OLG Wien 10Rs55/06s

OLG Wien10Rs55/06s22.6.2006

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Dragostinoff als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Ziegelbauer und Mag.Atria in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** W*****, S*****, 1140 Wien, vertreten durch Dr.***** B*****, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei P*****, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 21.3.2006, 24 Cgs 26/06y-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 24.11.2005 hat das BG Fünfhaus als Pflegschaftsgericht für den am 26.11.1953 geborenen Kläger die Rechtsanwältin Dr.C***** B***** zur Sachwalterin bestellt. Die Sachwalterin wurde mit der Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie der Vertretung des Klägers vor Ämtern und Behörden betraut (Beil./B).

Mit dem der Sachwalterin zugestellten Bescheid vom 18.1.2006 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt (Beil./A).

Mit der am 30.1.2006 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger, vertreten durch die für ihn bestellte Sachwalterin, die Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem der Antragstellung folgenden Monatsersten.

Mit Beschluss vom 3.2.2006 trug das Erstgericht der klagenden Partei die Verbesserung der Klage unter anderem durch Vorlage einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klagsführung binnen 12 Wochen auf (ON 2).

Mit Beschluss vom 28.2.2006 wies das BG Fünfhaus den Antrag der Sachwalterin auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der gegenständlichen Klage mit der Begründung ab, dass für die gegenständliche Klagsführung, aus der dem Kläger auch im Falle des Prozessverlustes kein Prozesskostenrisiko drohe, eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung im Sinne des § 154 Abs. 3 ABGB nicht erforderlich sei (Beil./C). Diese Entscheidung des BG Fünfhaus wurde unangefochten rechtskräftig (ON 5) und dem Erstgericht von der Sachwalterin am 13.3.2006 vorgelegt (ON 4).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Klage zurückgewiesen. Unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Wien vom 10.11.2005, 8 Rs 137/05h führte das Erstgericht aus, dass eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung durch den Sachwalter erforderlich sei, da der Sachwalter als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung beauftragen könnte, wodurch diesem Honoraransprüche gegen den Betroffenen entstehen würden. Da das zuständige Pflegschaftsgericht den Antrag auf Genehmigung der Klagsführung abgewiesen habe, sei die Klage zurückzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Der beklagten Partei wurde die Klage noch nicht zugestellt. Mangels Streitanhängigkeit hat das Erstgericht daher den Rekurs ohne Zustellung einer Gleichschrift an die beklagte Partei vorgelegt (§ 521a Abs. 1 Z 3 ZPO).

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Der Rekurswerber bringt vor, dass die für ihn bestellte Sachwalterin Rechtsanwältin sei und ihn selbst vertrete, ohne einen Dritten mit der Vertretung zu beauftragen. Es entstünden daher für diese Vertretung keine Honoraransprüche und wäre der gegenständliche Fall insofern anders gelagert als die vom OLG Wien zu 8 Rs 137/05h entschiedene Rechtssache. Die Entschädigung für die Tätigkeit bestimme sich vielmehr nach den §§ 267, 282 ABGB. Dass im konkreten Fall die Voraussetzungen für ein angemessenes Entgelt nach den §§ 267, 282 ABGB erfüllt sind, sei jedenfalls nicht von vornherein anzunehmen. Zutreffend habe das BG Fünfhaus daher ausgesprochen, dass eine (nachträgliche) pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage vom 26.1.2006 nicht erforderlich sei.

Dazu hat das Rekursgericht erwogen:

Gemäß § 154 Abs. 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere unter anderem die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen (§ 154 Abs. 3 zweiter Satz ABGB). Diese Bestimmung gilt gleichermaßen für die Rechte und Pflichten des (einstweiligen) Sachwalters (§ 282 ABGB). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass bei minderjährigen Klägern in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung nicht erforderlich sei (RIS-Justiz RS0107440). Als wesentliches Argument wird dabei gesehen, dass zufolge der besonderen Kostentragungsvorschriften nach § 77 Abs. 1 Z 1 und § 80 ASGG ein minderjähriger Kläger auch im Falle des Prozessverlustes nicht mit Prozesskosten belastet sei. Wenn dies auch für die Anwaltskosten eines auf Klägerseite tätig werdenden Rechtsanwaltes gelte, etwa weil sich dieser von Anfang an ausdrücklich als Vertreter des Elternteils und nicht des Minderjährigen selbst deklariert, sodass auch bloß dem Elternteil gegenüber ein Honoraranspruch zu erwarten wäre, so bedürfe es auch keiner ansonsten erforderlichen Vorwegbeurteilung der Erfolgsaussichten des vom Minderjährigen angestrengten Rechtsstreites und demnach keiner Klagsgenehmigung, um diesen vor eventuellen Prozessnachteilen zu bewahren. Diese Rechtsauffassung fand in der Literatur mehrfach Zustimmung (Gitschthaler, Prozess- und Verfahrensfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, RZ 2003, 175 ff; Greifeneder-Liebhart, Pflegegeld [2004] Rz 503). In Bezug auf besachwalterte Personen gibt es mehrere oberstgerichtliche Entscheidungen, in welchen die Erforderlichkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer Klage auch in einer Sozialrechtssache ausgesprochen wurde (10 ObS 214/02x, 10 ObS 106/04t = RIS-Justiz RS0048207). Unter Bezugnahme auf diese Entscheidungen sowie auf Grund möglicher Honoraransprüche eines Rechtsanwaltes gegen den Betroffenen hat das Oberlandesgericht Wien zu 8 Rs 137/05h die Genehmigungspflicht einer von einem Notar als Sachwalter eingebrachten Klage in einer Sozialrechtssache bejaht. Dennoch ist die Frage, ob die gegenständliche Klage einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, hier nicht näher zu erörtern und ist die Schlussfolgerung des Erstgerichts, mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung sei die Klage zurückzuweisen, unzutreffend.

Gemäß § 7 Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht bei einem nicht beseitigten Mangel der Prozessfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder der Ermächtigung zur Prozessführung die Nichtigkeit des von dem Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluss auszusprechen. Gemäß Abs. 2 der zitierten Bestimmung kann dieser Ausspruch jedoch nicht erfolgen, "wenn demselben in Ansehung des Grundes der Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen inländischen Gerichte gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht". Eine solche bindende Vorentscheidung liegt im gegenständlichen Fall vor. Die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts erfolgte über das Erfordernis einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, somit in Ansehung des vom Prozessgericht wahrgenommenen Nichtigkeitsgrundes. Die Entscheidung ist formell rechtskräftig und sind keine Anzeichen für eine missbräuchliche Herbeiführung der Vorentscheidung erkennbar (Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 7 ZPO Rz 10 bis 13; RIS-Justiz RS0035572). Insbesondere wurde auch schon oberstgerichtlich entschieden, dass die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes, ein Elternteil bedürfe zur Führung bestimmter Rechtsstreitigkeiten keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, den Prozessrichter bindet (OGH 27. 3.1957, JBl 1957/619 = Dittrich/Tades, ABGB36 [2003] § 154 E 195).

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die Zurückweisung der gegenständlichen Klage bei rechtskräftig erfolgter Abweisung des Antrages auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, welche Entscheidung inhaltlich eine Zurückweisung des Antrages mangels erforderlicher pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung ohne Befassung in der Sache darstellt, im Ergebnis dem Kläger den Zugang zum Recht, nämlich zu einer Klage auf Zuerkennung einer Invaliditätspension, verwehren würde.

Der angefochtene Beschluss war daher ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Ein Zwischenstreit mit selbständiger Kostenentscheidungspflicht liegt nicht vor, da sich die Parteien mangels Streitanhängigkeit in der Frage des gegenständlichen Prozesshindernisses nicht mit widerstreitenden Anträgen gegenüber stehen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens war daher gemäß §§ 2 ASGG, 52 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten.

Auf Grund der dargestellten eindeutigen Rechtslage war der ordentliche Revisionsrekurs gemäß §§ 2 ASGG, 528 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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