VfGH B217/77

VfGHB217/7725.6.1982

EStG 1972; keine Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung des §34 Abs3 zweiter Satz

VerfGG 1953; Kostenzuspruch gemäß §88 für Kosten des vom Beschwerdeführer angeregten Gesetzesprüfungsverfahrens trotz Abweisung der Beschwerde

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
EStG §34 Abs3
VfGG §88
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
EStG §34 Abs3
VfGG §88

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 3.913,20 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, der mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau im gemeinsamen Haushalt lebt, beantragte in der Einkommensteuererklärung 1975 die Berücksichtigung des seiner Ehegattin (in natura) geleisteten Unterhalts (dessen Höhe er mit 216.000 S bewertete) als außergewöhnliche Belastung.

Die Finanzlandesdirektion für OÖ gab diesem Begehren mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 29. April 1977 keine Folge. Sie begründete ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf §34 EStG 1972 (idF der Nov. BGBl. 469/1974) damit, es könne außer Streit gestellt werden, daß die Unterhaltsleistungen, die ein Alleinverdiener an seinen mit ihm in aufrechter Ehe lebenden Ehegatten erbringt, einen Aufwand und somit eine Belastung darstellten, der zwangsläufig erwachse. Nach der im §34 Abs2 aufgestellten Definition für die Außergewöhnlichkeit sei ein Vergleich mit Gruppen eines anderen Familienstandes (Ledigen, Verwitweten oder Geschiedenen) ausgeschlossen. Da aber die Mehrzahl der in aufrechter Ehe lebenden Steuerpflichtigen (also gleichen Familienstandes) den gesetzlichen Unterhalt an den anderen Ehegatten zu leisten habe, könne darin keine außergewöhnliche Belastung iS des Einkommensteuergesetzes liegen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichheitsrechtes sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Aufhebung des Bescheides, allenfalls die Beschwerdeabtretung an den VwGH beantragt.

II. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes im §34 Abs3 EStG 1972 ("Leistungen des gesetzlichen Unterhalts an geschiedene Ehegatten gelten als zwangsläufig erwachsen.") ein und hob diese Gesetzesstelle mit dem Erk. G36/80 ua. vom 18. März 1982 als verfassungswidrig auf.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH kann eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur vorliegen, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt hingegen vor, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsvorschrift beruht oder wenn er gesetzlos ist, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkommt.

All dies trifft, wie die folgenden Ausführungen nachweisen, im vorliegenden Fall nicht zu.

2. Der Beschwerdeführer nahm vor der Fällung des Gesetzesprüfungserkenntnisses den - von ihm jedoch offenbar bereits aufgegebenen - Standpunkt ein, bezüglich der einkommensteuerlichen Beurteilung von Unterhaltsleistungen unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastung liege die gerügte Gleichheitsverletzung vor, weil in aufrechter Ehe lebende Ehegatten gegenüber Geschiedenen von Gesetzes wegen benachteiligt seien; die weiters geltend gemachte Eigentumsverletzung, weil hieraus eine höhere einkommensteuerliche Belastung der in aufrechter Ehe unterhaltsleistenden Ehegatten folgt.

Wie im Gesetzesprüfungserkenntnis näher dargelegt wurde, resultierte die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung Unterhaltsleistender aus der im zweiten Satz des §34 Abs3 EStG 1972 (idF der Nov. BGBl. 469/1974) aufgestellten unwiderleglichen Rechtsvermutung. Da diese Gesetzesbestimmung (auch) aus Anlaß dieser Beschwerdesache als verfassungswidrig aufgehoben wurde und sie sohin - wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt (s. zB VfSlg. 8689/1979) - in diesem Fall nicht mehr heranzuziehen ist, besteht überhaupt kein Anhaltspunkt mehr für die Annahme, daß in aufrechter Ehe unterhaltsleistende Ehegatten im Vergleich zu geschiedenen Unterhaltspflichtigen benachteiligt werden.

Obwohl die Rechtslage (auch) für die vorliegende Anlaßbeschwerdesache in dieser Richtung bereinigt ist, behauptet der Beschwerdeführer dennoch weiterhin eine Benachteiligung als in aufrechter Ehe Unterhaltsleistender für den Fall, daß seiner Beschwerde nicht stattgegeben werde; er würde hiedurch - wie er meint - im Ergebnis schlechter gestellt als jene zahlreichen geschiedenen Unterhaltspflichtigen, denen auf dem Boden der früheren Gesetzeslage die Steuerbegünstigung von der Abgabenbehörde gewährt wurde. Hiebei verkennt der Beschwerdeführer - folgt man ihm auf dieser Argumentationsbasis - jedoch grundlegend, daß der VfGH einen bei ihm angefochtenen Bescheid ausschließlich auf Grund der (bereinigten) Gesetzeslage zu beurteilen hat; eine (in den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Verwaltungssachen gewiß an der damaligen einkommensteuerrechtlichen Lage orientierte) Behördenpraxis kann nicht anstelle des Gesetzes zum Maßstab genommen werden. Was der Beschwerdeführer hier in Wahrheit anstrebt, ist eine durch keine Vorschrift - insbesondere nicht durch die von ihm bezogenen Art13 und 14 MRK sowie den von ihm angeführten Art1 des (1.) ZP zur MRK - erlaubte, vielmehr im Hinblick auf Art140 Abs7 B-VG von Verfassungs wegen nicht zulässige Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Rechtsvermutung für geschiedene Ehegatten im Wege der Analogie auf seinen Fall als in aufrechter Ehe unterhaltsleistender Ehemann.

Der Beschwerdeführer leitet die geltend gemachte Gleichheitsverletzung nunmehr auch daraus ab, daß seiner Meinung nach eine statistische Betrachtungsweise die Zahl der unterhaltsleistenden alleinverdienenden Ehegatten als eine Minderheit ausweise, die seit dem Wegfall der Einkommenbesteuerung nach Steuergruppen außergewöhnlich belastet sei. Daß diese Argumentation aber nicht zielführend ist, ergibt sich schon aus dem Erk. VfSlg. 8341/1978, auf dessen Entscheidungsgründe der Beschwerdeführer hingewiesen wird.

3. Es liegt sohin weder die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes noch die seiner Meinung nach daraus folgende Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vor. Da im Beschwerdeverfahren auch keine sonstige Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Dem Beschwerdeführer waren die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen, anläßlich des Gesetzesprüfungsverfahrens entstandenen Prozeßkosten zuzusprechen, da er die Gesetzesprüfung mit Erfolg anregte; dieser teilweise Kostenzuspruch folgt aus der sinngemäßen Anwendung des §88 VerfGG, dem das Erfolgsprinzip zugrunde liegt. Vom zugesprochenen Betrag entfallen 289,87 S auf die Umsatzsteuer.

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