VwGH 89/10/0227

VwGH89/10/02272.7.1990

1. XN und 2. YN gegen Salzburger Landesregierung vom 22. Juni 1989, Zl. 16/02-7629/35-1989, betreffend Entschädigung nach dem Salzburger Naturschutzgesetz

Normen

LStG Slbg 1972 §15;
MRK Art6 Abs1;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs1;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs2;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs3;
NatSchG Slbg 1977 §35;
VwGG §34 Abs1;
LStG Slbg 1972 §15;
MRK Art6 Abs1;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs1;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs2;
NatSchG Slbg 1977 §35 Abs3;
NatSchG Slbg 1977 §35;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1986 erklärte der Bürgermeister der Stadt Salzburg als Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 4 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. Nr. 86 (im folgenden: NSchG), die in der südwestlichen Ecke des den Beschwerdeführern gehörenden Grundstückes Nr. n1, KG. A, stockende Rotbuche zum Naturdenkmal. In den Naturdenkmalschutz einbezogen wurde ein diese Rotbuche umgebender Raum, dessen Bodenfläche einen Radius von 11 m aufweist.

Mit Eingabe vom 31. Mai 1988 stellten die Beschwerdeführer als Eigentümer den Antrag auf Entschädigung in Höhe von S 4 Mio für die nach ihrer Meinung infolge der Unterschutzstellung der Rotbuche eingetretene erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit und des Wertverlustes des Grundstückes.

Dieser Antrag wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 35 Abs. 1 und 2 NSchG "dem Grunde nach abgewiesen". Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die aus der Erklärung zum Naturdenkmal resultierende Einschränkung der Bebaubarkeit des Grundstückes im Hinblick auf die bereits bestehende baurechtliche Einschränkung der Bebaubarkeit desselben nicht als erheblich angesehen werden könne, weshalb der geltend gemachte Entschädigungsanspruch schon dem Grunde nach zu verneinen sei. Aus dem Argument, daß bei Unterbleiben der Erklärung zum Naturdenkmal die Abtrennung und gesonderte Verwertung des südlichen Teiles des Grundstückes (ca. 1.000 m2) möglich gewesen wäre, sei für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da es sich hier um eine bloße Möglichkeit handle, deren Aktualisierung durch nichts belegt worden sei. Schließlich gebühre auch für den geltend gemachten vergeblichen Planungsaufwand keine Entschädigung, weil durch die Erklärung zum Naturdenkmal nicht in ein bereits erworbenes Recht (Baubewilligung) eingegriffen worden sei.

Mit Beschluß vom 2. Oktober 1989, B 904/89, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß durch den Ablehnungs- und Abtretungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989 eine Bindung irgendwelcher Art nicht entstanden ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, Slg. 11506, und den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1989, Zl. 88/11/0125). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher die Zulässigkeit der abgetretenen Beschwerde aus eigenem zu prüfen.

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Geldleistungsanspruch stützt sich auf § 35 NSchG. Dieser mit "Entschädigung" überschriebene Paragraph lautet:

"(1) Wird durch eine Erklärung zum Naturdenkmal, zum geschützten Landschaftsteil oder zum Naturschutzgebiet oder durch die Einschränkung oder den Entzug eines Privatrechtes gemäß § 34 die Nutzung eines Grundstückes oder die Ausübung eines Rechtes erheblich erschwert oder unmöglich gemacht oder wird dadurch der Ertrag eines Grundstückes erheblich gemindert, so ist hiefür dem Eigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten auf Antrag eine angemessene, in Geld zu leistende Entschädigung, und zwar sofern diese nicht aus anderen Mitteln getragen wird, aus Landesmitteln, bei der Einschränkung oder beim Entzug eines Privatrechtes auf Antrag der Gemeinde (§ 34) aber aus Gemeindemitteln zu leisten. Entsteht durch den Bestand eines Naturdenkmales oder eines geschützten Gebietes nachträglich eine noch nicht durch eine Entschädigung abgegoltene unbillige Härte, so kann das Land als Träger von Privatrechten (§ 2 Abs. 2) auf Antrag dem Eigentümer oder dinglich Berechtigten einen angemessenen finanziellen Ausgleich leisten.

(2) Der Antrag auf Entschädigung ist bei sonstigem Anspruchsverlust binnen einem Jahr vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Bescheides gemäß §§ 4 oder 34 oder der Kundmachung der Verordnung gemäß §§ 8 oder 15 bei der Landesregierung einzubringen. Die Landesregierung hat hierüber dem Grunde und der Höhe nach zu entscheiden. Bei der Festsetzung der Entschädigung ist der Wert der besonderen Vorliebe nicht zu berücksichtigen. Über den Antrag auf Leistung einer Entschädigung ist möglichst unverzüglich zu entscheiden.

(3) Auf die Festsetzung der Entschädigung findet, sofern vorstehend nichts anderes bestimmt ist, § 15 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972, LGBl. Nr. 119, sinngemäß mit der Maßgabe Anwendung, daß die Frist zur Anrufung des Gerichtes sechs Monate ab der Erlassung des Entschädigungsbescheides beträgt."

Der sinngemäß anzuwendende § 15 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 lautet:

"(1) Für die Durchführung der Enteignung und die Festsetzung der Entschädigung sind die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes - Eisenb.-Ent.-G. 1954, BGBl. Nr. 71, mit folgenden Abweichungen sinngemäß anzuwenden:

a) über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung entscheidet die Landesregierung als Straßenrechtsbehörde, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist;

b) der Enteignungsbescheid hat auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen; sie ist, mangels einer Vereinbarung der Parteien, auf Grund der Schätzung beeideter Sachverständiger zu ermitteln;

c) jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Enteignungsbescheides die Festsetzung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Wenn die gerichtliche Entscheidung angerufen wird, tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart;...."

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile infolge Erklärung des in ihrem Eigentum stehenden Baumes zum Naturdenkmal ist in dem hier interessierenden Zusammenhang völlig mit dem Anspruch auf Enteignungsentschädigung vergleichbar. Entschädigungsansprüche nach § 35 Abs. 1 NSchG sind begrifflich und systematisch dem Zivilrecht zugeordnet und darüber hinaus als zivilrechtliche Ansprüche (civil rights) nach Art. 6 Abs. 1 MRK anzusehen (siehe den zur vergleichbaren Entschädigungsregelung des § 49 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes ergangenen hg. Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, und das dort zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1988, G 1/88 und Folgezahlen). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Beschluß näher dargetan hat, ist über derartige Entschädigungsansprüche auf Grund des Art. 6 Abs. 1 MRK eine Sachentscheidung durch ein dieser Vorschrift genügendes Tribunal, dem die selbständige Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfrage obliegt, unabdingbar, und zwar insbesondere auch im Falle der gänzlichen Versagung einer Entschädigung.

Es ist daher zu prüfen, ob die hier anzuwendenden Bestimmungen einer Auslegung dahin zugänglich sind, daß auch in Ansehung eines Bescheides, mit dem - wie im vorliegenden Fall - ein Entschädigungsbegehren gemäß § 35 NSchG dem Grunde nach abgewiesen wird, die sogenannte sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht und damit der gesamte Entschädigungsanspruch letztlich von einem Gericht geprüft wird. Dies ist zu bejahen.

Die Wendung "Festsetzung der Entschädigung" im § 35 Abs. 2 und 3 NSchG schließt unter Berücksichtigung des äußerst möglichen Sprachsinnes des Begriffes "Festsetzung" auch die Abweisung des Entschädigungsbegehrens ein (vgl. den vorhin erwähnten hg. Beschluß Zl. 89/10/0181). Demnach bedeutet "Festsetzung der Entschädigung" Entscheidung über einen Entschädigungsantrag dem Grunde und der Höhe nach. Für die so zu verstehende "Festsetzung der Entschädigung" ist gemäß § 35 Abs. 3 NSchG § 15 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 sinngemäß anzuwenden. Nach dem Abs. 1 dieser verwiesenen Gesetzesstelle ist in einem Enteignungsbescheid einerseits über Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung zu entscheiden (lit. a) und anderseits die Höhe der Entschädigung festzusetzen (lit. b), worunter mangels näherer Differenzierung im Gesetz und - im Sinne des vorhin Gesagten - unter Berücksichtigung des äußerst möglichen Sprachsinnes die Entscheidung über das Entschädigungsbegehren schlechthin einschließlich der Abweisung dem Grunde nach zu verstehen ist. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen den lit. a, b und c des § 15 Abs. 1 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 ist unter den Wendungen "Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme" bzw. "Festsetzung des Betrages der Entschädigung" in der lit. c nichts anderes gemeint als die in lit. b normierte, den zweiten Teil des Enteignungsbescheides nach dem zitierten Gesetz bildende "Festsetzung der Höhe der Entschädigung". Ist demnach der Entschädigungsanspruch in seiner Gesamtheit Gegenstand des Begehrens auf "Festsetzung des Betrages der Entschädigung" durch das Gericht, dann muß mit der Anrufung des Gerichtes der die Entschädigung betreffende Ausspruch des Enteignungsbescheides auch ZUR GÄNZE außer Kraft treten. Dem angefochtenen Gericht obliegt daher auch die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Entschädigung gebührt oder ob der geltend gemachte Entschädigungsanspruch schon dem Grunde nach abzuweisen ist.

Schon die bloße Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichte im Falle der gesetzlich vorgesehenen sukzessiven Zuständigkeit schließt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Angelegenheit aus (siehe abermals den hg. Beschluß Zl. 89/10/0181, und die dort angeführte Rechtsprechung). Da diese Voraussetzung hier gegeben ist, fehlt dem Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit zur meritorischen Behandlung der vorliegenden Beschwerde.

Die Beschwerde ist aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 51 und 53 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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