VfGH A7/99

VfGHA7/9930.11.2000

Abweisung einer Klage gegen den Bund auf Rückzahlung einer wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt für verfallen erklärten Zuwendung; kein Wegfall des Rechtsgrundes durch die Beseitigung des Verfahrensschrittes eines (nicht vorgesehenen) förmlichen Zahlungsauftrages

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §1435
GEG 1962 §6
StGB §20
StPO §409 Abs1
B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §1435
GEG 1962 §6
StGB §20
StPO §409 Abs1

 

Spruch:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Klägerin begehrt mit einer beim Verfassungsgerichtshof am 30. März 1999 eingelangten, auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen die Republik Österreich (richtig: gegen den Bund) die Rückzahlung der von ihr im Wege der Gehaltsexekution eingebrachten Beträge von zusammen S 38.078,- zuzüglich 4 % Zinsen seit 21. Februar 1999 sowie den Ersatz der Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens mit der Begründung, daß der Rechtstitel, auf den sich der Beklagte bei der Exekution gestützt habe, mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. April 1998 weggefallen und die beklagte Partei daher zu Unrecht bereichert und demnach zur Rückzahlung verpflichtet sei.

Der Beklagte habe trotz Aufforderung der Klägerin vom 17. November 1998, die von ihr im Wege der Gehaltsexekution hereingebrachten Beträge bis spätestens 20. Februar 1999 zu Handen ihres Rechtsvertreters zu bezahlen, keine Zahlung geleistet.

2. Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde, der sich aus dem vorgelegten Strafakt, dem Einbringungsakt sowie aus dem Vorbringen der Klägerin, das vom beklagten Bund insoweit außer Streit gestellt wird, ergibt:

Die Klägerin wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Dezember 1994, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. August 1995, wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt verurteilt; gemäß §20 StGB idF vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996 wurde die von ihr für die strafbare Handlung empfangene Zuwendung in Höhe von S 250.000,- für verfallen erklärt. Aufgrund dieses Urteils erließ der Kostenbeamte des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 31. August 1995 einen "Auftrag zur Zahlung einer Zuwendung", mit dem die Klägerin aufgefordert wurde, die mit Urteil "verhängte Zuwendung" von S 250.000,- und die Einhebungsgebühr von S 50,-, zusammen S 250.050,-, binnen 14 Tagen auf das Konto des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu bezahlen, widrigenfalls diese Beträge zwangsweise eingetrieben würden. Aufgrund des Zahlungsauftrages bewilligte das Exekutionsgericht Wien mit Beschluß vom 5. Juni 1996 die Gehaltsexekution gegen die Klägerin. Der Drittschuldner überwies in der Folge am 23. Dezember 1996 S 33.384,- und am 9. Jänner 1997 S 4.694,- an die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien.

Mit dem im Rechtszug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. Februar 1998 wurde die Vollstreckbarkeit des Zahlungsauftrages vom 31. August 1995 aufgehoben; dies mit der Begründung, daß es sich bei der Verfallsklärung nach §20 StGB aF um eine Nebenstrafe handle, auf die §409 Abs1 StPO (wonach der Verurteilte zur Zahlung der Geldstrafe schriftlich aufzufordern sei) keine Anwendung finde, weshalb Zahlungsaufträge zur Hereinbringung einer solchen Nebenstrafe nach §9 Abs1 ZustellG mit Rechtswirkung für den Vollmachtgeber an den Zustellbevollmächtigten zuzustellen seien. In Entsprechung dieses Bescheides wurde nunmehr der Zahlungsauftrag an den Vertreter der Klägerin zugestellt. In weiterer Folge hob der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien über Berichtigungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 7. April 1998 den Zahlungsauftrag vom 31. August 1995 auf; dies mit der Begründung, daß für die prozessuale Behandlung rechtskräftig im Sinne des §20 Abs1 StGB für verfallen erklärter Geldbeträge die weitere Regelung in den Bestimmungen des §408 StPO zu finden sei. In §408 StPO sei die formelle Erlassung eines Zahlungsauftrages durch den Kostenbeamten nicht vorgesehen, sondern es habe das Strafgericht den Verurteilten schriftlich aufzufordern, die für verfallen erklärten Geldbeträge binnen 14 Tagen zu erlegen, widrigenfalls sie ihm zwangsweise abgenommen werden müßten. Wenn der Inhaber dieser Aufforderung nicht nachkomme, sei die Einbringungsstelle um die Einleitung der Exekution zu ersuchen.

3. Die Klägerin bringt in rechtlicher Hinsicht vor:

Da die Zahlungsaufforderung vom 31. August 1995, aufgrund deren Exekution gegen sie geführt worden sei und Zahlungen geleistet worden seien, dem Rechtsbestand nicht mehr angehöre, fehle es an der notwendigen Deckung für die Vermögensverschiebung. Aus den §§1431 und 1435 ABGB resultiere das subjektive Recht einer betroffenen Partei auf Rückforderung von Leistungen, auf die der Leistungsempfänger kein Recht habe, weil der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört habe. Diese privatrechtlichen Bestimmungen über die Bereicherung fänden auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechtes zu schließen, was der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt bejaht habe (Hinweis auf VfSlg. 8812/1980).

4. Der beklagte Bund, vertreten durch den Bundesminister für Justiz, legte den Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie den Einbringungsakt der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der beantragt wird, das Klagebegehren kostenpflichtig abzuweisen.

4.1. Der Bund bestreitet das Klagebegehren, da die rechtlichen Folgerungen der Klägerin falsch seien, und führt hiezu im wesentlichen aus:

Die von der klagenden Partei ohne nähere Ausführung angezogenen kondiktionsrechtlichen Bestimmungen der §§1431 und 1435 ABGB böten keine Grundlage für die Rückforderung der exekutionsweise eingebrachten Beträge. Eine grundlegende Voraussetzung für die Kondiktion liege darin, daß für die vom Rückfordernden erbrachten Leistungen entweder von vorneherein keine Rechtsgrundlage gegeben gewesen oder ein zunächst existenter Rechtsgrund weggefallen sei und die Leistung daher mangels eines Rechtsgrundes ihren Zweck verfehlt habe. Dies sei aber hier nicht der Fall. Der Rechtsgrund für die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von (ursprünglich) S 250.000,- an den Bund, und damit auch für die exekutionsweise Hereinbringung der nun rückgeforderten Beträge, sei die Verfallserklärung im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Dezember 1994, das in Rechtskraft erwachsen und auch nicht im nachhinein aufgehoben worden sei. Die Erlassung eines Zahlungsauftrages und die darauf basierende Exekutionsführung seien nur eine unrichtige Form der Anspruchsverfolgung gewesen. Die Beendigung dieses unrichtigen Weges der Anspruchsverfolgung vermöge aber nichts daran zu ändern, daß der Anspruch des Bundes aufgrund der Verfallserklärung gemäß §20 StGB aF immer zu Recht bestanden habe und hinsichtlich des offenen Teilbetrages auch heute noch weiter bestehe. Es sei nur der auf der Verfallserklärung basierende Zahlungsauftrag im nachhinein aufgehoben worden, nicht aber die Verfallserklärung selbst. Diese gehöre nach wie vor dem Rechtsbestand an und biete nach wie vor eine gültige Rechtfertigung für die von der Klägerin bereits hereingebrachten und von ihr auch künftig noch hereinzubringenden Zahlungen auf den Gesamtbetrag von S 250.000,-. Es handle sich daher um keine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung. Ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch der Klägerin bestehe somit nicht.

4.2. Sollte der Gerichtshof entgegen diesen Darlegungen zur Auffassung gelangen, daß die Klagsforderung zu Recht bestehe, so stehe dieser der Anspruch des Bundes gegen die Klägerin auf Zahlung von S 250.000,- aufgrund der Verfallserklärung im rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Dezember 1994 gegenüber. Eventualiter werde für diesen Fall die Forderung von S 250.000,- compensando gegen die Klagsforderung eingewandt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die Klägerin macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend, der weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2. Das Begehren auf Rückzahlung der vom Drittschuldner überwiesenen Beträge wird auf den Umstand gestützt, daß der in Vollziehung des Urteils des Landesgerichtes vom Kostenbeamten ausgefertigte "Auftrag zur Zahlung einer (verfallenen) Zuwendung", mittels dessen von der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien Exekutionsbewilligung erwirkt worden war, durch den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes aufgehoben wurde. Damit sei der Rechtsgrund (die "Deckung") der erfolgten Vermögensverschiebung weggefallen.

2.1. In der Tat käme die Rückforderung exekutiv erzwungener Zahlungen in Betracht, wenn deren Rechtsgrund weggefallen wäre (§1435 ABGB analog, vgl. Rummel, Kommentar zum ABGB2 (1992) RZ 2, und Honsell/Mader, Praxiskommentar zum ABGB2 (1997) RZ 5 zu dieser Bestimmung einschließlich der dort genannten Rechtsprechung). Vom Wegfall des Rechtsgrundes ist aber die bloße Beseitigung des Exekutionstitels zu unterscheiden. Nicht immer erfolgt der Wegfall des Exekutionstitels wegen Wegfalls des Rechtsgrundes der (erzwungenen) Zahlung. Macht der Verpflichtete das Fehlen (den Wegfall) des Exekutionstitels mit Bereicherungsklage geltend, muß er dartun, daß der betreibende Gläubiger etwas erhalten hat, ohne über einen materiellen Anspruch zu verfügen (vgl. Rechberger, Die fehlerhafte Exekution (1976) 108).

2.2. Das ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes hat sich nämlich ausdrücklich auf die Beseitigung des Zahlungsauftrages beschränkt und nur für die Hereinbringung der noch offenen Beträge einen anderen Verfahrensschritt gefordert. Es heißt in der Begründung wörtlich:

"Die formelle Erlassung eines Zahlungsauftrages durch den Kostenbeamten ist in §408 StPO nicht vorgesehen, sondern vielmehr hat das Strafgericht den Verurteilten schriftlich aufzufordern, die für verfallen erklärten Geldbeträge binnen 14 Tagen zu erlegen, widrigenfalls sie ihm zwangsweise abgenommen werden müßten. Sollte der Inhaber dieser Aufforderung nicht nachkommen, ist die Einbringungsstelle um die Einleitung der Exekution zu ersuchen. Bei der Aufforderung zum Erlag der verfallenen Beträge wird darauf Bedacht zu nehmen sein, daß laut Mitteilung der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien bereits folgende Beträge in der gegenständlichen Strafsache einbezahlt wurden:

S 31.914,- am 31.12.1996

S 4.694,- am 14. 1.1997 und

S 1.470,- am 31. 3.1998."

Der Bescheid, auf dessen Wirkungen sich die Klage stützt, geht also selbst davon aus, daß es in Ansehung der bereits (im Zuge der fehlerhaft eingeleiteten Exekution) beglichenen Beträge sein Bewenden hat und der durch §408 StPO vorgezeichnete Weg einer (nach Aufforderung zum Erlag) ohne förmliche Erlassung eines Zahlungsauftrages unmittelbar aufgrund des Strafurteils neu einzuleitenden Exekution nur für den noch offenen Betrag zu beschreiten ist. Nur der - demgegenüber förmlichere - Weg des Zahlungsauftrages (§6 GEG) wird verworfen.

Vom Wegfall des Rechtsgrundes der erfolgten Zahlungen kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Das den Verfall der von der Klägerin empfangenen Zuwendung aussprechende rechtskräftige Strafurteil ist nach wie vor wirksam. Nur der Verfahrensschritt der Erlassung eines Zahlungsauftrages ist (als nicht vorgesehen) beseitigt worden. Der "rechtliche Grund", die bezahlten Summen "zu behalten", hat also nicht "aufgehört" (§1435 ABGB). Er ist vielmehr - anders als in jenen Fällen bisheriger Rechtsprechung, welche die Klägerin im Auge haben mag (dem in der Klage angeführten Erkenntnis VfSlg. 8812/1980 lag zB eine vor Rechtskraft der erlassenen Strafverfügung eingeleitete Exekution zugrunde) - in Gestalt des rechtskräftigen Strafurteils weiterhin aufrecht.

2.3. Die Voraussetzungen einer Rückzahlungspflicht liegen daher nicht vor. Die Klage ist abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §41 VerfGG iVm §42 Abs1 ZPO. Der beklagten Partei, die ohne Beistand eines Rechtsanwaltes einschritt, steht Anspruch auf Ersatz des - allein geltend gemachten - Schriftsatzaufwands nicht zu (VfSlg. 10103/1984).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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