OGH 15Os68/24z

OGH15Os68/24z4.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen A* G* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 12. Februar 2024, GZ 27 Hv 133/23w-237b, nach Anhörungder Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00068.24Z.0904.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* G* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A.), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B.), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 „Abs 1“ SMG (C.), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (D.) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (E.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in L* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

A. in einer das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

I. von Juni 2020 bis 15. Mai 2023 zumindest 13.000 Gramm (US 5) Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 17,9 % THCA und 1,36 % Delta-9-THC) und 29 Gramm (US 5 f) Kokain (beinhaltend durchschnittlich 35,9 % Cocain), darunter

1. von Jänner bis Anfang Mai 2023 insgesamt 135 Gramm Cannabiskraut und 27 Gramm Kokain an S* C*,

2. von Juni 2020 bis 28. April 2023 insgesamt 1.380 Gramm Cannabiskraut an C* B*,

3. von Februar bis Mai 2022 insgesamt 60 Gramm Cannabiskraut an N* K*,

4. im Jahr 2020 ein Gramm Cannabiskraut sowie von Anfang 2023 bis 15. Mai 2023 25 Gramm Cannabiskraut an S* D*,

5. von „2020/21“ bis 15. Mai 2023 insgesamt 40 Gramm Cannabiskraut an S* Cu*,

6. von Mai 2022 bis Anfang Mai 2023 ca 30 Gramm Cannabiskraut an „I*“,

7. im Jahr 2022 zwei Gramm Kokain an „F* C“,

8. im Herbst 2022 zehn Gramm Cannabiskraut an „C* D*“,

9. von Herbst 2021 bis Herbst 2022 insgesamt 60 Gramm Cannabiskraut an „V*“;

E. am 13. Dezember 2023 in der Hauptverhandlung zu AZ 27 Hv 133/23w des Landesgerichts Linz den Polizeibeamten M* M* der von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB falsch verdächtigt und diesen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist, indem er wahrheitswidrig behauptete, der Genannte hätte das Protokoll über die Vernehmung des Angeklagten als (damals) Beschuldigter am 15. und 16. Mai 2023 in einigen Passagen nicht der abgelegten Aussage entsprechend erstellt(US 11).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Soweit der Nichtigkeitswerber zu E. des Schuldspruchs aus Z 5 ins Treffen führt, er habe „in der Hauptverhandlung vom 13. 12. 2023 darum ersucht, die Originalprotokolle beizuschaffen, damit in diese Einsicht genommen werden kann“, was nicht geschehen sei, ist zu erwidern, dass unterlassene Beweisaufnahmen nicht Gegenstand der Mängelrüge sind (RIS-Justiz RS0099400). Auf einen – für eine erfolgversprechende Verfahrensrüge (Z 4) unabdingbaren (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302) – in der Hauptverhandlung gestellten, den Kriterien des § 55 StPO entsprechenden Beweisantrag wird das Rechtsmittel nicht gestützt. Die beantragte „Beischaffung der Originalprotokolle durch den Obersten Gerichtshof“ zu anschließendem „Vergleich mit den im Akt befindlichen Protokollausfertigungen“ entbehrt einer rechtlichen Grundlage.

[5] Die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, dass die Tatrichter den Schuldspruch zu A.I. hauptsächlich auf das Geständnis des Angeklagten anlässlich seiner Vernehmung als Beschuldigter am 15. Mai 2023 gestützt, dabei aber anderslautende Beweisergebnisse, insbesondere die Einschränkung des Geständnisses auf geringere Suchtgiftmengen in folgenden Vernehmungen oder schriftlichen Äußerungen, übergangen hätten.

[6] Sie nimmt jedoch nicht auf die ausdrücklich erfolgte (US 12 ff) Würdigung der gesamten Verantwortung des Beschwerdeführers – einschließlich der Einschränkung des Geständnisses –, der Auswertungen der Chatprotokolle und der Angaben der im Rechtsmittel genannten Zeugen Bedacht (vgl RIS-Justiz RS0099599), sondern unternimmt eine eigenständige Analyse, Interpretation und Bewertung der Verfahrensergebnisse. Solcherart wird kein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung angegriffen.

[7] Mit der Behauptung, die Annahme in der Beweiswürdigung, er habe seine Angaben den jeweiligen Beweisergebnissen angepasst, sei „aktenwidrig“, bringt der Rechtsmittelwerberkein Fehlzitat aus einem Beweismittel (Z 5 fünfter Fall) zur Darstellung. Stattdessen übt er abermals in unzulässiger Form Kritik an der tatrichterlichen Bewertung der Überzeugungskraft seiner sich ändernden Verantwortung (vgl RIS-Justiz RS0099431, RS0099524).

[8] Ebenso wenig gelingt es dem Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a), mit dem Verweis auf seine Ausführungen zur Mängelrüge (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0115902 zum Gebot gesonderter Ausführung der wesensmäßig verschiedenen Nichtigkeitsgründe) erhebliche Bedenken gegen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken (zum Maßstab vgl RIS-Justiz RS0119583).

[9] Die gleichzeitig auf Z 9 lit a und 10 gestützte Rüge strebt unter Bezugnahme auf dieEinschränkung des Geständnisses, den Zweifelsgrundsatz und die objektive Beweislage einen Schuldspruch des Nichtigkeitswerbers wegen der Überlassung geringerer als der festgestellten (US 5 f) Suchtgiftmengen an. Damit verlässt sie jedoch den Rahmen dieser – nicht zur Bekämpfung getroffener Feststellungen offenstehenden – Anfechtungskategorien (vgl RIS-Justiz RS0098325 [T5], RS0099810 [insb T15, T25]).

[10] Indem der Beschwerdeführer schließlich anhand seiner eigenen Beweisüberlegungen die tatsächlichen Grundlagen des Verfallserkenntnisses, insbesondere die Feststellung zur Höhe der durch die Suchtgiftgeschäfte erlangten Vermögenswerte (US 7), bestreitet, macht er keinen Nichtigkeitsgrund (Z 11) geltend, sondern erstattet ein Berufungsvorbringen (vgl RIS-Justiz RS0114233 [T2]).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte