European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00201.24S.1127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (hierin enthalten 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die beklagte Makler‑GmbH wurde im Frühjahr 2021 von der bücherlichen Alleineigentümerin einer Liegenschaft (im Folgenden: Verkäuferin) mit deren Verkauf beauftragt und inserierte daraufhin das Objekt (Grundstück samt darauf errichtetem Einfamilienhaus) auf einer Internet‑Plattform. Die Verkäuferin war damals die Lebensgefährtin des (Halb‑)Bruders des Geschäftsführers der Beklagten. Weder im Inserat noch sonst wies die Beklagte die Klägerin auf ein Naheverhältnis zur Verkäuferin hin.
[2] Die Klägerin besichtigte das Objekt im Mai 2021 und gab am 17. Mai 2021 ein Kaufanbot ab, das von der Verkäuferin angenommen wurde. Am 25. Juni 2021 unterfertigten die Klägerin und die Verkäuferin einen schriftlichen Kaufvertrag. Die Übergabe der Liegenschaft erfolgte Ende Dezember 2021.
[3] Bereits vor der Übergabe, nämlich im August 2021, hatten die Verkäuferin und der Bruder des Geschäftsführers der Beklagten anlässlich der Auflösung ihrer Lebensgemeinschaft eine schriftliche Vereinbarung über die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens geschlossen. Darin hielten sie im Bezug auf das von der Klägerin gekaufte Grundstück fest, dass sie dieses seinerzeit gemeinsam angekauft und darauf gemeinsam „eine Liegenschaft“ (gemeint: ein Haus) errichtet hatten und, dass aus dem Kaufpreis zunächst die (hypothekarisch besicherten) Kreditverbindlichkeiten abgedeckt werden sollten und der Restbetrag zwischen ihnen aufgeteilt werde.
[4] Nach Abschluss des Kaufvertrags stellte die Beklagte der Klägerin eine Vermittlungsprovision in Höhe von 23.400 EUR in Rechnung, die die Klägerin auch beglich.
[5] Die Klägerin begehrt, gestützt auf § 6 Abs 4 MaklerG, die Rückzahlung der von ihr geleisteten Maklerprovision. Sie habe erst im Nachhinein durch Zufall erfahren, dass es sich beim (früheren) Lebensgefährten der Verkäuferin um den Bruder des Geschäftsführers der Beklagten handle. Aus der im August 2021 geschlossenen Aufteilungsvereinbarung ergebe sich, dass der Bruder des Geschäftsführers der Beklagten als „wirtschaftlicher Eigentümer“ der Liegenschaft anzusehen gewesen sei. Es habe daher eine aufklärungspflichtige Interessenkollision einerseits aufgrund der Lebensgemeinschaft zwischen der Verkäuferin und dem Bruder des Geschäftsführers der Beklagten und anderseits aufgrund dessen wirtschaftlicher Miteigentümerschaft bestanden.
[6] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, ihr Geschäftsführer stehe in keinem Verwandtschaftsverhältnis zur Verkäuferin, sodass darüber auch nicht aufzuklären gewesen sei. Verwandtschaft hätte hier nur allenfalls durch Ehe begründet werden können. Es sei auch zu keiner Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin gekommen.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Bedachtnahme auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem wirtschaftlichen Eigentümer der Liegenschaft liege ein familiäres und wirtschaftliches Naheverhältnis vor, das geeignet gewesen sei, die Wahrung der Interessen der Klägerin zu beeinträchtigen.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Ein wirtschaftliches Naheverhältnis der Beklagten bzw ihres Geschäftsführers bestehe weder zur Verkäuferin noch zu deren ehemaligem Lebensgefährten. Auch die Beklagte gehe allerdings davon aus, dass der Halbbruder ihres Geschäftsführers „wirtschaftlicher Miteigentümer“ der Liegenschaft gewesen sei. § 6 Abs 4 MaklerG spreche von einem „familiären“ Naheverhältnis, nicht von einem solchen zwischen Verwandten in gerader Linie oder „nahen Angehörigen“. Schon nach dem Wortlaut der Bestimmung bestehe kein Anlass, die familiäre Beziehung zwischen Halbgeschwistern nicht als „familiäres Naheverhältnis“ zu verstehen. Die Beklagte hätte deshalb – bei sonstigem Verlust ihres Provisionsanspruchs – auf diesen Umstand hinweisen müssen.
[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, welche familiären Beziehungen unter „familiäres Naheverhältnis“ iSd § 6 Abs 4 MaklerG insbesondere dann zu subsumieren sind, wenn – wie hier – nicht gleichzeitig auch ein wirtschaftliches Naheverhältnis des Maklers zum Dritten besteht.
[10] Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens an.
[11] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[13] 1. Dem Makler steht gemäß § 6 Abs 4 erster Satz MaklerG keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird. Dies gilt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung auch dann, wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt. Bei einem sonstigen familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnis zwischen dem Makler und dem vermittelten Dritten, das die Wahrung der Interessen des Auftraggebers beeinträchtigen könnte, hat der Makler nach Satz 3 der zitierten Bestimmung nur dann Anspruch auf Provision, wenn er den Auftraggeber unverzüglich auf dieses Naheverhältnis hinweist.
[14] 2. Ist der Auftraggeber – wie hier unstrittig die Klägerin – Verbraucher, hat dieser Hinweis gemäß § 30b Abs 1 KSchG vor Abschluss des Maklervertrags schriftlich zu erfolgen. Diese Regelung stellt gemäß § 31 Abs 2 KSchG zwingendes Recht dar, von dem zu Lasten des Verbrauchers nicht abgegangen werden darf (vgl RS0114076). Entscheidend ist, dass den Makler die Pflicht zur Aufklärung vor Aufnahme seiner Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber trifft, weil Letzterer nur dann die Möglichkeit hat, sein Einverständnis mit der Tätigkeit des Maklers in Bezug auf die in Nahebeziehung stehende Person erkennen zu geben, bevor der Makler seine Tätigkeit erbracht bzw vollendet hat (1 Ob 201/07a). Mit dem in der – der Klägerin erst nach dem ersten Besichtigungstermin übermittelten (und mit ihr auch gar nicht näher erörterten) – Nebenkostenübersicht enthaltenen und inhaltlich unkonkretisierten Hinweis „Der Makler steht mit dem zu vermittelnden Dritten in einem familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnis“ hat die Beklagte ihrer Verpflichtung gemäß § 6 Abs 4 MaklerG also jedenfalls nicht entsprochen.
[15] 3. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass von einem wirtschaftlichen Naheverhältnis hier keine Rede sein kann. Der auch in der Revisionsbeantwortung wiederholte Hinweis der Klägerin auf das „wirtschaftliche Miteigentum“ des Bruders des Geschäftsführers der Beklagten kann nämlich ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen dem Makler und der Verkäuferin von vornherein nicht begründen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut genügt allerdings ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis.
[16] 4. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dem Gesetz keineswegs entnehmen, dass das Vorliegen eines familiären Naheverhältnisses iSd § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG nur in den Fällen der gesetzlichen Erbberechtigung iSd § 730 ABGB zu bejahen wäre. Abgesehen davon übersieht die Beklagte bei dieser Argumentation, dass § 731 ABGB als gesetzliche Erben nicht bloß die Kinder des Erblassers und deren Nachkommen (erste Linie) definiert, sondern auch seine Eltern und deren Nachkommen, also seine Geschwister und deren Nachkommen (zweite Linie). Es kann deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und seinem (Halb‑)Bruder ein familiäres Naheverhältnis besteht.
[17] 5. Allerdings greift die (primäre) Bezugnahme der Vorinstanzen auf das familiäre Naheverhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und seinem Bruder insofern zu kurz, als es nach dem Wortlaut des § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG auf ein solches Naheverhältnis zum „vermittelten Dritten“ ankommt. „Vermittelter Dritter“ ist aber jene Person, mit der der Vertrag letztlich zustande kommt, hier also die bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft.
[18] 6. Von entscheidender Bedeutung ist daher, ob zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der (damaligen) Lebensgefährtin seines Halbbruders ein familiäres Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG besteht (bzw bei Abschluss des Maklervertrags mit der Klägerin bestand).
[19] 6.1. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG nicht auf „nahe Angehörige“ oder „Verwandte“ abstellt. Insofern geht die Argumentation der Beklagten, ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihrem Geschäftsführer und der Eigentümerin hätte nur durch eine Eheschließung zwischen dieser und seinem Bruder begründet werden können, an der Sache vorbei.
[20] 6.2. Im Hinblick auf den in Punkt 2. dargelegten Zweck der Aufklärungspflicht des Maklers iSd § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG, den Auftraggeber rechtzeitig über das bestehende Naheverhältnis (also die „Befangenheit“) des Maklers zu informieren, und den Umstand, dass das MaklerG nicht näher regelt, welcher Personenkreis in einem „familiären Naheverhältnis“ steht, liegt es zunächst nahe, einen Vergleich mit den (auf familiäre Verhältnisse abstellenden) Regelungen über die Ausgeschlossenheit von Richtern (§ 20 Abs 1 Z 2 JN und § 43 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 72 Abs 1 StGB) und über Aussageverweigerungsrechte (bzw die Aussagebefreiung) von Zeugen (§ 321 Abs 1 Z 1 ZPO und § 156 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 72 Abs 1 StGB) anzustellen.
[21] 6.3. Dabei fällt auf, dass in sämtlichen genannten Bestimmungen zwar (auch) auf verschwägerte Personen (also Ehegatten oder eingetragene Partner von Geschwistern der betreffenden Person) und (anders als in § 72 Abs 1 StGB) in § 20 Abs 1 Z 2 JN und § 321 Abs 1 Z 1 ZPO auf Lebensgefährten der betreffenden Personen abgestellt wird, nicht aber auch auf die Lebensgefährten ihrer Geschwister.
[22] 6.4. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine zu massive Ausweitung der Aussageverweigerungsrechte von Zeugen (oder auch der Ausgeschlossenheit von Richtern) dem Ziel des Gesetzgebers, eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, zuwiderliefe. Umgekehrt ist bereits seit dem FamRÄG 2009 eine Tendenz des Gesetzgebers ersichtlich, in zahlreichen Bestimmungen – im Sinn der Lebensrealität – die Lebensgefährten den Ehegatten gleichzustellen.
[23] 6.5. Ausgehend davon kommt der Senat zum Ergebnis, dass ein familiäres Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG nicht auf Ehegatten der Geschwister des Maklers (bzw wie hier des Geschäftsführers der Makler‑GmbH) beschränkt ist, sondern auch in Bezug auf Lebensgefährten der Geschwister des Maklers zu bejahen ist.
[24] 7. Für das Bestehen der Hinweispflicht des Maklers genügt es, dass bei objektiver Betrachtung eine Beeinträchtigung der Auftraggeberinteressen nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Durch die Verwendung des Konjunktivs („könnte“) ist eine eher weite Interpretation für das Vorliegen der Aufklärungspflicht anzunehmen (1 Ob 79/01a = RS0114077 [T1]). Es kommt also nicht darauf an, ob die Interessen der Klägerin im konkreten Fall tatsächlich beeinträchtigt wurden.
[25] 8. Bei Verletzung der schriftlichen Hinweispflicht entsteht ein Anspruch des Maklers auf die Vermittlungsprovision gar nicht (vgl RS0115498). Bei einem Verstoß gegen § 6 Abs 4 MaklerG können Provisionszahlungen als rechtsgrundlose Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1431 ABGB zurückgefordert werden (3 Ob 236/22k mwN).
[26] 9. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
[27] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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