European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00096.24I.0830.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist nach erfolgreicher Anfechtung eines Kaufvertrags über eine Wohnung und einen Abstellplatz wegen Wuchers und laesio enormis zur Rückübertragung des Eigentumsrechts an den näher bezeichneten Liegenschaftsanteilen an die Klägerin verpflichtet. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage der Höhe der Verzinsung des von der Klägerin an die Beklagte Zug um Zug zurückzuerstattenden Kaufpreises.
[2] Das Erstgericht entschied dazu, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Zinsen aus dem von ihr geleisteten Kaufpreis habe, weil die Klägerin als redliche Bereicherungsschuldnerin nicht verpflichtet sei, Zinsen und Früchte herauszugeben. Die Beklagte hingegen sei schlechtgläubig wegen des von ihr zu verantwortenden Wuchers (betreffend die Wohnung) und der laesio enormis (betreffend den Abstellplatz).
[3] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil zu dieser Frage infolge der Berufung der Beklagten (teilweise) dahin ab, dass es der Beklagten aus dem von der Klägerin zurückzuerstattenden Geldbetrag für den Zeitraum vom Zahlungstag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (im Verfahren über die Anfechtung des Kaufvertrags) die gesetzlichen Zinsen von 4 % (und nicht die von der Beklagten geforderten 7,125 %) zuerkannte. Die Verzinsung der Geldleistung sei hier geboten, weil aufgrund der Vertragssituation der Streitteile nicht die typische Fallgestaltung vorliege, bei der jeder Vertragspartner den zunächst als äquivalent angesehenen Nutzen der Leistung gehabt habe, womit im Sinn der herrschenden Rechtsprechung eine Pauschalverrechnung (im Sinn einer Vereinfachung der wechselseitigen Rückabwicklung bei synallagmatischen Beziehungen) gerechtfertigt sei. Im vorliegenden Fall habe nicht die Beklagte die Kaufsache verwendet, sondern die Klägerin habe (aufgrund einer nach dem Kaufvertrag vereinbarten Miete) die Wohnung und den Abstellplatz weiterhin genutzt (und die der Beklagten dafür geleisteten Mietzinse wurden vom Rückzahlungsbetrag abgezogen). Daher sei § 7 Abs 1 WucherG anzuwenden und die Klägerin habe für die Zeit bis zur Verpflichtung der Beklagten zur Zug-um-Zug‑Rückübertragung die gesetzlichen Zinsen von 4 % aus dem (der Höhe nach unstrittigen) Kaufpreis zu zahlen. Dem Argument der Beklagten, die eine höhere Verzinsung daraus ableite, dass sie der Klägerin das Geld „zur Verfügung gestellt“ habe, „um damit Kredite bei der betreibenden Bank abzudecken“, sei zu erwidern, dass nach den Feststellungen davon auszugehen sei, dass die Klägerin das bereits in Exekution gezogene Kreditobligo auch sonst von ihrem Konto abgedeckt hätte.
Rechtliche Beurteilung
[4] In ihrer außerordentlichen Revision dagegen gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen.
[5] 1.1 Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (vgl RS0110702; RS0102181; RS0107773). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rechtsfragen vom Berufungsgericht – wie hier – mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung beurteilt wurden (vgl RS0042742 [T13]; RS0042656 [T48]).
[6] 1.2 Nach der Auflösung eines Vertrags durch Anfechtung hat gemäß § 877 ABGB jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Die Rechtsfolgen im Einzelnen richten sich nach allgemeinem Bereicherungsrecht (RS0016321; RS0016328). Der Benutzer hat ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten (RS0019850). Der redliche Benützer hat grundsätzlich den Vorteil zu vergüten, der nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist (RS0020150 [T5]; RS0019883 [T10]).
[7] 1.3 Nach der vom Berufungsgericht erwähnten ständigen Rechtsprechung ist bei der Kondiktion von Leistungen aus gegenseitigen Verträgen, bei denen die Parteien regelmäßig von der Annahme einer Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen ausgehen, eine Verpflichtung des redlichen Besitzers, die nach der Herstellung des Austauschverhältnisses bezogenen Früchte und Nutzungen herauszugeben, zu verneinen. Der redliche Empfänger des Kaufpreises aus einem schwebend unwirksamen Vertrag darf nach dem Wegfall des Rechtsgrundes die Zinsen behalten, wenn auch der Käufer in der Zwischenzeit in den als äquivalent angesehenen Genuss der Kaufsache gekommen ist (RS0010214; Leupold in Schwimann/Neumayr, ABGB‑Taschenkommentar6 § 1437 Rz 12 mwN).
[8] 2.1 Der Schuldner einer Geldleistung hat – sofern die erwähnte Pauschalverrechnung der jeweils bezogenen Früchte und Nutzungen nicht zur Anwendung kommen kann – „Vergütungszinsen“ (Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme; vgl RS0032078) zu zahlen; dies in Höhe der gesetzlichen Zinsen (RS0032078 [T2]; nach Riedler [in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 877 Rz 21 mwN] hat der redliche Kondiktionsschuldner die Zinsen in der Regel nur dann zu vergüten, wenn er sie tatsächlich bezogen hat, oder bei objektivem Verzug).
[9] 2.2 Die Klägerin hat die vom Berufungsgericht ihr auferlegte Vergütung der erhaltenen Geldleistung in Höhe der gesetzlichen Zinsen von 4 % nicht beanstandet. Erörterungen zur – damit nur noch theoretischen – Frage der Verzinsung der von ihr als redlicher Bereicherungsschuldnerin erhaltenen Geldleistung sind daher entbehrlich (vgl RS0111271).
[10] 3. Die Beklagte begründet ihre Auffassung, nach der ihr für den unstrittigen Zeitraum eine höhere Verzinsung (von 7,125 %) zustehe, allein damit, dass sich die Klägerin in dieser Höhe Zinszahlungen erspart habe, weil sie von einer Zinsbelastung in diesem Ausmaß befreit worden sei. Durch die Überweisung des Geldbetrags, den die Klägerin zur Tilgung einer Kreditverbindlichkeit genutzt habe, die mit 7,125 % verzinst war, habe die Klägerin diesen Nutzen gehabt und wenn sie diesen nicht herausgebe, sei sie „unrechtmäßig bereichert“. Bei dieser Argumentation übersieht die Beklagte allerdings, dass sich dem Sachverhalt gerade nicht entnehmen lässt, dass die Beklagte der Klägerin eine Geldsumme zur Abdeckung einer bestimmten Kreditschuld „zur Verfügung stellte“, sondern dass die Beklagte die ihr bekannte – detailliert in ihren Ursachen und Folgen festgestellte – finanzielle Zwangssituation der Klägerin beim Kaufvertragsabschluss über die (von der Klägern selbst bewohnte) Wohnung im Sinn des § 879 Abs 1 Z 4 ABGB ausnutzte. Die Geldleistung der Beklagten war die Gegenleistung für den Erwerb der im – nunmehr rechtskräftig wegen Wuchers betreffend die Wohnung und wegen laesio enormis betreffend den Abstellplatz aufgehobenen – Kaufvertrag bezeichneten Liegenschaftsanteile. Ein vereinbarter Zweck der Geldleistung im Sinn einer Zurverfügungstellung zur Abdeckung einer offenen Schuld (etwa durch Gewährung eines Darlehens an die Klägerin) lässt sich daraus gerade nicht entnehmen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der kein Rechtsgrund dafür vorliege, der Klägerin als redlicher Bereicherungsschuldnerin höhere Vergütungszinsen aufzuerlegen, ist daher nicht korrekturbedürftig.
[11] 4. Insgesamt wird damit im Rechtsmittel keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgeworfen. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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