European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00081.24M.0904.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Im Verfahren AZ 49 U 26/23m des Bezirksgerichts Favoriten verletzt der gemeinsam mit dem Urteil vom 21. September 2023 verkündete Beschluss auf Absehen vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 12. März 2020, GZ 49 U 65/19s‑35, gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit § 56 StGB.
Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.
Gründe:
[1] Mit dem (verfehlt [vgl RIS‑Justiz RS0128941]) auch einen Freispruch enthaltenden, in gekürzter Form ausgefertigten und seit 17. März 2020 rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 12. März 2020, GZ 49 U 65/19s‑35, wurde * R* des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit nach § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] In der Folge wurde der Genannte mit ebenfalls (verfehlt [neuerlich RIS‑Justiz RS0128941]) einen Freispruch enthaltenden, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2023, GZ 49 U 26/23m‑13, wegen eines im Zeitraum von 1. August 2020 bis 20. September 2023 begangenen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer nach § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit unter einem gefassten Beschluss sah das Bezirksgericht Favoriten – soweit hier von Relevanz – gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der zu AZ 49 U 65/19s desselben Gerichts gewährten bedingten Strafnachsicht ab, verlängerte jedoch nach Abs 6 leg cit die Probezeit auf fünf Jahre.
Rechtliche Beurteilung
[3] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der gemeinsam mit dem Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2023, GZ 49 U 26/23m‑13, verkündete Beschluss auf Absehen vom Widerruf der mit Urteil desselben Gerichts vom 12. März 2020, GZ 49 U 65/19s‑35, gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[4] Gemäß § 56 StGB darf eine Entscheidung über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung oder das Absehen vom Widerruf mit Verlängerung der Probezeit grundsätzlich nur während der Probezeit erfolgen. Ist der Widerrufsgrund jedoch eine in der Probezeit begangene strafbare Handlung (§ 53 Abs 1 StGB), so ist ein Widerruf oder das Absehen davon unter Verlängerung der Probezeit noch innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der Probezeit oder nach Beendigung des Strafverfahrens wegen der neuen strafbaren Handlung zulässig, wenn dieses Verfahren bei Ablauf der Probezeit schon anhängig war (RIS-Justiz RS0092417 [T2], RS0091737 [T1]; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 56 Rz 1).
[5] Fallaktuell begann die Probezeit mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB ausgesprochen wurde, also am 17. März 2020. Die dem Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2023, GZ 49 U 26/23m‑13, zugrunde liegende strafbare Handlung wurde zwar während der bis 17. März 2023 laufenden (§§ 49 erster Satz, 68 StGB; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 68 Rz 3) Probezeit begangen, dass das gegenständliche Strafverfahren schon vor Ablauf der Probezeit begonnen hätte, lässt sich der bekämpften Entscheidung jedoch nicht entnehmen (§ 1 Abs 2 StPO; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 56 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6).
[6] Der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2023, GZ 49 U 26/23m‑13, verletzt daher § 56 StGB.
[7] Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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