VfGH B1398/91

VfGHB1398/9113.10.1992

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf (weitere) Auszahlung eines Ruhebezuges nach dem Wr BezügeG; Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Liquidierungsansprüche; keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Eigentumsrecht durch Feststellung des Erlöschens des Anspruches auf Ruhebezug infolge einer strafgerichtlichen Verurteilung bei (bloß) teilbedingter Nachsicht der Strafe; keine gleichheitswidrige Differenzierung zwischen ehemaligen Beziehern eines Ruhebezuges nach dem Wr BezügeG und ehemaligen Beamten des Ruhestandes; keine Gleichheitswidrigkeit des mit dem Erlöschen des Anspruches auf Ruhebezug verbundenen Verlustes entrichteter Pensionsbeiträge

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Wr BezügeG §15 ff
Wr BezügeG §21 Abs1
Wr PensionsO 1966 §11 litf
Wr PensionsO 1966 §49
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Wr BezügeG §15 ff
Wr BezügeG §21 Abs1
Wr PensionsO 1966 §11 litf
Wr PensionsO 1966 §49

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Dem Beschwerdeführer war nach seinen Angaben ab 1. April 1989 als ehemaligem Mitglied der Wiener Landesregierung ein Ruhebezug nach den Vorschriften des Gesetzes über die Bezüge und Pensionen der gewählten Funktionäre des Landes (der Stadt) Wien (Wiener Bezügegesetz), LGBl. 4/1973, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. 38/1990, in bestimmter Höhe ausbezahlt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Juni 1990, im Strafausspruch geändert mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. Juni 1991, wurde der Beschwerdeführer wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei gemäß §43a Abs4 Strafgesetzbuch - StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Daraufhin wurde die Auszahlung des Ruhebezuges mit 30. Juni 1991 eingestellt.

b) Die Wiener Landesregierung wies mit Bescheid vom 29. Oktober 1991 den Antrag des Beschwerdeführers auf (weitere) Auszahlung des Ruhebezuges als unzulässig zurück und stellte zudem in Erledigung seines gleichzeitig gestellten Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides fest, daß dem Beschwerdeführer seit 1. Juli 1991 ein Ruhebezug als ehemaligem Mitglied der (Wiener) Landesregierung gemäß §11 litf des Gesetzes über das Pensionsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsordnung 1966 - PO 1966), LGBl. 19/1967, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. 54/1990, iVm §21 Abs1 des Wiener Bezügegesetzes nicht gebührt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger gesetzlicher Bestimmungen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Die Wiener Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige Beschwerde erwogen:

A. 1. Die belangte Behörde hat im Punkt 1 des Spruches des angefochtenen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers auf (weitere) Auszahlung des (ihm nach seiner Auffassung weiterhin gebührenden) Ruhebezuges mit der Begründung zurückgewiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes über Anträge auf Liquidierung von Geldbezügen (von Beamten) nicht mit Bescheid abgesprochen werden dürfe, weil es sich hiebei um einen rechnerischen Vorgang handle, der keinem bescheidmäßigen Abspruch zugänglich sei.

2. Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8899/1980, 10374/1985, 11405/1987) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, seinem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden (Art83 Abs2 B-VG), durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. auch dann verletzt wird, wenn die Behörde eine Entscheidung in der Sache selbst zu Unrecht verweigert, hat der Verfassungsgerichtshof geprüft, ob der Beschwerdeführer - wenngleich er dies nicht geltend gemacht hat durch die Zurückweisung seines Antrages im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.

Dies ist nicht der Fall.

Der Ruhebezug, dessen (weitere) Auszahlung der Beschwerdeführer mit einem seiner beiden Anträge begehrte, hatte seine rechtliche Grundlage in den Bestimmungen der §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes. Er war nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur (s. dazu etwa VfSlg. 4893/1964 hinsichtlich der den Bezirksvorstehern zukommenden Gebühren; ferner VfSlg. 5901/1969 in bezug auf Ansprüche nach dem Bundesgesetz über die Bezüge der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates, bestimmter oberster Organe der Vollziehung und des Präsidenten des Rechnungshofes, BGBl. 57/1956, idF der Bundesgesetze BGBl. 273/1956, 16/1962, 194/1966 und 200/1967; weiters VfSlg. 6917/1972 in bezug auf Ruhebezüge iS des Bundesgesetzes BGBl. 16/1962). Das Begehren des Beschwerdeführers war somit auf die Auszahlung eines öffentlich-rechtlichen (Ruhe-)Bezuges gerichtet.

Angesichts der öffentlich-rechtlichen Natur des Anspruches auf einen solchen (Ruhe-)Bezug und mit Rücksicht darauf, daß er in mancher Hinsicht den besoldungsrechtlichen Ansprüchen der Beamten nachgebildet ist (vgl. etwa VfSlg. 11309/1987, 401 f.), können die in der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes für die Geltendmachung besoldungsrechtlicher Ansprüche entwickelten Grundsätze auch auf Ansprüche nach dem Wiener Bezügegesetz angewendet werden.

Nach der ständigen, mit VfSlg. 3259/1957 eingeleiteten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 7846/1976, 8371/1978; ebenso etwa VwGH 30.5.1968, 46/68; 4.5.1983, 82/09/0138) werden besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (die Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der zur Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist (sodaß für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren, da hierüber auch nicht die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (vgl. VfSlg. 10266/1984), die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist). Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, nämlich den technischen Vorgang seiner Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage seiner Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl. die mit VfSlg. 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 7260/1974, 7288/1974, 7308/1974, 11395/1987, 11836/1988, 12024/1989).

Der hier in Rede stehende, an die belangte Behörde gerichtete Antrag des Beschwerdeführers war unmittelbar auf die (weitere) Auszahlung des Ruhebezuges und keineswegs auf die bescheidmäßige Feststellung gerichtet, daß dem Beschwerdeführer dieser Ruhebezug weiterhin gebührt. Dies ist schon deshalb nicht zweifelhaft, weil der Beschwerdeführer im selben Schriftsatz einen weiteren, auf die Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides abzielenden Antrag an die belangte Behörde gestellt hat, über den diese gesondert, nämlich im Punkt 2 des Spruches des angefochtenen Bescheides, abgesprochen hat.

Wenngleich ein Liquidierungsanspruch, wie er mit dem hier in Rede stehenden Antrag geltend gemacht wurde, zulässigerweise erst geltend gemacht werden kann, wenn über die Frage der Gebührlichkeit des ihm zugrundeliegenden besoldungsrechtlichen Anspruches mit (Feststellungs-)Bescheid der zuständigen Behörde abgesprochen wurde, wäre ein solcher Liquidierungsanspruch ausschließlich mit einer auf Art137 B-VG gestützten Klage geltend zu machen. Die belangte Behörde war demnach zur Entscheidung über diesen Antrag nicht zuständig, weshalb sie ihn zu Recht zurückgewiesen hat.

Der Beschwerdeführer ist somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Punkt 1 des Spruches des angefochtenen Bescheides nicht verletzt worden. Da die belangte Behörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat, ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer dadurch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist (vgl. etwa VfSlg. 9326/1982, 11214/1987, 12192/1989).

B. 1. Ihre im Punkt 2 des Spruches des angefochtenen Bescheides getroffene Feststellung, daß dem Beschwerdeführer seit 1. Juli 1991 ein Ruhebezug als ehemaligem Mitglied der (Wiener) Landesregierung gemäß §11 litf PO 1966 iVm §21 Abs1 des Wiener Bezügegesetzes nicht (mehr) gebührt, begründete die belangte Behörde - kurz zusammengefaßt - folgendermaßen: Nach §21 Abs1 (erster Satz) des Wiener Bezügegesetzes sei ua. die Bestimmung des §11 litf PO 1966 sinngemäß anzuwenden. Gemäß §11 litf PO 1966 erlösche der Anspruch auf Ruhegenuß durch Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe. Der Anspruch erlösche (nur dann) nicht, wenn die Strafe bedingt nachgesehen werde, es sei denn, daß die Nachsicht widerrufen werde. Der Anspruchsverlust sei eine unmittelbar kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge der Verurteilung. Er trete gemäß der - als Ausnahmevorschrift eng zu interpretierenden - Bestimmung des zweiten Satzes des §11 litf PO 1966 nur dann nicht ein, wenn die gesamte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, sondern finde auch im Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 1. Dezember 1988, 12 Os 108/88-12, eine Stütze. In diesem habe der Oberste Gerichtshof - wenngleich in bezug auf den gemäß §27 Abs1 StGB als Rechtsfolge einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe eintretenden Amtsverlust - ausgesprochen, daß §44 Abs2 (letzter Satz) StGB die bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen der Verurteilung (in jenem Fall: des Amtsverlustes) nur dann zulasse, wenn ua. die (Haupt-)Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen worden sei, daß hingegen eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nach dem klaren Wortlaut des §44 Abs2 StGB bei (bloß) teilbedingter Nachsicht der Strafe (§43a StGB) ausscheide. Der Oberste Gerichtshof habe in diesem Zusammenhang ua. die Auffassung erkennen lassen, daß der Unwertgehalt einer Tat im Gesamtausmaß einer Strafe zum Ausdruck komme und solcherart für die Rechtsfolgen einer Verurteilung (in jenem Fall: den Amtsverlust) allein entscheidend sowie einer Teilung nicht zugänglich sei. All dies müsse nach Ansicht der belangten Behörde auch für den - in §11 litf PO 1966 als Rechtsfolge einer strafgerichtlichen Verurteilung von näher umschriebener Schwere geregelten - Verlust des Anspruches auf Ruhegenuß gelten.

2.a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9186/1981, 9727/1983, 10516/1985) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsvorschrift beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hat.

b) Der Beschwerdeführer erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz im Ergebnis deshalb verletzt, weil entweder die belangte Behörde dem §11 litf PO 1966 fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat oder weil, wenn dies nicht der Fall sein und diese Bestimmung tatsächlich den ihr von der belangten Behörde beigemessenen Inhalt haben sollte, sie gegen den - auch den Gesetzgeber bindenden - Gleichheitssatz verstieße.

Da §11 litf PO 1966 sich auf das Rechtsinstitut der bedingten Strafnachsicht schlechthin beziehe und durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. 605, die Möglichkeit der Verhängung teilbedingter Freiheitsstrafen eingeführt worden sei, habe es nach §11 litf PO 1966 (lediglich) auf das Ausmaß der unbedingt verhängten Strafe anzukommen. Der Anspruch auf Ruhebezug erlösche daher nur bei Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr. Die Gleichheitswidrigkeit der Auslegung des §11 litf PO 1966 durch die belangte Behörde danach erlischt der Anspruch auf Ruhegenuß nur dann nicht, wenn im Fall der Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe diese zur Gänze bedingt nachgesehen wird - erblickt der Beschwerdeführer der Sache nach darin, daß bei dieser Auslegung der Kreis der Personen, die nach den §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes einen Anspruch auf Ruhebezug haben - somit auch der Beschwerdeführer - ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt wäre als die Beamten der Stadt Wien: Ihr Anspruch auf Ruhebezug würde nämlich zur Gänze und ersatzlos untergehen, während den ehemaligen Beamten des Ruhestandes, deren Anspruch auf Ruhegenuß ua. infolge gerichtlicher Verurteilung erloschen ist, gemäß §49 PO 1966 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag in der Höhe von 75 vH des Ruhegenusses gebührt, auf den sie Anspruch hätten, wenn sie nicht verurteilt worden wären.

Einen weiteren Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz erblickt der Beschwerdeführer darin, daß §11 litf PO 1966 in der Auslegung der belangten Behörde für den Beschwerdeführer mit dem dadurch bewirkten Verlust des Anspruches auf Ruhebezug den ersatzlosen Verlust der von ihm entrichteten Pensionsbeiträge zur Folge hätte.

c) Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der Beschwerdeführer nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde.

aa) Die Ansicht der belangten Behörde, daß nach §11 litf zweiter Satz PO 1966 (iVm §21 Abs1 erster Satz des Wiener Bezügegesetzes) im Fall der Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe der Anspruch auf Ruhebezug iS der §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes nur dann nicht erlischt, wenn die gesamte Strafe (und nicht bloß iS des §43a Abs4 StGB - ein Teil davon) bedingt nachgesehen wird, ist jedenfalls vertretbar. Sie vermag sich zum einen auf den Wortlaut des §11 litf zweiter Satz PO 1966 zu berufen: Danach kommt es darauf an, daß "die Strafe" - nicht etwa bloß ein Teil der Strafe - "bedingt nachgesehen" wird. Zum anderen findet sie eine Stütze in der (von der belangten Behörde zitierten) im Zusammenhang mit dem Amtsverlust als Rechtsfolge einer strafgerichtlichen Verurteilung gemachten - allgemeinen - Aussage im Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 1. Dezember 1988, 12 Os 108/88-12 (S. 13), daß "der im Gesamtausmaß einer Strafe zum Ausdruck kommende und

solcherart für die Rechtsfolgen . . . allein entscheidende

Unwertgehalt einer Tat . . . einer Teilung nicht zugänglich (ist)".

Ein weiteres Argument für die Auffassung der belangten Behörde kann aus dem - in der Gegenschrift erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1990, 90/12/0152, gewonnen werden, in dem der Verwaltungsgerichtshof (im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Amtsverlust gemäß §20 Abs1 Z4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333, und unter Berufung auf das zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes) die Auffassung vertreten hat, daß bei einer (bloß) teilbedingten Nachsicht der Strafe (iS des §43a StGB) eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nach dem klaren Wortlaut des §44 Abs2 StGB ausscheide. Der Verwaltungsgerichtshof gelangte danach zu dem Ergebnis, es komme dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer von der verhängten Freiheitsstrafe zwei Jahre bedingt nachgesehen worden sind und er nur ein Jahr "unbedingt" zu verbüßen hat, keine für die Frage des Amtsverlustes entscheidende Bedeutung zu.

bb) Zur Widerlegung des Beschwerdevorwurfes einer gleichheitswidrigen Differenzierung zwischen ehemaligen Beziehern eines Ruhebezuges iS der §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes und ehemaligen Beamten des Ruhestandes, denen nach §49 PO 1966 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag gebührt, genügt der Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 6917/1972 (1163): Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis hervorgehoben hat, ist es dem Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt, den in jenem Fall vom Bundesgesetz, mit dem bestimmten obersten Organen der Vollziehung und des Rechnungshofes Ruhebezüge gewährt werden, BGBl. 16/1962, erfaßten Personenkreis "hinsichtlich der Grundlagen der Bezüge anders zu behandeln als Ruhestandsbeamte; die beiden Personenkreise sind nicht vergleichbar, ihre Wesensunterschiede erlauben eine wesentlich verschiedene Behandlung durch den Gesetzgeber hinsichtlich der Ruhebezüge." Der unter das Wiener Bezügegesetz fallende Personenkreis ist unter den hier maßgeblichen Gesichtspunkten dem vom Bundesgesetz BGBl. 16/1962 erfaßten Personenkreis vergleichbar. Es steht daher auch die vom Beschwerdeführer gerügte unterschiedliche Behandlung ehemaliger Bezieher eines Ruhebezuges iS der §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes und ehemaliger Beamter des Ruhestandes, denen nach §49 PO 1966 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag gebührt, mit dem - auch den Gesetzgeber bindenden - Gleichheitsgebot im Einklang.

cc) Auch das Beschwerdevorbringen, der mit dem Erlöschen des Anspruches auf Ruhebezug verbundene Verlust der entrichteten Pensionsbeiträge sei gleichheitswidrig, ist aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht geeignet, die diese Rechtsfolge bewirkenden Bestimmungen des Wiener Bezügegesetzes als gleichheitswidrig erscheinen zu lassen.

Nach §15 des Wiener Bezügegesetzes gebührt dem ehemaligen Mitglied der Landesregierung mit Ausnahme des ehemaligen Landeshauptmannes auf Antrag ein monatlicher Ruhebezug, wenn die ruhebezugsfähige Gesamtzeit mindestens vier Jahre beträgt und das ehemalige Mitglied der Landesregierung das 55. Lebensjahr vollendet hat (lita); ferner, wenn das ehemalige Mitglied der Landesregierung wegen Funktionsunfähigkeit (bereits vor dem Ablauf von vier Jahren) aus der Funktion ausgeschieden ist; in diesem Fall ist eine ruhebezugsfähige Gesamtzeit von mindestens vier Jahren anzunehmen (litb). Demgegenüber hat der Anspruch eines Beamten der Stadt Wien auf Ruhegenuß nach §7 Abs1 PO 1966 (ua.) eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von zehn Jahren zur Voraussetzung.

Die in Rede stehende Regelung des Wiener Bezügegesetzes gilt (ua.) für (ehemalige) Mitglieder eines obersten Organes der Vollziehung und somit für Personen, die gegenüber der Allgemeinheit besondere Verantwortung tragen. In Verbindung damit ist zu berücksichtigen, daß die den Anspruch begründende Tätigkeit - wie etwa auch der Vergleich mit der für Beamte der Stadt Wien maßgeblichen Regelung zeigt - bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung (zB VfSlg. 10089/1984, 11048/1986, 11469/1987) im allgemeinen nicht als Lebensberuf und daher nur während eines begrenzten Zeitraumes ausgeübt wird, sodaß ein auf das Wiener Bezügegesetz gegründeter Ruhebezugsanspruch eines ehemaligen Mitgliedes der Wiener Landesregierung in der Regel nicht dessen einziger die Altersversorgung gewährleistender öffentlich-rechtlicher Anspruch sein wird. Unter diesen Umständen ist aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht zu erkennen, daß der Gesetzgeber die Grenzen, die ihm durch das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Gebot der Sachlichkeit einer Regelung (s. dazu etwa VfSlg. 9607/1983, 10090/1984, 12154/1989) gezogen sind, dadurch überschritten hat, daß er als Folge einer strafgerichtlichen Verurteilung von (mindestens) bestimmter Schwere für den Verurteilten den Verlust des Anspruches auf Ruhebezug und in Verbindung damit auch den Verlust entrichteter Pensionsbeiträge eintreten läßt.

Anders als in den Fällen, die etwa den Erkenntnissen VfSlg. 11309/1987 und 11665/1988 zugrundelagen, geht es hier nicht um einen vom Gesetzgeber nachträglich vorgenommenen schwerwiegenden Eingriff in eine Rechtsposition, durch den der Berechtigte in seinem Vertrauen auf die bestehende Rechtslage enttäuscht und dadurch im Gleichheitsrecht verletzt wird. Vielmehr handelt es sich bei der hier maßgeblichen Regelung des Wiener Bezügegesetzes um ein System, das von vornherein das Erlöschen des Anspruches auf Ruhebezug und den damit verbundenen Verlust der entrichteten Pensionsbeiträge als Rechtsfolge einer strafgerichtlichen Verurteilung von (mindestens) bestimmter Schwere vorsah. Der nach dieser Regelung eintretende Anspruchsverlust ist somit für den Berechtigten durchaus absehbar, sodaß in Fällen dieser Art von der Enttäuschung des Vertrauens auf die bestehende Rechtslage nicht die Rede sein kann.

3.a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes erblickt der Beschwerdeführer darin, daß von der belangten Behörde, indem sie das Erlöschen des Anspruches des Beschwerdeführers auf Ruhebezug feststellte, "ein entschädigungsloser Verlust der . . . (vom Beschwerdeführer) . . . entrichteten Pensionsbeiträge angenommen wurde".

b) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser in ein privates Vermögensrecht eingreift (s. etwa VfSlg. 9282/1981, 10283/1984, 10508/1985, 11198/1986).

Da der Anspruch auf Ruhebezug gemäß den §§15 ff. des Wiener Bezügegesetzes dem öffentlichen Recht angehört (s. dazu oben unter II.A.2.) ist es ausgeschlossen, daß durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Feststellung des Erlöschens dieses Anspruches in einem bestimmten Zeitpunkt zum Inhalt hat, in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers eingegriffen wurde. Die Vorschreibung von Pensionsbeiträgen hat der angefochtene Bescheid ebensowenig zum Gegenstand wie einen Abspruch über die Verpflichtung zur Leistung solcher Beiträge.

Der Beschwerdeführer ist somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem weiteren von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.B.2.c), ist es ferner ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in seinen Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Frage aber, ob die Auffassung der belangten Behörde dem Gesetz entspricht, ist nicht vom Verfassungsgerichtshof, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen.

C. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

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