VfGH B478/92

VfGHB478/921.12.1994

Bei der durch die Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes vorgenommenen Umwidmung eines Grundstückes in Grünland oder Verkehrsfläche, durch die - worauf §20 Abs1 Sbg RaumOG 1977 abstellt - die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, handelt es sich (nicht um eine Enteignung, sondern) um eine Eigentumsbeschränkung (vgl. dazu etwa VfSlg. 11209/1987 mwH; zur Abgrenzung gegenüber der Enteignung s. etwa VfSlg. 9911/1983).

Gemäß Art6 Abs1 EMRK muß über "civil rights", somit auch über den in §20 Abs1 Sbg RaumOG 1977 vorgesehenen Entschädigungsanspruch, von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Ein solches ist die Salzburger Landesregierung nicht.

Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11762/1988, 11760/1988). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf Entschädigung infolge Umwidmung eines Grundstücks gemäß §20 Sbg RaumOG 1977.

Gegen den in Beschwerde gezogenen Bescheid stand der Beschwerdeführerin iS des §20 Abs4 Sbg RaumOG 1977 die Anrufung des örtlich zuständigen Bezirksgerichtes offen. Die Anrufung des Gerichtes bewirkt gemäß §20 Abs4 dritter Satz Sbg RaumOG 1977, daß der Bescheid mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt. Wird die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den Bescheid außer Kraft zu setzen und die Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, nicht genutzt, so ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Sbg RaumOG 1977 §20
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Sbg RaumOG 1977 §20

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Alleineigentümerin des Grundstückes Nr. 3008/3 in EZ 323 Grundbuch Riedenburg, KG 56537 Salzburg, von dem eine Teilfläche mit der (mit 18. Juni 1991 in Kraft getretenen) Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg vom 30. Jänner 1991 über die

31. Änderung des Flächenwidmungsplanes (Teilflächenwidmungsplan Salzburg-West) von "Bauland-erweiterte Wohngebiete" in "Grünland-Erholungsgebiete" umgewidmet wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte iS des §20 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26, idF der Gesetze LGBl. 87/1982, 52/1984 und 57/1987, die Leistung einer Entschädigung für die vermögensrechtlichen Nachteile, die ihr dadurch entstanden seien, daß sie im Vertrauen auf die Bebaubarkeit der Grundfläche einen - infolge der Umwidmung vergeblichen - Aufwand getätigt hat und daß durch die Umwidmung der Grundfläche deren Verbauung verhindert wird.

2. Die Salzburger Landesregierung wies diesen Antrag unter Berufung auf §20 ROG 1977 zur Gänze als unbegründet ab.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die Salzburger Landesregierung als die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

Die Landeshauptstadt Salzburg als beteiligte Partei hat in einer Äußerung die Auffassung vertreten, daß die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Beschwerde gegeben und der angefochtene Bescheid gesetzmäßig sei.

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1. Die dem angefochtenen Bescheid inhaltlich zugrunde liegende Bestimmung des §20 ROG 1977, LGBl. 26, idF der Gesetze LGBl. 87/1982, 52/1984 und 57/1987, hat, - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

"Entschädigung

§20. (1) Wenn durch den Flächenwidmungsplan oder dessen Änderung Bauland in Grünland oder Verkehrsfläche umgewidmet und dadurch die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, ist für die dadurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu leisten. Als vermögensrechtliche Nachteile gelten:

1. Aufwendungen des Eigentümers oder Dritter mit seiner Zustimmung, die im Vertrauen auf die bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche für deren Baureifmachung erbracht worden sind;

2. jener Teil des Wertes der Grundfläche, der bei ihrem Erwerb wegen ihrer Widmung als Bauland gegeben war, soweit er in der Gegenleistung (Kaufpreis, Tauschgrundfläche, Erbverzicht u.dgl.) seinen Niederschlag gefunden hat. Hiebei ist der jeweils letzte Erwerb maßgebend, bei dem eine Gegenleistung erbracht wurde. Aufwendungen für die Baureifmachung sowie Erwerbsvorgänge nach der Kundmachung gemäß §16 Abs1 bleiben bei der Feststellung vermögensrechtlicher Nachteile außer Betracht.

(2) Die Höhe des Aufwandes bzw. der Gegenleistung ist durch den Antragsteller nachzuweisen. Für die Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist der sich nach Abs1 ergebende seinerzeitige Aufwand bzw. Teil der Gegenleistung unter Zugrundelegung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt letztverlautbarten Verbraucherpreisindexes aufzuwerten. ...

(3) Kommt die Gewährung einer Entschädigung in Betracht, so hat die Entschädigung einschließlich der mit ihrer Festsetzung verbundenen, von der Partei nicht verschuldeten Verfahrenskosten die Gemeinde zu leisten. Der Antrag auf Entschädigung ist bei sonstigem Anspruchsverlust innerhalb von drei Jahren ab Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes bei der Gemeinde einzubringen.

(4) Die Entschädigungssumme ist von der Landesregierung nach Anhörung beeideter Sachverständiger durch Bescheid festzusetzen. Jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Bescheides die Festsetzung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Wenn die gerichtliche Entscheidung angerufen wird, tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden.

(5) ...

(6) ..."

2. Die belangte Behörde hat dem angefochtenen Bescheid folgenden "Hinweis" angefügt:

"Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, so im Erkenntnis (gemeint: Beschluß) vom 23.10.1991, Zahl 91/06/0170-4, hat das Höchstgericht die Behandlung von Entschädigungsfällen nach dem ROG 1977 abgelehnt und sich für Entscheidungen der in Rede stehenden Art für nicht zuständig erklärt; dies auch dann, wenn die Verwaltungsbehörde die Zuerkennung einer Entschädigung zur Gänze abgewiesen hatte."

Die beschwerdeführende Gesellschaft tritt der (insbesondere) in diesem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck kommenden Auffassung, wonach die Anrufung des Gerichtes auch dann zulässig und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes demnach nicht gegeben ist, wenn der über einen Entschädigungsantrag absprechende Bescheid den Antrag mit der Begründung abweist, daß ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach nicht besteht, in der Sache mit folgenden Ausführungen entgegen:

"Eingeleitet hat der Verwaltungsgerichtshof diese Judikaturlinie; soweit ersichtlich, mit seinem Erkenntnis vom 19.3.1990, Zl. 89/10/0181, zum Kärntner Naturschutzgesetz 1986. Er legt darin die unterschiedlichen Konsequenzen für die Anrufbarkeit der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entsprechend der vorangegangenen jahrzehntelangen Rechtsprechung dar, je nach dem, ob die Entschädigungsbehörde bereits die Entschädigung dem Grunde nach abgelehnt hat oder die Frage der Entschädigungshöhe strittig war, wobei eine Grauzone in allen jenen Fällen bestand, in denen die Verwaltungsbehörde eine Entschädigungshöhe mit Null Schilling festgesetzt hat. In dieser Entscheidung erachtet der Verwaltungsgerichtshof es 'auch nicht ohne Bedeutung', ob die jeweiligen gesetzlichen Regelungen zum Entschädigungsverfahren zwischen einer Entscheidung dem Grunde und einer solchen der Höhe nach differenzieren und nur hinsichtlich letzterer die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte eröffnen. Der Verwaltungsgerichtshof gelangt letztendlich zum Ergebnis, daß §49 des Kärntner Naturschutzgesetzes 1986 auch hinsichtlich der Entschädigungspflicht dem Grund nach eine sukzessive Zuständigkeit eröffne und damit seine eigene Zuständigkeit ausschließe. Hintergrund dieser Überlegungen ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu §117 Wasserrechtsgesetz, mit der er diese Regelung wegen Verstoßes gegen Art6 Abs1 MRK aufgehoben hat (VfSlg 11760/1988). Vor diesem Hintergrund sah sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer verfassungskonformen Interpretation der Kärntner Regelungen veranlaßt, nach der die Zuständigkeit der Gerichte auch die Entscheidung über die Entschädigungspflicht dem Grund nach im Rahmen der sukzessiven Zuständigkeit umfaßt.

In der weiteren Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof offenkundig von der Differenzierung zwischen jenen gesetzlichen Entschädigungsregelungen, die eine Unterscheidung zwischen der Entschädigung dem Grunde und der Höhe nach enthalten und solchen, die diese Differenzierung nicht aufweisen, gelöst. Anders ist es nicht verständlich, daß er nunmehr auch zu §20 Abs4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 zur Verneinung seiner Zuständigkeit gelangt.

... (Es folgt die Wiedergabe des §20 Abs4 ROG 1977).

Der Salzburger Landesgesetzgeber bringt unzweideutig zum Ausdruck, daß die Anrufung des Gerichtes voraussetzt, daß sich eine Partei durch die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt erachtet und sieht daher vor, daß mit der Anrufung des Gerichtes die verwaltungsbehördliche Entscheidung (nur) hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung außer Kraft tritt. Dieser Wortlaut ist vor der jahrzehntelangen Verwaltungs- und Spruchpraxis zur Differenzierung zwischen Entschädigung dem Grunde und der Höhe nach als Thema der sukzessiven Zuständigkeit zu sehen. Ihm kommt daher eine klare und eindeutige Bedeutung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet der Legalitätsgrundsatz, wie er in Art18 B-VG zum Ausdruck kommt, den Gesetzgeber Zuständigkeiten unmißverständlich festzulegen. Dem ist der Landesgesetzgeber durch §20 Abs4 mit der Umschreibung dessen, was Gegenstand der sukzessiven Zuständigkeit ist, nachgekommen. Er hat sich dabei einer in Lehre, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis gesicherten Ausdrucksweise bedient, die eine klare Bedeutung hatte.

Durch die von ihm herangezogene verfassungskonforme Interpretation setzt sich der Verwaltungsgerichtshof über diese klare Bedeutung hinweg. Dabei wird keineswegs übersehen, daß ausnahmslos jede Norm der Auslegung bedarf (VfSlg 10615/1985). Das bedeutet aber nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, daß allein deshalb, um ein Normenprüfungsverfahren und die daraus resultierende Aufhebung einer gesetzlichen Regelung zu vermeiden, das Gebot zur verfassungskonformen Interpretation, das nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 'im Zweifel', also bei Mehrdeutigkeit eines Wortlautes zum Tragen kommt (für viele VfSlg 11829/1988), dazu herangezogen werden darf, sich über den klaren Wortlaut hinwegzusetzen.

Gegen diese Uminterpretation spricht vor allem auch das Rechtsschutzbedürfnis der Parteien eines Entschädigungsverfahrens. Selbst wenn nämlich der Verwaltungsgerichtshof zur Ansicht gelangt er sei nicht zuständig, weil die ordentlichen Gerichte im Zuge des außerstreitigen Verfahrens - ungeachtet des Wortlautes der §20 Abs4 ROG 1977 - dazu berufen seien, auch über die Entschädigung dem Grunde nach abzusprechen, so entfaltet diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes keinerlei Bindungswirkungen gegenüber den ordentlichen Gerichten. Es steht daher dem jeweils angerufenen Gericht frei, diese Rechtsansicht abzulehnen und - entsprechend dem Wortlaut des §20 Abs4 ROG 1977 - seine Zuständigkeit auf die Frage der 'Höhe der Entschädigung' beschränkt zu sehen. Das bedeutet daher, daß eine rechtsschutzbietende Befassung mit der Frage der Entschädigung dem Grunde nach in der Folge der Entscheidung der Verwaltungsbehörde schlechthin verwehrt wird. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben aber die Ablehnung ihrer Zuständigkeit zur nachprüfenden Kontrolle in Angelegenheiten der sukzessiven Zuständigkeit damit gerechtfertigt, daß eben eine gleichwertige Rechtsschutzeinrichtung in der Anrufung der ordentlichen Gerichte bestehe.

Es erscheint daher mit den Rechtsschutzverheißungen der österreichischen Bundesverfassung unvereinbar, im Wege einer verfassungskonformen Interpretation den klaren Sinn einer gesetzlichen Regelung auszuhöhlen und damit gleichzeitig die Verfahrensparteien, wie hier die Beschwerdeführerin, dem Risiko auszusetzen, keine wirksame Rechtsschutzinstanz vorzufinden, die darüber zu befinden hat, ob die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verneinung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach rechtmäßig ist.

Aus diesen Gründen erachtet daher die Beschwerdeführerin die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, mit der er eine Befassung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes mit der Frage der Entschädigung dem Grunde nach ablehnt, nicht für geeignet, die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde zu verneinen.

Zur Wahrung des Gebotes klarer Zuständigkeitsabgrenzungen im Lichte des Legalitätsprinzips und der Absicherung des Rechtsschutzinteresses der Betroffenen erscheint ausschließlich eine Klarstellung im Wege einer Normenprüfung samt nachfolgender Neuregelung geeignet, den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen und nicht eine (ausschließlich selbstbindende) Uminterpretation der Zuständigkeitsregelung des §20 Abs4 ROG 1977."

3. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich dieser Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft aus folgenden Erwägungen nicht anzuschließen:

a) Bei der durch die Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes vorgenommenen Umwidmung eines Grundstückes in Grünland oder Verkehrsfläche, durch die - worauf §20 Abs1 ROG 1977 abstellt - die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, handelt es sich (nicht um eine Enteignung, sondern) um eine Eigentumsbeschränkung (vgl. dazu etwa VfSlg. 11209/1987 mwH; zur Abgrenzung gegenüber der Enteignung s. etwa VfSlg. 9911/1983).

Die Entscheidung über den in §20 Abs1 ROG 1977 normierten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung für eine derartige Eigentumsbeschränkung ist - ebenso wie die Entscheidung über Ansprüche auf Enteignungsentschädigung (s. etwa das zum Nö. Raumordnungsgesetz 1976 ergangene Erkenntnis VfSlg. 11762/1988 mit Hinweis auf das Entschädigungsansprüche nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 betreffende Erkenntnis VfSlg. 11760/1988) eine Entscheidung über "zivilrechtliche Ansprüche" ("civil rights") iS des Art6 Abs1 EMRK. Gemäß Art6 Abs1 EMRK muß über "civil rights", somit auch über den in §20 Abs1 ROG 1977 vorgesehenen Entschädigungsanspruch, von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Ein solches ist die Salzburger Landesregierung nicht.

Wie der Verfassungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis VfSlg. 11762/1988 (unter Hinweis auf VfSlg. 11760/1988) ausgesprochen hat, genügt die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK nicht. Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch im Erkenntnis VfSlg. 11762/1988 des weiteren folgendes ausgesagt:

"Der Verfassungsgerichtshof hält schließlich die Feststellung für notwendig, daß er mit dem EGMR (Fall Le Compte, EuGRZ 1981, 553) unter dem Aspekt des Art6 Abs1 MRK nichts dagegen einzuwenden findet, daß auch über zivilrechtliche Ansprüche nach Art einer Enteignungsentschädigung vorerst eine Verwaltungsbehörde entscheidet, sofern nur danach ein Gericht die Befugnis besitzt, über die Enteignungsentschädigung einschließlich der Entschädigungshöhe auf Grund eigener Tatsachenfeststellung zu entscheiden (so auch Matscher, Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, ÖZöffR 1980, 15)."

Auch diese Aussage gilt für die Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen gleichermaßen wie für Ansprüche auf Enteignungsentschädigungen. Sie ist demnach auch für den im vorliegenden Fall geltend gemachten Anspruch maßgeblich.

b) aa) Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1970, Zl. 354/67, im Zusammenhang mit §7 Abs4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1959 die Auffassung vertreten, daß die Anrufung des Gerichtes nur gegen die Festsetzung der Entschädigungssumme zulässig sei, nicht aber auch dann, wenn die Behörde das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch verneint hat.

Auch in bezug auf das Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst (im Beschluß vom 26. Jänner 1989, Zlen. 88/06/0122, 0126) ausgesprochen, daß die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nur bei "der Verneinung eines Entschädigungsfalles im Sinne des §20 Abs1 ROG 1977" gegeben sei. Dagegen gehörten alle Fragen der "Kostenpositionen" in das Gebiet der Höhe der Entschädigung, die dem Verwaltungsrechtsweg entzogen sei.

In seinem gleichfalls zum Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 ergangenen Beschluß vom 23. Oktober 1991, Zl. 91/06/0170, VwSlg. 13517 A/1991, vertrat der Verwaltungsgerichtshof jedoch in Anknüpfung an seine von der früheren Rechtsprechung abweichende, zunächst zum Kärntner Naturschutzgesetz entwickelte Auffassung (Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, VwSlg. 13142 A/1990: Die "Festsetzung" bzw. "Festlegung" der Entschädigung umfaßt auch die in der Abweisung des Entschädigungsbegehrens ihren Ausdruck findende "Null-Festsetzung") eine andere Rechtsansicht: §20 Abs4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 sei - verfassungskonform ausgelegt - so zu verstehen, daß in der Frage der Bemessung der Entschädigung die Anrufung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde unabhängig davon zulässig ist, ob über den Antrag auf Gewährung einer Entschädigung dem Grunde nach (und zwar abweisend) oder der Höhe nach (also einen Teil des geltend gemachten Anspruches zuerkennend) abgesprochen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof folgte dabei der Rechtsauffassung in dem zum Salzburger Naturschutzgesetz 1977 ergangenen Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 89/10/0227, wobei er hervorhob, daß die Bestimmung des §15 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972, auf den in §35 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 in bezug auf die Festsetzung der Entschädigung verwiesen wird, mit §20 Abs4 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 "hinsichtlich der Einräumung des Rechtsweges durch eine Antragstellung beim Bezirksgericht (mit der damit verbundenen Rechtsfolge des Außerkrafttretens des bekämpften Bescheides) bis in die Details der Formulierungen" übereinstimmt.

bb) Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, G235/92, mit dem ein Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung von Bestimmungen der O.ö. Bauordnung abgewiesen wurde, ausdrücklich auf die "zu ähnlichen Vorschriften in verfassungskonformer Interpretation ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes", nämlich auf die bereits erwähnten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, und vom 23. Oktober 1991, Zl. 91/06/0170, (VwSlg. 13517 A/1991) hingewiesen, also die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung geteilt. Des weiteren hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Juni 1994, G192/92, mit dem er - einem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung bestimmter Worte in §28 Abs4 des O.ö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes keine Folge gebend - diese Vorschrift im Sinne einer umfassenden Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in der Entschädigungsfrage interpretierte, ausdrücklich hervorgehoben, daß er sich damit im Einklang mit der neueren, in dieselbe Richtung gehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befindet, und dabei ausdrücklich auf dessen Beschluß VwSlg. 13517 A/1991 verwiesen.

cc) Somit ergibt sich: Die durch §20 Abs4 ROG 1977 begründete Zuständigkeit des Gerichtes ist eine umfassende; sie besteht nicht allein dann, wenn die Verwaltungsbehörde eine - dem Grund nach gebührende - Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt hat, sondern auch dann, wenn sie das Bestehen eines Entschädigungsanspruches dem Grunde nach verneint, den Entschädigungsantrag demnach abgewiesen hat.

4. Gegen den in Beschwerde gezogenen Bescheid stand der Beschwerdeführerin somit iS des §20 Abs4 ROG 1977 die Anrufung des örtlich zuständigen Bezirksgerichtes offen. Die Anrufung des Gerichtes bewirkt gemäß §20 Abs4 dritter Satz ROG 1977, daß der Bescheid mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt.

Wird die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den Bescheid außer Kraft zu setzen und die Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, nicht genutzt, so ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 4788/1964, 4972/1965; vgl. auch VfSlg. 3424/1958, 3425/1958, 4266/1962, 5941/1969, 9630/1983) die Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben.

Die Beschwerde war daher mangels Legitimation zur Beschwerdeführung zurückzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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