European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00036.24S.0130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Beklagten sind Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Baggersee befindet. Die Eltern des Klägers hatten 1986 mit den Rechtsvorgängern der Beklagten als Vermieter einen Mietvertrag über eine an den Baggersee angrenzende Parzelle abgeschlossen und darauf ein etwa 45 m² großes Superädifikat errichtet. Am 14. 7. 2000 schloss der Kläger mit den Rechtsvorgängern der Beklagten einen neuen Mietvertrag ab, der sich inhaltlich an den Vorverträgen orientierte. In Punkt XII. Abs 1 des Vertrags verpflichteten sich die Vermieter, bei Beendigung des Vertrags die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten dem Mieter um den vollen Schätzwert abzulösen. Der Schätzwert sollte danach zum Stichtag der Schätzung mangels anderer Einigung von dem Sachverständigen festgestellt werden, der an erster Stelle in der betreffenden Branchenliste des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aufscheint. Da bei Auflösung des Mietverhältnisses im Jahr 2015 in der entsprechenden Branchenliste des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien kein Sachverständiger eingetragen war (und nach wie vor nicht ist), beauftragten die Beklagten den an erster Stelle der entsprechenden Branchenliste des Handelsgerichts Wien eingetragenen Sachverständigen mit der Erstellung des Schätzgutachtens.
[2] Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob sich die Höhe der von den Beklagten zu leistenden „Ablösesumme“ für das Superädifikat nach dem von den Beklagten eingeholten Schiedsgutachten zu richten hat oder ob dafür der vom Kläger darüber hinaus begehrte Betrag zu zahlen ist.
[3] Der Kläger begehrte 70.000 EUR sA Zug um Zug gegen die Unterfertigung einer grundbuchsfähigen Urkunde zur Übertragung des Eigentumsrechts am Superädifikat und die Beklagten dazu zu verpflichten, das Eigentumsrecht daran zu erwerben. Dazu brachte er – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – vor, ein von ihm beauftragter Sachverständiger habe den Verkehrswert des Superädifikats mit 90.000 EUR festgesetzt. Nachträglich habe er 10.000 EUR für Verbesserungen aufgewendet, sodass sich ein Ablöseanspruch von 100.000 EUR ergebe. Darauf rechne er für die Zeit zwischen Beendigung des Bestandverhältnisses und tatsächlicher Räumung ein den Beklagten zustehendes Benützungsentgelt von 30.000 EUR an. Im Übrigen bestritt er, dass im Mietvertrag wirksam eine Schiedsgutachterabrede vereinbart worden sei, dass der von den Beklagten herangezogene Sachverständige der vertraglich vereinbarte Schiedsgutachter sei, die Richtigkeit des von diesem erstellten Gutachtens, weil nach der Vereinbarung mit „vollem Schätzwert“ nicht der Sachwert, sondern der Verkehrswert gemeint sei, sowie die Richtigkeit des von diesem ermittelten Sachwerts. Jedenfalls liege eine offenbar unbillige Minderbewertung vor.
[4] Die Beklagten wendeten die Wirksamkeit der Schiedsgutachterklausel ein. Die Parteien hätten sich nicht auf die Höhe der Ablöse einigen können, sodass ein Sachverständiger zu bestellen gewesen sei. Die Bestellung des an erster Stelle der Liste des Handelsgerichts Wien genannten Sachverständigen entspreche dem hypothetischen Parteiwillen. Der Schätzwert im Sinne des Vertrags beziehe sich alleine auf das Gebäude und betrage laut Gutachten 12.900 EUR. Sie seien bereit, das Superädifikat zu diesem Preis zu kaufen. Das Vorbringen des Klägers zum Benützungsentgelt sei für dieses Verfahren unerheblich; darüber sei ein bezirksgerichtliches Verfahren anhängig.
[5] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur Zahlung von 12.900 EUR sA Zug um Zug gegen Unterfertigung einer grundbuchsfähigen Urkunde durch den Kläger zur Übertragung des Eigentumsrechts am Superädifikat und zum Erwerb des Superädifikats. Das Zahlungsmehrbegehren von 57.100 EUR sA wies es ab.
[6] Der Mietvertrag enthalte eine Schiedsgutachtervereinbarung, wobei der Schiedsgutachter über den Wert der Baulichkeiten entscheide. Da beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien kein einschlägiger Sachverständiger eingetragen sei, die Parteien sich jedoch auf die Liste eines Wiener Gerichts geeinigt hätten, liege nahe, dass sie – hätten sie diesen Fall bedacht – sich auf einen Sachverständigen aus der Liste des Handelsgerichts Wien geeinigt hätten. Der dort an erster Stelle Genannte sei in ergänzender Vertragsauslegung daher der vereinbarte Schiedsgutachter. Die Schiedsgutachterklausel sei weder unklar noch unverständlich.
[7] Im Vertrag finde sich zwar keine Definition des „vollen Schätzwerts“. Da es sich um eine Baulichkeit auf fremden Grund handle, müsse beiden Vertragsteilen jedoch klar gewesen sein, dass eine künftige Ablöse nicht die besondere Lage des Mietgrundes umfassen könne. Der Umstand, dass der Verkehrswert auch diese Lage berücksichtige, spreche dafür, dass die Parteien nur den Sachwert gemeint hätten. Dieser betrage nach dem Gutachten 12.900 EUR und sei von den Beklagten zu leisten, die nach dem Vertrag verpflichtet seien, das Superädifikat in ihr Eigentum zu übernehmen.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging – wie das Erstgericht – von der Wirksamkeit der im Mietvertrag geregelten Ablösevereinbarung aus und kam vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Liegenschaftsbewertungsgesetzes zum Ergebnis, dass mit dem Begriff „voller Schätzwert“ in Punkt XII. Abs 1 des Mietvertrags der Sachwert angesprochen sei. Im Übrigen legte es seinen Überlegungen zugrunde, dass das Erstgericht wegen der Erklärung des Klägers, sich auf den von ihm behaupteten Ablösebetrag ein den Beklagten zustehendes Benützungsentgelt von 30.000 EUR anrechnen zu lassen, worin eine Aufrechnungserklärung zu erblicken sei, der Klage mit (weiteren) 12.900 EUR stattgegeben habe. Damit – so das Berufungsgericht – habe es im Ergebnis – wenn auch offenbar unbedacht – einen Ablösebetrag von insgesamt 42.900 EUR für berechtigt erkannt und über den bereits durch Aufrechnung getilgten Betrag von 30.000 EUR hinaus weitere 12.900 EUR zugesprochen. Da der Betrag von 42.900 EUR den Sachwert laut Gutachten des vom Kläger selbst beauftragten Sachverständigen übersteige, so das Berufungsgericht weiters, komme es darauf, ob es sich bei dem von den Beklagten beauftragten Sachverständigen um den vertraglich vereinbarten Schiedsgutachter handle oder der von diesem ermittelte Sachwert von 12.900 EUR (auf den sich der Zuspruch des Erstgerichts seiner Ansicht nach im Ergebnis ohnedies nicht beschränke) eine offenbar unbillige Minderbewertung darstelle, nicht an. Eine Mängelrüge des Klägers, weil das Erstgericht dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Beweis der Unbilligkeit nicht entsprochen habe, hielt es ausgehend von diesen Überlegungen für unerheblich.
[9] Dagegen richtet sich die – nach Freistellung von den Beklagten – beantwortete außerordentliche Revision des Klägers, die zur Klarstellung zulässig und im Sinn des in eventu gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
[10] 1. Zwischen den Streitteilen ist nicht strittig, dass es sich bei dem auf der vom Kläger bis 2015 gemieteten Parzelle errichteten Gebäude um ein Superädifikat im Sinn des § 435 ABGB handelt.
[11] 1.2. Das Eigentum an einem Superädifikat bleibt von der Beendigung oder dem Wegfall des Grundbenützungsverhältnisses an sich unberührt. Das Bauwerk gehört auch weiterhin seinem Eigentümer, der es allerdings über Verlangen des Grundeigentümers entfernen müsste, sofern er es nicht nach dem Inhalt des Grundbenützungstitels oder einer späteren besonderen Vereinbarung an den Grundeigentümer übertragen muss (RS0009887). Ohne Vereinbarung wäre der Kläger daher verpflichtet, das Superädifikat auf Verlangen der Beklagten bei Vertragsende abzubauen und zu entfernen (RS0009887 [T4]; 8 Ob 141/22a [Rz 39]).
1.3. Punkt XIII. des Mietvertrags stellt eine solche Vereinbarung dar und verpflichtet die Beklagten als Vermieter, das Superädifikat um den „vollen Schätzwert“ käuflich abzulösen; mangels anderer Einigung ist der Schätzwert danach von dem Sachverständigen festzustellen, der an erster Stelle in der betreffenden Branchenliste des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aufscheint.
[12] 2. Ein Kaufvertrag ist grundsätzlich schon dann perfekt, wenn sich die Vertragsteile über den Kaufgegenstand und Kaufpreis geeinigt haben (RS0019951; RS0017217). Dabei genügt die objektive Bestimmbarkeit von Ware und Preis (RS0019952). Nach § 1056 Satz 1 ABGB können Käufer und Verkäufer die Festsetzung des Preises einer dritten bestimmten Person überlassen. Dazu genügt, wenn die Parteien die Qualitäten des Dritten festlegen. Eine Klausel, die ohne Zwang so zu verstehen ist, dass für den Fall der Nichteinigung ein Gerichtssachverständiger den Preis festsetzen soll, macht den Vertrag nicht mangels Preisbestimmbarkeit ungültig (Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1056 Rz 6 mit Judikaturnachweisen).
[13] 2.1. Der zur Preisbestimmung Berufene ist nicht Schiedsrichter, sondern Schiedsmann (Aicher aaO). Als Schiedsgutachter soll er aufgrund seiner Sachkunde gewisse Unterlagen und Tatsachen beschaffen und mit bindender Wirkung für die Parteien Feststellungen gewinnen oder den Parteiwillen ergänzen (RS0106358 [T4]).
[14] 2.2. Die Einigung auf einen Schiedsgutachter zur Preisbestimmung, wenn sich die Parteien nicht über den „vollen Schätzwert“ verständigen können, in Punkt XIII. des Mietvertrags führt zum Ergebnis, dass ein Kaufvertrag über den Erwerb des Superädifikats durch die Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung der Beendigung des Bestandverhältnisses wirksam zustande gekommen ist.
[15] 2.3. Davon geht auch der Kläger aus, indem er mit seinem Klagebegehren die Beklagten zur Übernahme des Superädifikats in ihr Eigentum verpflichtet wissen will. Soweit er dennoch die Wirksamkeit der Schiedsgutachterklausel bestreitet, übergeht er, dass dann eine Einigung über den Kaufpreis und damit ein gültiger Kaufvertrag, auf den er sein Begehren stützen könnte, nicht vorläge, sodass seiner Klage die Grundlage entzogen wäre. Er bliebe Eigentümer und müsste das Superädifikat auf seine Kosten entfernen. Abgesehen davon ist die behauptete Ungültigkeit dieser Klausel auch nicht zu erkennen:
[16] 2.3.1. § 6 Abs 1 Z 10 KSchG kommt nicht zum Tragen, weil weder die konkrete Auswahl der Person des Schiedsgutachters, noch die die Parteien bindende Preisfestsetzung in der alleinigen Einflusssphäre der Beklagten liegt, sondern der nach § 1056 ABGB zulässigen Vereinbarung beider Parteien entspricht. Sie ist damit auch nicht überraschend oder ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB, zumal sie von den Parteien gerade für den Fall, dass sie sich über den Preis nicht einigen können, getroffen worden ist, um den Kauf (aufschiebend bedingt) zu perfektionieren.
[17] 2.3.2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt (vgl dazu 1 Ob 57/18s) nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt (vgl RS0016914). Davon kann schon wegen der Interessenlage des Klägers bei Abschluss des Vertrags keine Rede sein. Sie ist auch nicht einseitig für den Kläger nachteilig, sondern betrifft bei gebotener ex ante Sicht beide Vertragsseiten gleichermaßen. Dass es hier nicht um eine Nebenabrede, sondern um die Hauptleistung geht, kann damit dahinstehen.
[18] Das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169 [T2]). Daran kann bei der vorliegenden Schiedsgutachterabrede kein Zweifel bestehen.
[19] 2.3.3. Letztlich zielt der Kläger mit seiner Argumentation zur Unwirksamkeit der Klausel aber ohnedies auf die Vertragskonformität (Sachwert „oder“ Verkehrswert) des von dem von den Beklagten beauftragten Sachverständigen ermittelten Ablösepreises sowie auf die Frage ab, ob es sich bei diesem Sachverständigen, um den nach dem Vertragsinhalt zulässigen Schiedsgutachter handelt. Damit sind letztlich Auslegungsfragen angesprochen.
[20] 3. Fragen der Vertragsauslegung sind stets solche des Einzelfalls (vgl RS0044298; RS0042936; RS0112106 [T1]).
[21] 3.1. Treten nach Abschluss des Geschäfts Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden, dann ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RS0017758; vgl auch RS0113932). Haben die Vertragschließenden den eingetretenen Problemfall nicht geregelt, so ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dafür kommen vor allem der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs (Verkehrssitte) sowie Treu und Glauben in Frage (RS0017758 [T3, T9]; RS0113932).
[22] 3.2. Die Bestimmung des „an erster Stelle in der betreffenden Branchenliste des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aufscheinenden Sachverständigen“ in Punkt XIII. des Mietvertrags bezweckt objektiv erkennbar die Bestimmung einer konkreten Person aus einer fachlich befähigten Gruppe zum Schiedsgutachter, dem die Preisbestimmung obliegen sollte. Dazu steht fest, dass in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geführten „entsprechenden Branchenliste“ kein Eintrag vorhanden war (und ist). Dieser Umstand erfordert eine (ergänzende) Vertragsauslegung.
[23] 3.3. Da die Parteien bei Vertragsabschluss auf den erstgereihten Sachverständigen der „entsprechenden Branchenliste“ abstellten, ein solcher aber beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nicht gelistet ist, entspricht es dem hypothetischen Willen, dass die Parteien, hätten sie einen solchen Fall bedacht, das örtlich nächste und sachlich zuständige listenführende Gericht (§ 3 SDG), also das Handelsgericht Wien gewählt hätten. Das hat bereits das Erstgericht zutreffend erkannt.
[24] 3.4. Der Vertrag stellt als Auswahlanforderung ausschließlich auf die „betreffende Branchenliste“, also auf ein bestimmtes Fachgebiet ab. Weitergehende Konkretisierungen sah der Vertrag nicht vor. Dass der von den Beklagten beauftragte Sachverständige nicht an erster Stelle der Liste des entsprechenden Fachgebiets eingetragen gewesen wäre, behauptet der Kläger nicht. Damit ist aber eine allfällige Einschränkung des sachlichen Wirkungsbereichs auf „Wohnbauförderungszwecke“ für die Frage, ob er als der vertraglich bestimmte Schiedsgutachter beauftragt werden durfte, ohne Belang.
[25] 4. Nach Punkt XIII. des Mietvertrags obliegt dem dort berufenen Sachverständigen bei Nichteinigung der Parteien die Feststellung des „vollen Schätzwerts“ des Superädifikats. Der Kläger vertritt dazu den Standpunkt, damit sei der Schätzwert nach § 15 Realschätzordnung vereinbart worden, der dem Verkehrswert des seit 1992 in Kraft stehenden Liegenschaftsbewertungsgesetzes entspreche. Im Kern stützt er seine Ansicht darauf, dass der im Vertrag verwendete Begriff „Schätzwert“ einem Vertragsmuster aus dem zeitlichen Geltungsbereich der Realschätzordnung entnommen worden sei.
[26] 4.1. Selbst der Kläger geht davon aus, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) in Geltung stand. Damit mag es zwar zutreffen, dass die Formulierung „voller Schätzwert“ auf einen älteren Vertrag zurück geht und damit an die bei dessen Abschluss geltende Realschätzordnung angelehnt ist. Das ändert aber nichts daran, dass die Bewertung nach dem erkennbaren Parteiwillen nach den Vorgaben des bei Vertragsabschluss bereits geltenden LBG zu erfolgen hatte, das auch für die Ermittlung des Wertes (Bewertung) von Überbauten im Sinn des § 435 ABGB heranzuziehen ist (§ 1 Abs 1 LBG).
[27] 4.2. Nach § 2 LBG (Bewertungsgrundsatz) ist – sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt – der Verkehrswert, also der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr erzielt werden kann, zu ermitteln. Als allgemeine Regeln für die Bewertung (und damit für die Ermittlung des Verkehrswerts einer Sache) kommen nach§ 3 LBG das Vergleichswertverfahren (§ 4), das Ertragswertverfahren (§ 5) und das Sachwertverfahren (§ 6) in Betracht. Im Sachwertverfahren (§ 6 LBG) ist der Wert der Sache durch Zusammenzählung des Bodenwerts, des Bauwerts und des Werts sonstiger Bestandteile sowie gegebenenfalls des Zubehörs der Sache zu ermitteln. Die Auswahl des Wertermittlungsverfahrens obliegt grundsätzlich dem Sachverständigen (§ 7 LBG).
[28] 4.3. Berücksichtigt man die Ausgangslage bei Abschluss des Vertrags, ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass mit der Wendung „voller Schätzwert“ in Punkt XIII. des Vertrags der Sachwert der Baulichkeiten mit deren Verkehrswert gleichzusetzen ist, und damit das Sachwertverfahren zur Ermittlung des Preises angesprochen wird:
[29] 4.3.1. Dieser Vertragspunkt trifft eine Regelung für die Beendigung des Mietverhältnisses und stellt die vertraglich vereinbarte Alternative zum Regelfall dar, dass der Eigentümer eines Superädifikats dieses bei Beendigung des Grundbenützungsverhältnisses auf Verlangen des Grundeigentümers zu entfernen hätte. Welche wertbildenden Umstände es dem Eigentümer eines Superädifikats nach endgültigem Ablauf des Mietvertrags ermöglichen sollen, das Superädifikat um einen über den Sachwert des Gebäudes hinausgehenden Kaufpreis zu veräußern, ist dabei nicht ersichtlich. In Ermangelung anderer anrechenbarer wertbildender Faktoren, wie etwa ein Bodenwert, verbleibt nur der Bauwert des Superädifikats.
[30] 4.3.2. Die gegenteilige Auffassung des Klägers zieht einen „Verkehrswert“ (des Superädifikats) heran, dem der Verkauf an einen Dritten inklusive eines Lagezuschlags und Aufschließungskosten zugrunde liegt. Damit unterstellt er eine Nutzungsbefugnis für das Grundstück und ignoriert, dass das Bestandverhältnis seit 2015 aufgelöst ist und er keine rechtliche Möglichkeit hat, einem potentiellen Käufer seines Superädifikats ein Recht auf dessen Verbleib am Grundstück der Beklagten zu verschaffen. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die vom Kläger angesprochene Lage an einem See nur zum Tragen kommen könnte, wenn der Erwerb des Superädifikats und des Mietrechts für einen Dritten eine wirtschaftliche Einheit darstellte, und deren Einfluss auf die Preisbildung maßgeblich von der verbleibenden Befugnis zur Grundbenützung abhängt. Eine solche Situation liegt hier gerade nicht vor.
[31] 4.3.3. Auch der Hinweis des Klägers, die Beklagten als ehemalige Vermieter könnten das Superädifikat selbst verwenden oder (unter Einräumung eines Nutzungsrechts) weiterveräußern, überzeugt nicht. Abzustellen ist auf den Preis, der bei Veräußerung der Sache im redlichen Geschäftsverkehr üblicherweise erzielt werden kann (§ 2 Abs 2 LBG). Damit ist der Wert der Sache, der für sie am Markt zu erlösen ist, gemeint, nicht aber die potentiellen Dispositionsmöglichkeiten der Beklagten als Grundeigentümer, die sich zum Erwerb des Superädifikats verpflichtet haben.
[32] 4.3.4. Nach dem insoweit klaren Wortlaut des Vertrags sind „nur die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten“ abzulösen. Deren (Sach‑)Wert war durch den Schiedsgutachter zu bestimmen. Ob der vom Sachverständigen festgesetzte Betrag für die Vertragsparteien verbindlich ist und daher vom Erstgericht zu Recht zugesprochen wurde, kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden.
[33] 5. Das Ergebnis eines Schiedsgutachtens ist für die Parteien und das Gericht grundsätzlich materiell-rechtlich bindend. Diese Rechtsfolge entspricht dem Zweck des Schiedsgutachtens, einem zeitaufwändigen und kostspieligen Rechtsstreit vorzubeugen. Aus diesem Grund soll das Schiedsgutachten nicht jeder beliebigen Anfechtung ausgesetzt sein, andererseits aber auch keine absolute Gültigkeit haben (RS0106359). Nicht bindend ist ein Schiedsgutachten ausnahmsweise – als offenbar unbillig – dann, wenn es den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und seine Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängt. Nicht jede objektive Unrichtigkeit oder Sachwidrigkeit bewirkt allerdings schon eine qualifizierte Unrichtigkeit (RS0016769 [T2]).
[34] 5.1. Der Kläger hat die offenbare Unbilligkeit des vom Schiedsgutachter festgesetzten Preises eingewendet und dazu in erster Instanz die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das Berufungsgericht hat sich ausgehend von der Ansicht, dass das Erstgericht (weil der Kläger von der seiner Meinung nach berechtigten Ablöseforderung ein Benützungsentgelt von 30.000 EUR abgezogen hatte) „im Ergebnis – wenn auch offenbar unbedacht – einen Ablösebetrag von insgesamt 42.900 EUR für berechtigt erkannt“ habe, mit diesem Einwand nicht auseinander gesetzt und die Mängelrüge des Klägers, weil das Erstgericht die Einholung eines Gutachtens unterließ, nicht erledigt. Diese Überlegungen des Berufungsgerichts sind nicht schlüssig.
[35] 5.2. Der Abzug einer offensichtlich als berechtigt anerkannten Forderung der Gegenseite (hier von Entgelt für die über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinausgehende Benützung der Liegenschaft) von der Klageforderung mag als (stillschweigende) Tilgungserklärung zu verstehen sein (vgl RS0033888 [T3]). Im Prozess kann die Aufrechnung nämlich auch als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine (vor oder während des Prozesses) bereits vollzogene (außergerichtliche) Aufrechnung stützt, geltend gemacht werden (RS0033915 [T2]). Das setzt die Anerkennung der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, voraus (hier also der Forderung der Beklagten auf Benützungsentgelt) und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (RS0033970).
[36] 5.3. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass der Begründungsansatz des Berufungsgerichts letztlich nur dazu führen könnte, dass die vom Erstgericht als berechtigt angesehene (und dem Kläger zugesprochene) Ablösesumme von 12.900 EUR wegen des Schuldtilgungseinwands durch Aufrechnung mit der von ihm als berechtigt anerkannten Forderung der Beklagten erloschen wäre. Dann hätte konsequenter Weise auch kein Zuspruch an den Kläger stattfinden dürfen. Keinesfalls resultiert daraus ein zugunsten des Klägers „als berechtigt erkannter Ablösebetrag von insgesamt 42.900 EUR“. Im Gegenteil: Allenfalls verbliebe im Ergebnis eine aus der vom Kläger anerkannten Forderung resultierende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von restlichen 17.100 EUR.
[37] Ob der Kläger mit seiner Erklärung tatsächlich auf ein solches Ergebnis abstellen wollte, eine Forderung der Beklagten also auch für den Fall anerkennen wollte, dass sie seinen Anspruch erreicht oder gar übersteigt, kann hier dahinstehen, weil der Zuspruch von 12.900 EUR an den Kläger in Rechtskraft erwachsen ist. Hier genügt die Konstatierung, dass die Erledigung der Mängelrüge des Klägers aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht des Berufungsgerichts unterblieb.
[38] 5.4. Da das Berufungsgericht die Verfahrensrüge des Klägers wegen einer nicht tragfähigen Rechtsansicht unterlassen hat, liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor, den der Kläger zu Recht gemäß § 503 Z 2 ZPO geltend macht (RS0043086). Aufgrund der mangelhaften Erledigung der Verfahrensrüge durch das Berufungsgericht fehlt es an einer gesicherten Tatsachengrundlage für die Beurteilung des Einwands des Klägers, der vom Sachverständigen ermittelte und vom Erstgericht zuerkannte Ablösebetrag sei offenbar unbillig (dazu Pkt 5.). Das führt zur Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts, das sich mit der Mängelrüge des Klägers auseinanderzusetzen haben wird.
[39] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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