Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit je S 18.000,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Zur Vorgeschichte der Beschwerdefälle: In dem zu V36/92 protokollierten Verfahren hatte die nunmehrige Zweitbeschwerdeführerin als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2253/2 der KG Sölden den Antrag auf Aufhebung des am 12. Dezember 1981 in Kraft getretenen Flächenwidmungsplans der Gemeinde Sölden, soweit dieses Grundstück als Sonderfläche Freiland, Schipiste (FSi) gewidmet war, gestellt. Mit Erkenntnis VfSlg. 13.410/1993 hob der Verfassungsgerichtshof den angefochtenen Teil des Flächenwidmungsplans als gesetzwidrig auf, weil diese Sonderfläche entgegen §16 Abs5 TROG nicht innerhalb von 10 Jahren nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans vom 14. Juli 1981 einer Verwendung als Schipiste zugeführt wurde und der Gemeinderat trotz eines entsprechenden Antrages der Grundeigentümerin die Sonderwidmung nicht aufgehoben hat.
1.2. Auf Grund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Sölden am 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994 (Kundmachung am 30. Juni 1994) die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der GP 2253/2 KG Sölden in Freiland. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde von der Tiroler Landesregierung nicht aufsichtsbehördlich genehmigt, weil sie davon ausging, die Aufhebung der Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof habe zur Folge, dass das Grundstück gemäß §41 Abs1 TROG 1997 als Freiland gewidmet sei.
1.3. Mit Schreiben vom 29. September 1993 beantragte der Erstbeschwerdeführer als Bauwerber die Erteilung einer Baubewilligung zum Zweck der Errichtung eines sportmedizinischen Zentrums mit integrierter Physikotherapie und Wellnesscenter, sowie Geschäft, sechs Personalzimmer, Privatwohnung und drei Appartements auf dem Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden. Dieses Ansuchen wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Sölden mit Bescheid vom 29. Jänner 1996 wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan (Freiland) abgewiesen. Eine Berufung an den Gemeindevorstand der Gemeinde Sölden wurde mit Bescheid vom 25. April 1996 abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. August 1996 als unbegründet abgewiesen.
1.4. Diesen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. August 1996 hat der Verfassungsgerichtshof zu B3378/96 und B3401/96 aufgehoben. Grund dieser Aufhebung war das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.679/1996, mit dem Teile des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 wegen verfassungswidriger Kundmachung aufgehoben wurden, auf welches sich der Bescheid der Tiroler Landesregierung stützte (Quasianlassfall). Nach Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes durch die Landesregierung wurde die Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführer mit Bescheid vom 30. Juni 1997 wiederum als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung an die Tiroler Landesregierung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 10. Dezember 1997 als unbegründet abgewiesen.
2.1. Die Beschwerden behaupten die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden stelle eine Inselwidmung dar, da es auf einer Seite an die Straße grenze und die Grundstücke an zwei anderen anliegenden Seiten als Bauland ausgewiesen seien. Diese Baulücke sei unsachlich und verletze den Gleichheitsgrundsatz.
2.2. Die Beschwerden behaupten weiters die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Sölden vom 14. Juli 1981, soweit das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden als Freiland ausgewiesen ist, widerspreche dem Tiroler Raumordnungsgesetz. Insbesondere sei §27 Abs2 lita iVm §27 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) 1997 verletzt worden, da die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde bei dieser Festlegung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Weiters sei ein Widerspruch zu §67 Abs3 TROG 1997 gegeben, weil die Widmung im Widerspruch zu den örtlichen Raumordnungsgegebenheiten, zu den Planungsvoraussetzungen und der Eignungsvoraussetzung des Grundstücks stehe.
3. Die Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen. Nach der Aufhebung der Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof sei nun die Freilandwidmung eine gesetzlich zwingende Folge, die sich aus §41 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997 ergebe. Im vorliegenden Fall sei daher keine Verordnung zur Entscheidung herangezogen worden, welche präjudiziell sein könnte. Soweit weiters die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet werde, bezögen diese sich lediglich auf angeblich verfassungswidriges Verhalten des Gemeinderates der Gemeinde Sölden als Verordnungsgeber und könnten keine Beachtung finden.
4. Die Gemeinde Sölden legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht legitimiert, eine Beschwerde einzubringen, da er zu keiner Zeit Eigentümer des Grundstückes Nr. 2253/2 KG Sölden gewesen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin könne keine Legitimation aufweisen, da sie selbst als Eigentümerin des Grundstückes keinen Antrag auf Baubewilligung eingebracht habe. Die Freilandwidmung beruhe lediglich auf §41 Abs1 TROG 1997, weshalb der Flächenwidmungsplan Sölden im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell sein könne. Bezüglich der Freilandwidmung wird ausgeführt, dass sich aus dem TROG 1994 und TROG 1997 nicht ableiten ließe, dass die Gemeinde verpflichtet sei, das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden als Bauland auszuweisen. Außerdem ergebe sich aus dem TROG 1997, dass all jene Flächen, die zwar grundsätzlich verbaubar wären, aber derzeit nicht als Bauland gewidmet sind, als Baulandreserve für künftige Generationen anzusehen seien. Eine solche Baulandreserve müsse nicht zwingend an den Siedlungsrändern angelegt werden.
Eine Baulandwidmung sei auch aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht zwingend geboten. Das Grundstück Nr. 2253/2 sei als Freiland gewidmet worden, weil diesem Grundstück bzw. dem unbebauten Teil dieses Grundstückes eine Schlüsselfunktion für künftige Entwicklungsaspekte der Gemeinde Sölden zukomme. Der unverbaute Teil dieses Grundstückes komme grundsätzlich für eine Errichtung einer Talstation für eine mögliche zusätzliche leistungsfähige Aufstiegshilfe in Betracht, weshalb es unverantwortlich wäre, es durch eine entsprechende Flächenwidmung zu ermöglichen, dass das Grundstück mit einem Vorhaben verbaut wird, das ebenso gut auf einem anderen Grundstück errichtet werden könne. Weiters seien das Landesgericht und das Oberlandesgericht Innsbruck im Zuge eines Amtshaftungsverfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Erlassung der diesbezüglichen Verordnung (gemeint: Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994) ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten der Organe der beklagten Partei (Gemeinde Sölden) nicht erblickt werden kann, weshalb die Widmung in Freiland gerechtfertigt scheine. Schließlich beantragt die Gemeinde Sölden, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
II. 1. Die Beschwerden sind zulässig und die belangte Behörde hat die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Beurteilung des vorliegenden Falles §41 Abs1 TROG 1997 und die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 21. Juni 1994 anzuwenden.
Aus Anlass der gegenständlichen Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 15. März 2000 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994, kundgemacht am 30. Juni 1994, soweit damit das Grundstück Nr. 2253/2, KG Sölden, als Freiland gewidmet wird, und ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §41 Abs1 TROG 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997, eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000, G41,42/00, V28,29/00, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985). Der Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.
3. Die Beschwerdeführer wurden aber auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Die belangte Behörde stützte ihren abweislichen Vorstellungsbescheid auf §41 Abs1 TROG 1997 und kam zu dem Ergebnis, dass die ex lege eingetretene Freilandwidmung einer Baubewilligung entgegenstehe.
In seinem Erkenntnis vom 21. Juni 2000, G41,42/00, V28,29/00, kam der Verfassungsgerichthof zu dem Ergebnis, dass im Fall der Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof für das von der Aufhebung der Widmung erfasste Grundstück überhaupt keine Widmungs- und Nutzungsart festgelegt ist und dass daher die Baubewilligung für ein beabsichtigtes Bauvorhaben auf diesem Grundstück nicht allein wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan versagt werden kann.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).
Indem die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtsfolge des §41 Abs1 TROG 1997 im wesentlichen Punkt grob verkannte, hat sie ihn mit Verfassungswidrigkeit belastet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils
S 3.000,- enthalten.
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