OGH 7Ob138/24f

OGH7Ob138/24f23.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 9.252 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 5. Juni 2024, GZ 22 R 138/24m‑66, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 22. März 2024, GZ 9 C 595/20b‑60, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00138.24F.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Die Revisionswerberin kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 1.1. Zur Höhe des Schadenersatzanspruchs betreffend den Minderwert des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs judiziert der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung 10 Ob 27/23b, dass der zu ersetzende Betrag grundsätzlich im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung – selbst mit Übergehung eines von einer Partei angebotenen (etwa: Sachverständigen‑)Beweises – innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des Kaufpreises festzusetzen ist (RS0134498). Ebenso wurde aber auch bereits mehrmals entschieden, dass dies nicht ausschließt, dass der Minderwert exakt festgestellt wird und der Käufer dessen Ersatz verlangen kann (RS0134498 [T6]), mag er auch über die genannte Bandbreite hinausgehen. Dafür bedarf es Feststellungen zu einer allfälligen Wertdifferenz im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, insbesondere dazu, welchen Verkehrswert das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung aufwies bzw zu welchem Preis ein solches Fahrzeug (damals) gehandelt worden wäre (10 Ob 7/24p mwN = RS0113651 [T6]).

[3] 1.2. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall bildet regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).

[4] Die hier getroffenen Feststellungen sind mit den der Entscheidung zu 5 Ob 61/24t zugrunde liegenden nahezu identisch (ähnlich auch Feststellungen zu 9 Ob 52/24y). Wenn das Berufungsgericht daher die Feststellung des Erstgerichts dahin interpretierte, dass im Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs der bewiesene Minderwert 20 % betrug, hält sich dies im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums. Die Behauptung der Beklagten, der (zumindest) 20%ige Minderwert sei nach den Feststellungen davon abhängig, dass auch das Thermofenster vom (deutschen) Kraftfahrt‑Bundesamt als unzulässig festgestellt werde, trifft dies insofern nicht zu, als bloß vorausgesetzt wird, dass auch nach dem Software‑Update eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt („… [2x eine unzulässige Abschalteinrichtung] ...“). Das ist beim Fahrzeug des Klägers jedoch – im Revisionsverfahren unstrittig – der Fall.

[5] 2.1. Die Beklagte meint, der Nutzungsvorteil des Klägers (Benützungsentgelt für die gefahrenen Kilometer) sei auch auf den geltend gemachten Minderwert als Vorteil anzurechnen.

[6] 2.2. Zu 3 Ob 203/23h hielt der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in dem der Fahrzeughalter (ebenfalls) Schadenersatz in Höhe von 30 % des Kaufpreises als Minderwert begehrt hatte, dem Einwand der Vorteilsanrechnung die ständige Rechtsprechung entgegen, dass dies voraussetzen würde, dass das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch einen Vorteil im Vermögen des Geschädigten verursacht hat. Es muss sich um einen zeitlich und sachlich kongruenten Vorteil handeln, der durch das pflichtwidrige Handeln entsteht oder wenigstens im selben Tatsachenkomplex wurzelt (so bereits 5 Ob 100/22z). Die Vorteilsanrechnung setzt daher im Regelfall eine subjektiv‑konkrete Schadensberechnung voraus, wobei es bei der objektiven‑abstrakten Berechnung unerheblich ist, ob der Geschädigte die Sache nach Eintritt des Schadens veräußert hat und welchen Erlös er dadurch erzielte (4 Ob 3/19y mwN). Bei objektiv‑abstrakter Schadensberechnung ist ein Vorteil nur dann anrechenbar, wenn er am beschädigten Gut selbst entstanden ist (RS0022824 [T2]; 5 Ob 100/22z).

[7] 2.3. Dass die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger bis zu einem allfälligen Weiterverkauf und ein künftiger Weiterverkauf an sich nichts am objektiv bereits bei Kaufvertragsabschluss eingetretenen Schaden des Klägers ändern konnte, ist für die österreichische Rechtslage durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl etwa 3 Ob 203/23h = RS0022824 [T8]; 5 Ob 33/24z; 5 Ob 83/24b; 5 Ob 97/24m). Die von der Beklagten herangezogene – zum deutschen Recht – ergangene Entscheidung des BGH VIa ZR 100/21 ist nicht relevant.

[8] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

[9] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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