European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00050.24Z.1008.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Bezeichnung auf Antragsgegnerseite wird auf die vormalige Zweit‑ und nunmehrige Alleinantragsgegnerin richtiggestellt.
II. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.355,90 EUR (darin enthalten 392,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der am 14. 3. 2023 verstorbene (vormalige) Erstantragsgegner (idF: auch Verstorbener) war mit der Mutter der Antragstellerin verheiratet. Bis zu ihrem Ableben war diese zur Hälfte Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Einfamilienhaus. Je ein Viertel an dieser Liegenschaft standen im Eigentum des Verstorbenen und der Antragstellerin. Das Haus diente den Eheleuten als Ehewohnung, die auch die gesamte Liegenschaft nutzten. Aufgrund eines im Verlassenschaftsverfahren nach der Mutter der Antragstellerin abgeschlossenen Erbteilungsübereinkommens wurde das Eigentumsrecht an dieser Liegenschaft je zur Hälfte für die Antragstellerin und den Verstorbenen einverleibt.
[2] Nach dem Ableben der Mutter der Antragstellerin nutzte der Verstorbene die Liegenschaft und das darauf befindliche Einfamilienhaus zunächst alleine weiter. Am 8. 9. 2014 heiratete er die nunmehrige Alleinantragsgegnerin, der er mit Übergabevertrag vom 14. 10. 2019 die Hälfte seines Miteigentumsanteils an der Liegenschaft schenkte, sodass er sowie die Antragsgegnerin je zu einem Viertel und die Antragstellerin zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft waren. Nach Einantwortung seines Nachlasses an sie ist nunmehr die Antragsgegnerin ebenfalls zur Hälfte Eigentümerin.
[3] Im Dezember 2015 hatte der Verstorbene das Schloss zum Haus ausgewechselt. Der Antragstellerin händigte er keinen Schlüssel aus, weil er – sinngemäß – nicht wollte, dass sie in seine Wohnung komme.
[4] Die Antragstellerin begehrt die Zahlung eines Benützungsentgelts und die Feststellung, dass die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf unentgeltliche Nutzung ihres Hälfteanteils an der Liegenschaft habe.
[5] Die Antragsgegnerin wendete ein, der vormalige Erstantragsgegner habe das Haus über 50 Jahre bewohnt; als Erbe nach seiner im Jahr 2005 verstorbenen Ehefrau sei ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht zugekommen, in der vormaligen Ehewohnung weiter zu wohnen, sodass keine übermäßige Nutzung der Liegenschaft vorgelegen habe.
[6] Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung von 26.629,20 EUR samt Zinsen von 8. 4. 2020 bis 14. 11. 2020 und gab dem Feststellungsbegehren statt. Ein Zahlungsmehrbegehren sowie ein weiteres Feststellungsbegehren wies es ab. Jeder Miteigentümer könne ein anteiliges Benützungsentgelt für die übermäßige Nutzung der gemeinsamen Sache durch einen anderen Miteigentümer ab Zugang des ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs gegen die übermäßige Benützung durch den anderen verlangen. Zwar komme nach § 758 ABGB in der zum Todeszeitpunkt der Mutter der Antragstellerin geltenden Fassung dem überlebenden Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden sei, als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht zu, in der Ehewohnung weiter zu wohnen. Aufgrund des Unterhaltscharakters des Wohnrechts, das als „erbrechtliche Fortsetzung“ im Sinn des § 97 ABGB angesehen werde, sei jedoch davon auszugehen, dass dieses mit der Wiederverehelichung erlösche. Damit sei dem Erstantragsgegner als bloßem Miteigentümer der Liegenschaft nach dem Ableben seiner ersten Ehefrau am 8. 4. 2005 zwar bis zu seiner Wiederverehelichung am 8. 9. 2014 die unentgeltliche Nutzung der vormaligen Ehewohnung als gesetzliches Vorausvermächtnis zugekommen, mit seiner Wiederverehelichung sei dieses Recht jedoch erloschen. Ab dem mit 8. 4. 2020 wirksamen Widerspruch der Antragstellerin gegen die übermäßige Nutzung stehe ihr daher ein Benützungsentgelt zu.
[7] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es teilte dessen Ansicht, dass das gesetzliche Vorausvermächtnis mit der Wiederverehelichung des Verstorbenen erloschen sei, und ließ den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zu, weil diese Frage in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sei.
Zu I.:
[8] Der vormalige Erstantragsgegner verstarb am 14. 3. 2023, worauf das Erstgericht die Bezeichnung des Erstantragsgegners auf dessen Verlassenschaft berichtigte. Mit ihrem Revisionsrekurs legte die zunächst Zweitantragsgegnerin den Einantwortungsbeschluss des Verlassenschaftsgerichts vor, nach dem ihr die Verlassenschaft nach dem ursprünglichen Erstantragsgegner zur Gänze eingeantwortet worden ist. Die Parteienbezeichnung ist damit auf die vormalige Zweitantragsgegnerin als Erbin und nunmehrige Alleinantragsgegnerin richtigzustellen (RS0039666 [T5, T19]).
Zu II.:
Rechtliche Beurteilung
[9] Der von der Antragstellerin beantwortete Revisionrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[10] 1. Über die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs liegt eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung vor (RS0035572).
[11] 2. Das gesetzliche Vorausvermächtnis gewährt dem überlebenden Ehegatten einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten, in der gemeinsamen Ehewohnung im inhaltlich gleichen Umfang weiter zu wohnen (RS0012822 [T1]; RS0012824 [T3]). Das bisherige, gegen den Ehegatten zustehende Benützungsrecht des überlebenden Ehegatten setzt sich als Anspruch gegen den Erben (Vermächtnisschuldner) fort (RS0012824).
[12] 2.1. Das Recht des überlebenden Ehegatten zur Benützung der bisherigen Ehewohnung ist nach allgemeiner Auffassung bedarfsunabhängig (6 Ob 233/04i; Musger in KBB7 § 745 Rz 5 mwN) und setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass ein Recht in den Nachlass fällt, über das der verstorbene Ehegatte verfügen konnte (RS0030723). Es ist weder übertragbar noch vererblich und erlischt aufgrund seines persönlichen Charakters jedenfalls mit dem Tod des Berechtigten (6 Ob 233/04 mwN; Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2018] § 745 ABGB Rz 21; Welser in Rummel, ABGB4 § 758 Rz 16).
2.2. Spätestens mit dem Tod des vormaligen Erstantragsgegners ist sein aus dem Vorausvermächtnis abgeleitetes Wohnrecht untergegangen, sodass es auch nicht in seinen Nachlass fallen konnte (vgl RS0030723). Damit kann sich die Antragsgegnerin – unabhängig von der Frage, ob es nicht bereits zuvor durch die Wiederverehelichung erloschen ist – keinesfalls auf ein eigenes, von ihrem verstorbenen Mann abgeleitetes Recht, im Haus aus dem Titel des gesetzlichen Vorausvermächtnisses weiter zu wohnen, berufen, wie sie in ihrem Revisionsrekurs meint.
[13] 2.3. Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass dem vormaligen Erstantragsgegner das Vorausvermächtnis des Wohnrechts am gesamten Haus als der ehemaligen Ehewohnung zustand. Da dieses Recht jedenfalls mit seinem Ableben vor Beschlussfassung in erster Instanz endete, ist das von der Antragstellerin erhobene Feststellungsbegehren gegenüber der Antragsgegnerin schon aus diesem Grund berechtigt. Die Frage, ob das Recht aus dem Vorausvermächtnis mit der Wiederverehelichung des Berechtigten erloschen ist, bedarf dennoch einer Klärung, um das von ihr erhobene Zahlungsbegehren beurteilen zu können. Dass der Antragstellerin ein Benützungsentgelt zusteht, sollte das Wohnrecht durch die Wiederverehelichung erloschen sein, ist ebenso wenig Thema des Revisionsrekursverfahrens wie dessen Höhe.
[14] 3. Die Mutter der Antragstellerin ist im Jahr 2005 verstorben. Damit ist § 758 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015, BGBl 2015/87, anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB). Diese Regelung entspricht inhaltlich dem nunmehrigen § 745 Abs 1 ABGB idF ErbRÄG 2015 (ErläutRV 688 BlgNR XXV. GP 21) und hatte folgenden Wortlaut:
„Sofern der Ehegatte nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.“
[15] 3.1. Zur Frage, ob das gesetzliche Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten erlischt, wenn er sich wieder verehelicht, hat der Obersten Gerichtshof bislang noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. In der Entscheidung zu 6 Ob 132/97y konnte diese Frage offen gelassen werden.
[16] 3.2. In der Lehre ist umstritten, ob die Wiederverehelichung des Berechtigten zum Erlöschen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses führt (Musger in KBB7 § 745 ABGB Rz 5; Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2018] § 745 ABGB Rz 21).
[17] 3.2.1. Welser (in Erbrechts‑Kommentar, § 745 ABGB Rz 19) geht davon aus, dass das Wohnrecht auch bei einer Wiederverehelichung nicht erlischt. Das Gegenteil müsste auch zu Komplikationen mit § 780 (Anm.: ABGB idF BGBl 2015/87) führen, wonach der Voraus auf den Pflichtteil anzurechnen ist, sodass eine Neuberechnung der Pflichtteile vorgenommen werden müsste (so schon ders in Rummel/Lukas, ABGB4 § 758 Rz 13).
[18] 3.2.2. Nach Scheuba (in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 745 Rz 9 und in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge § 5 Rz 51) vertrete die herrschende Ansicht, dass das Benützungsrecht des überlebenden Ehegatten bei Wiederverehelichung nicht erlösche; ein eigener Standpunkt findet sich in diesen Belegstellen jedoch nicht.
[19] 3.3.3. Christandl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 745 ABGB Rz 106, verweist darauf, dass das Wohnrecht des hinterbliebenen Ehegatten nicht bedarfsabhängig sei und somit unabhängig von einem konkreten Wohnbedarf des hinterbliebenen Ehegatten entstehe. Daraus folge, dass es auch für den Fortbestand des Wohnrechts auf kein konkretes Wohnbedürfnis ankomme und somit eine Wiederverheiratung keinerlei Auswirkungen auf das erbrechtliche Wohnrecht habe. Eine Analogie zum Anspruch auf Unterhalt gemäß § 747 ABGB, der mit Wiederverheiratung erlösche, erscheine nicht geboten.
[20] 3.3.4. Schauer (Neues Erbrecht ab 1991, RdW 1990, 70 [72]) und Eccher (Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, wobl 1991, 1 [6]) gingen bereits zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 davon aus, dass das Vorausvermächtnis des Wohnrechts – ähnlich wie das Recht nach § 97 ABGB – unterhaltsähnlichen Charakter habe, weswegen es dem überlebenden Ehegatten in Analogie zu § 796 aF ABGB (nunmehr § 747 ABGB) iVm § 94 ABGB nur bis zur Wiederverheiratung zustehe.
[21] 3.3.5. Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 (2018) § 745 ABGB Rz 21, hält fest, dass die Frage, ob sich aus dem Unterhaltscharakter des Wohnrechts in Analogie zu § 796 (aF; nunmehr § 747) iVm § 94 ABGB ableiten lasse, dass es dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partner nur bis zu seiner (Wieder‑)Verheiratung bzw (Wieder‑)Eintragung einer Partnerschaft zustehe, strittig sei, bejaht sie jedoch im Ergebnis.
[22] 3.3.6. Auch Zankl (Erbrecht9 Rz 16) vertritt in Abkehr seiner ursprünglichen Auffassung (dazu „Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten“, 242 ff [1996]) ebenfalls, dass das Vorausvermächtnis des Wohnrechts bei Wiederverhelichung erlischt.
[23] 3.3.7. Ferrari, Likar‑Peer (in Ferrari/ Likar‑Peer, Erbrecht2 Kap 4 Rz 4.62 [Stand 1. 7. 2020, rdb.at]) lehren, dass das Vorausvermächtnis des Wohnrechts eine Fortsetzung des zu Lebzeiten des Verstorbenen bestehenden Rechts nach § 97 ABGB (§ 9 EPG) sei und ähnlich wie dieses iwS unterhaltsrechtlichen Charakter habe, weswegen von einem Erlöschen des Rechts bei Wiederverehelichung auszugehen sei.
[24] 3.3.8. Darüber hinaus befürworten auch Hopf/Kathrein ein Erlöschen bei Wiederverheiratung (Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 758 ABGB Rz 6), weil der überlebende Ehegatte dann mit seinem Interesse auf Erhaltung der gewohnten Umgebung zu Lasten der Erben nicht mehr schützenswert sei.
4. Stellungnahme:
[25] 4.1. Das gesetzliche Vorausvermächtnis wurde ursprünglich mit der 1. TN 1914 als § 758 aF ABGB eingeführt. Es bezweckte, dem überlebenden Ehepartner, die gewohnte häusliche Umgebung zu erhalten (zur Normentwicklung: Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 745 Rz 1). Auch die Novellierung dieser Bestimmung durch das ErbRÄG 1989, BGBl 1989/656, hatte das Ziel, die Rechte des überlebenden Ehegatten zu stärken. Die Materialien (JAB 1158 BlgNR 17. GP 3) zu § 758 aF ABGB betonen dazu unter anderem mit Verweis auf § 97 ABGB den bereits bestehenden Schutz des Ehegatten vor dem Verlust der Ehewohnung, die einem existentiellen Bedürfnis diene, und verweisen darauf, dass dieser Schutz nicht lückenlos sei:
„Es kann vorkommen, besonders wenn die Wohnung allein dem verstorbenen Ehegatten gehört hat und der Hauptwert des Nachlasses ist, daß sie zur Befriedigung der Miterben veräußert werden muß oder die Miterben die Wohnung zu Zwecken der Zivilteilung veräußern. Daher soll das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten auf das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, ausgedehnt werden und so in Fortführung des Gedankens, daß nach dem Tod eines Ehegatten dem anderen die gewohnte Umgebung erhalten bleiben soll, der Schutz des hinterbliebenen Ehegatten verbessert werden.“
[26] 4.2. Das Vorausvermächtnis bezweckt daher, dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse zu erhalten und zu sichern, solange er die Wohnung persönlich beansprucht (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) und nicht verzichtet (Musger in KBB7 § 745 ABGB Rz 6). Der Tod eines der Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits wiederholt betont, dass der Anspruch auf die Ehewohnung nach dem Ableben eines der Ehegatten inhaltlich gleich bleibt. Das bisher gegenüber dem Ehegatten zustehende Benützungsrecht (§ 97 ABGB) setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort (RS0012824; 1 Ob 2364/96w). Bereits zu 1 Ob 25/06t wurde daher festgehalten, dass der „gesetzliche Voraus“ dem im Familienrecht begründeten Wohnrecht vergleichbar sei, womit ihm Unterhalts‑ und Pflichtteilscharakter zukomme.
[27] 4.3. Am Unterhaltscharakter des Vorausvermächtnisses ist festzuhalten. Es soll sicherstellen, dass die Wohnumgebung den bisherigen Lebensverhältnissen entspricht und zielt damit auf die durch den Tod aufgelöste eheliche Gemeinschaft ab. Die Materialien zu § 758 aF ABGB (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) knüpfen dazu an den Begriff der „Ehewohnung“ nach § 81 Abs 2 EheG an und stellen damit auf „[einen] Verband [ab], der der Abwicklung des ehelichen Lebens dient und in dem die Haushaltsführung, Pflege und Erziehung der Kinder gewöhnlich stattfinden“ (dazu 7 Ob 395/03p mwN). Der aus dem Eheverhältnis abgeleitete Anspruch setzt sich insoweit nach dem Ableben eines der Ehepartner fort. Mit der Wiederverehelichung des überlebenden Ehepartners ändert sich das Umfeld in sozialer und familienrechtlicher Hinsicht in einem Ausmaß, dass die ursprüngliche, durch den Tod aufgelöste Gemeinschaft in den Hintergrund rückt. Der Schutz der bisherigen Lebensverhältnisse, wie ihn das Vorausvermächtnis bezweckt, ist damit nicht mehr erforderlich. Mit Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 758 ABGB Rz 6, ist daher davon auszugehen, dass der wiederverheiratete Berechtigte in seinem Interesse auf Erhaltung der bisher gewohnten Umgebung zu Lasten der Erben nicht mehr schützenswert ist.
[28] 4.4. Nach Ansicht des Senats sprechen damit die besseren Gründe für ein Erlöschen des Wohnrechts bei Wiederverehelichung des Berechtigten:
[29] 4.4.1. Zwischen dem Berechtigten und dem Vermächtnisschuldner besteht ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis, das aus wichtigem Grund beendet werden kann (7 Ob 295/03p). Damit ist grundsätzlich anerkannt, dass auf das Wohnrecht aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis nicht nur (konkludent) verzichtet werden kann, sondern darüber hinaus besondere Gründe zu dessen Beendigung führen können.
[30] 4.4.2. Für das Recht auf Unterhalt des Ehepartners normierte bereits § 796 ABGB aF (wie nunmehr § 747 ABGB) durch den Verweis auf § 94 ABGB einen Anspruch wie bei bestehender Ehe, der erlischt, wenn der überlebende Teil wieder eine Ehe eingeht. Die mit § 747 ABGB inhaltlich unverändert übernommene Bestimmung stellt damit auf die zu Lebzeiten beider Eheteile bestehende konkrete Situation ab und berücksichtigt die durch die Wiederverehelichung eingetretene Änderung der Umstände. Ausgehend von der Überlegung, dass sowohl das Vorausvermächtnis nach § 758 aF ABGB (nunmehr § 747 ABGB) als auch die Regelung über den Unterhalt des überlebenden Ehepartners den Zweck verfolgen, nach dem Ableben eines der Partner dem anderen die gewohnten Lebensverhältnisse zu sichern, ist kein Grund ersichtlich, dass die durch die Wiederverehelichung des überlebenden Ehegatten eingetreten Änderung der Umstände verschieden behandelt wird.
[31] 4.4.3. Beide Bestimmungen geben dem überlebenden Ehepartner Ansprüche, die auf dem Familienrecht beruhen, und verfolgen vergleichbare Zwecke, sodass es zu einem Wertungswiderspruch führen würde, wollte man die Wiederverehelichung des Berechtigten im Anwendungsbereich des § 758 aF ABGB (nunmehr § 745 ABGB) unberücksichtigt lassen, obwohl das Gesetz in einem solchen Fall ausdrücklich das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs anordnet. Das gesetzliche Vorausvermächtnis setzt das gegen den verstorbenen Ehegatten zu Lebzeiten zugestandene Benützungsrecht fort (RS0012824) und leitet sich daher wie der Unterhaltsanspruch vom verstorbenen Ehepartner ab. Ihm kommt ebenfalls Unterhaltscharakter zu (1 Ob 25/06t), sodass eine Rechtslücke im Sinn des § 7 ABGB vorliegt, die eine Analogie rechtfertigt.
Zusammenfassung:
[32] Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Wohnrechts nach § 758 aF ABGB (nunmehr § 745 ABGB) resultiert ebenso wie der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehepartners (§ 747 ABGB idgF) auf dem Familienrecht und hat ebenfalls Unterhaltscharakter. Es erlischt wie das Recht auf Unterhalt bei Wiederverehelichung des Berechtigten (§ 747 iVm § 94 ABGB analog).
[33] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG. Für die Rechtsmittelbeantwortung gebührt jedoch kein Streitgenossenzuschlag.
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