialversicherung in Hinkunft unterbleiben würde.

Die Arbeitslosenversicherungspflicht der weiterhin angemeldeten Personen würde hingegen zu zusätzlichen Anwartschaften führen. Über das Faktum hinaus, dass der Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung eine entsprechende finanzielle Mehrbelastung der Gebarung Arbeitsmarktpolitik darstellen würde, ist davon auszugehen, dass dadurch die Zahl der statistisch erfassten Arbeitslosen ansteigen würde. Bei wenig qualifizierten Tätigkeiten, wie es bei geringfügiger Beschäftigung zum Großteil der Fall ist, ist dabei von einem entsprechend höheren Arbeitsplatzrisiko auszugehen. Unterstellt man ein Arbeitslosigkeitsrisiko dieser Personengruppe von 11 % (unselbständige Erwerbspersonen mit maximal Pflichtschulabschluss), so ergäben sich aus dem derzeitigen Stand an geringfügig Beschäftigten im Jahresdurchschnitt zusätzlich rund 22.000 Leistungsbezieherinnen bzw. zusätzliche vorgemerkte Arbeitslose."

5. Die beschwerdeführende Gesellschaft des Anlaßverfahrens sowie die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse - die dem Verfahren je als beteiligte Partei beigezogen wurden - haben ebenfalls schriftliche Äußerungen zum Gegenstand erstattet.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Die Bundesregierung sowie die beteiligten Parteien bestreiten die Präjudizialität des in Prüfung genommenen §5 Abs1 Z2 sowie des §19a ASVG und verneinen insoweit die Zulässigkeit des amtswegig eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen.

a) Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist in jenen Fällen, in denen sich die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bei einer Norm, die aus einer Regel und Ausnahmen besteht und die daher gemeinsam zu lesen ist, nicht gegen die Regel, aber gegen die Ausnahme richten, auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges zwischen Regel und Ausnahme die gesamte Norm einschließlich der verfassungsrechtlich bedenklichen Ausnahme in den Blick zu nehmen und die Verfassungsmäßigkeit der Norm gegebenenfalls durch Aufhebung der als verfassungswidrig erkannten Ausnahme herzustellen (vgl. die seit VfSlg. 14.805/1997 ständige Rechtsprechung; zB VfSlg. 15.316/1998, 15.391/1998 uva.).

b) Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 19.6.2001, G115/00 u.a. ausgesprochen hat, handelt es sich beim sozialversicherungsrechtlichen Pflichtversicherungsverhältnis um eine dem Regel-Ausnahme-Verhältnis insoweit vergleichbare Konstellation, als (nicht anders als im Vertragsversicherungsrecht) ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Beitragspflicht und dem - zumindest potentiell gegebenen - Leistungsanspruch besteht.

c) Im vorliegenden Fall ist ebenfalls von einem derartigen - untrennbaren - Zusammenhang auszugehen: §53a ASVG trifft Regelungen über die Beitragspflicht für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse schlechthin, dh. auch für jene geringfügig Beschäftigten, für die §19a ASVG eine Selbstversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung vorsieht, die ihrerseits an die Ausnahme von der Vollversicherungspflicht in §5 Abs1 Z2 ASVG anknüpft.

1.2. Nicht hingegen trifft die im Prüfungsbeschluß - vorläufig - geäußerte Präjudizialitätsannahme auf die Absätze 3 und 4 des §53a ASVG sowie auf die damit untrennbar zusammenhängenden Worte "gemäß Abs3" in §53a Abs5 ASVG zu: Diese Gesetzesstellen betreffen ausschließlich die Beitragspflicht vollversicherter geringfügig Beschäftigter; im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Beitragspflicht des Dienstgebers für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse geht, kommt ihnen keine Präjudizialität zu.

Aber auch §53a Abs1 ASVG hat sich insoweit als nicht präjudiziell herausgestellt, als dem Dienstgeber darin die Pflicht zur Entrichtung von Unfallversicherungsbeiträgen auferlegt wird (vgl. Z1). Dies ergibt sich schon daraus, daß der erstinstanzliche Bescheid insoweit, als damit festgestellt wurde, daß die beschwerdeführende Gesellschaft verhalten sei, Unfallversicherungsbeiträge zu entrichten, nicht bekämpft und somit in diesem Punkt rechtskräftig wurde (vgl. oben Pkt. II.1.). Diese Verpflichtung war somit auch nicht Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde und des von dieser erlassenen Bescheides.

Das Verfahren war daher insoweit einzustellen.

1.3. Da sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren im übrigen zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Es hat sich nichts ergeben, was das Bedenken des Verfassungsgerichtshofs, die in §53a ASVG getroffene Regelung - soweit den dort normierten Pauschalbeiträgen der Dienstgeber geringfügig Beschäftigter nicht deren Versicherungspflicht gegenübersteht - sei vom Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" iS des Art10 Abs1 Z11 B-VG nicht umfaßt, entkräftet hätte:

2.1.1. Im Prüfungsbeschluß wurde - vorläufig - angenommen, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des §53a Abs1 und 2 ASVG zwar - durchaus im Sinne des Sozialversicherungsrechts - an den Arbeitsverdienst des geringfügig Beschäftigten angeknüpft habe, die Beitragspflicht des Dienstgebers jedoch unabhängig vom Entstehen eines sozialversicherungsrechtlichen Versicherungsverhältnisses bestehe. Mangels Entstehens eines Versicherungsverhältnisses sei es daher - wie vorläufig angenommen wurde - ausgeschlossen, die dem Dienstgeber auferlegte Beitragspflicht dem Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" zuzuordnen.

Nach der als "Versteinerungstheorie" bezeichneten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" (Art10 Abs1 Z11 B-VG) in dem Sinn zu verstehen, der ihm nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens, dem 1. Oktober 1925, zukam. Neue Regelungen können sich daher nur insoweit auf den genannten Kompetenztatbestand stützen, als sie ihrem Inhalt nach dem betreffenden Rechtsgebiet, wie es durch die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel bestehenden gesetzlichen Regelungen bestimmt ist, systematisch zugehören (VfSlg. 7074/1973, 10.831/1986, 12.996/1992 und 13.237/1992, 14.187/1995, je mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

2.1.2. Davon kann hier aber keine Rede sein.

Die Normierung einer Beitragspflicht des Dienstgebers ohne gleichzeitiges Entstehen eines Sozialversicherungsverhältnisses, di. das Versicherthalten des Dienstnehmers gegen den Eintritt bestimmter Versicherungsfälle, kann aber auch nicht als (intrasystematische) Fortentwicklung des Rechts innerhalb des Begriffsinhaltes des Kompetenztatbestandes "Sozialversicherungswesen" verstanden werden. Dazu wäre es nämlich erforderlich, daß die Neuregelung nach ihrem (wesentlichen) Inhalt systematisch weiter dem Kompetenzgrund angehört (zB VfSlg. 15.552/1999, Pkt. III.B.1.3.4., mwN). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht gegeben, weil es nicht im Wesen eines Pflichtversicherungsverhältnisses liegt, daß es erst mit dem Willensentschluß des Dienstnehmers, sich gem. §19a ASVG selbst zu versichern, zustande kommt.

2.2. Die in Prüfung genommene Gesetzesbestimmung des §53a Abs1 und 2 ASVG vermag sich jedoch auch nicht auf den Kompetenztatbestand "Abgabenwesen" iS des Art13 Abs1 B-VG bzw. iS des F-VG 1948 zu stützen:

2.2.1. Die den Dienstgebern von geringfügig Beschäftigten gem. §53a Abs1 Z2 ASVG auferlegten Beiträge fließen nämlich nicht einer Gebietskörperschaft - wie es für eine "öffentliche Abgabe" iS des F-VG 1948 begriffswesentlich ist (s. zuletzt VfGH 28.2.2002, B1408/01, mwN) -, sondern den Sozialversicherungsträgern zu. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung nach §80 Abs1 ASVG mit dem Betrag festgelegt ist, um den "die Aufwendungen die Erträge übersteigen". Die gem. §53a Abs1 Z2 ASVG erhobenen Einnahmen aus den Dienstgeberbeiträgen zur Pensionsversicherung vermindern zwar unmittelbar den Beitrag des Bundes, doch gilt zum einen §80 ASVG nur für die Pensionsversicherung (wogegen der den Dienstgebern geringfügig Beschäftigter auferlegte Pauschalbeitrag gem. §53a Abs1 Z2 ASVG auch für die Krankenversicherung bestimmt ist, wie sich aus §53a Abs1 Z2 lita ASVG ergibt) und sind zum anderen die Beiträge für die Pensionsversicherung gem. §53a Abs5 ASVG an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger iS des §447g ASVG zu überweisen (vgl. schon VfSlg. 10.451/1985, Pkt. III.1., wo ausgesprochen wurde, daß die der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter durch die 11. und 12. Novelle zum B-KUVG auferlegten Zahlungen an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger mangels Zufließens an eine Gebietskörperschaft nicht als öffentliche Abgaben iS des F-VG 1948 anzusehen seien).

2.2.2. Die Dienstgeberbeiträge gem. §53a Abs1 Z2 ASVG entziehen sich daher - jedenfalls in ihrer derzeitigen Ausgestaltung - einer Qualifikation als öffentliche Abgaben iS des F-VG 1948.

2.3. §53a ASVG erweist sich somit - in seinem als präjudiziell erkannten Umfang - als kompetenz- und damit als verfassungswidrig.

3. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß er im Falle der Verfassungswidrigkeit von Gesetzesbestimmungen diese in einem Umfang aufzuheben hat, daß die Verfassungswidrigkeit beseitigt wird, daß dabei aber einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werden soll, als Voraussetzung für die Entscheidung im Anlaßfall ist, und andererseits der verbleibende Teil des Gesetzes eine möglichst geringe Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Da beide Ziele gleichzeitig nie vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem einzelnen Fall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (zB VfSlg. 11.190/1986; 14.805/1997; VfGH 19.6.2001, G115/00 ua. Zlen.)

3.1. Die Bundesregierung sowie die beschwerdeführende Gesellschaft des Anlaßverfahrens haben vorgebracht, eine Aufhebung des §5 Abs1 Z2 sowie des §19a ASVG habe weitreichende Auswirkungen auf das Sozialversicherungssystem insgesamt, weil die Geringfügigkeitsgrenze in zahlreichen anderen Rechtsgebieten - so etwa im Arbeitslosenversicherungsrecht - von Bedeutung sei. Die Arbeitskosten würden sich erhöhen, das Nettoeinkommen aus geringfügiger Beschäftigung würde sich verringern.

Dem ist zu erwidern, daß der Begriff "geringfügige Beschäftigung" nicht etwa in §5 Abs1 Z2, sondern in §5 Abs2 ASVG definiert wird. Diese Bestimmung ist vom Prüfungsbeschluß jedoch nicht mitumfaßt. Hinzugefügt sei, daß §53a ASVG (in seinem Abs1) ausdrücklich an §5 Abs2 ASVG und nicht an §5 Abs1 Z2 ASVG anknüpft.

3.2. Von einer Aufhebung des §5 Abs1 Z2 (sowie des damit allenfalls obsolet werdenden §19a ASVG) war jedoch deshalb abzusehen, weil die Beitragspflicht für Dienstgeber gem. §53a Abs1 Z2 ASVG je erst ab einer gewissen Mindestbeschäftigung geringfügig Beschäftigter eintritt und der Verfassungsgerichtshof im Falle einer Aufhebung der Ausnahme der geringfügig Beschäftigten von der Versicherungspflicht auch diese mit der Versicherungspflicht aller geringfügig Beschäftigten nicht zu vereinbarende Beschränkung beseitigen müßte; damit würde der Gerichtshof jedoch letztlich eine - wenn auch in die Aufhebung gesetzlicher Bestimmungen gekleidete - Maßnahme setzen, die das vom Gesetzgeber ersichtlich angestrebte System des Zusammenspiels freiwilliger Versicherung und Pflichtversicherung bei geringfügig Beschäftigten zugunsten eines ganz anderen Systems verändern würde. Dazu erachtet sich der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht für berechtigt.

3.3. Zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage war es allerdings - unter Bedachtnahme auf die vorhin (Pkt. III.3.) zusammengefaßte hg. Vorjudikatur - nicht erforderlich, das an sich unbedenkliche gesetzgeberische Konzept der Einbeziehung geringfügig Beschäftigter in die Pflichtversicherung durch die Aufhebung der gesamten, teils mit der 54. (= ASRÄG 1997), teils mit der 55. Novelle zum ASVG bewirkten Neuregelung zu beseitigen. Die Aufhebung der den - allein als verfassungswidrig erkannten - pauschalierten Dienstgeberbeitrag in der Kranken- und Pensionsversicherung betreffenden Bestimmungen des §53a Abs1 ASVG in dem aus den Spruchpunkten I a und b ersichtlichen Umfang sowie des §53a Abs2 und der Wendung "gemäß Abs1 Z2 und" in §53a Abs5 ASVG läßt die verbleibenden Teile dieser Gesetzesbestimmung bis zu einer allfälligen verfassungskonformen Neuregelung der Beitragspflicht der Dienstgeber geringfügig Beschäftigter in der gesetzlichen Kranken- und Pensionsversicherung durch den Gesetzgeber nämlich als weiterhin vollziehbar erscheinen.

Es war daher auszusprechen, daß - bloß - die soeben angeführten Teile des §53a ASVG als verfassungswidrig aufgehoben werden.

4. Entsprechend dem Ersuchen der Bundesregierung hat sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt gesehen, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen gem. Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG eine Frist von zwölf Monaten zu bestimmen.

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG; die dem Bundeskanzler auferlegte Kundmachungspflicht ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §65 iVm §64 Abs2 VfGG.

6. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

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