OGH 12Os59/24d

OGH12Os59/24d27.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Edermaier‑Edermayr LL.M. (WU) in der Strafsache gegen E* M* wegen Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 28. März 2024, GZ 154 Hv 3/24a‑29.3, und über dessen Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00059.24D.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Jugendstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde E* M* des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 2 StGB (A./) und zweier Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

A./ seit dem Jahr 2021 bis zumindest 14. Dezember 2023 gegen G* M* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt,

I./ und zwar durch Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen, indem er ihr

1./ am 21. September 2022 Faustschläge gegen den Brustkorb sowie einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte und einen Nachttisch nach ihr warf, wobei sie dabei eine Hautrötung im Gesichtsbereich sowie Hämatome im Brustbereich erlitt,

2./ am 15. Jänner 2023 einen Faustschlag gegen den Bauch versetzte, wobei sie ein Hämatom erlitt;

II./ und zwar durch versuchte Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen, indem er ihr

1./ am 14. Dezember 2023 mehrmals gegen die Schulter schlug;

2./ seit dem Jahr 2021 bis zumindest 14. Dezember 2023 in einer Vielzahl von Angriffen regelmäßig Schläge versetzte;

III./ indem er sie gefährlich mit der Zufügung einer Körperverletzung bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ am 21. September 2022 durch die Äußerung: „ich werde dich töten du alte Hure, du hast eh schon lange genug gelebt“;

2./ nach September 2022 in mehrfachen Angriffen, indem er seinen Hund mit den Worten „Spring die alte Hure an und fick sie und beiß sie“ aufforderte, sie zu verletzen;

3./ seit dem Jahr 2021 bis zum 14. Dezember 2023 in einer Vielzahl von Angriffen, indem er ihr gegenüber regelmäßig äußerte, sie zu schlagen oder umzubringen;

B./ mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) G* M* fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, „indem er Bargeld forderte bzw nachdem sie ihm freiwillig Bargeld übergeben hatte, mehr Bargeld forderte“, wobei es beim Versuch blieb, weil G* M* ihm kein Bargeld übergab, und zwar

I./ Mitte September 2022, indem er ihr zur Durchsetzung seiner Forderung eine Ohrfeige versetzte,

II./ am 4. Dezember 2022, indem er sie würgte, ihr eine Ohrfeige versetzte, mit der Faust gegen den Brustkorb schlug, mit dem Fuß gegen den Bauch und in den Rücken trat sowie äußerte „Ich bringe dich um und schmeiße dich in die Kiste, du alte Hure. Gib mir mehr Geld“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Der zum Schuldspruch A./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider ist es vorliegend für die einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung (§ 107b Abs 2 StGB; vgl dazu RIS‑Justiz RS0127377) nicht entscheidend, ob das Opfer durch die zu A./III./ abgeurteilten Drohungen zusätzlich auch in Furcht und Unruhe versetzt wurde. Denn selbst bei gedanklicher Eliminierung dieses Schuldspruchteils tragen die zu A./I./ und II./ getroffenen Konstatierungen (US 4 f) zu den körperlichen Übergriffen (Faustschläge gegen den Brustkorb, Bauch und die Schulter sowie regelmäßiges Versetzen von Schlägen über einen fast dreijährigen Zeitraum) die Subsumtion nach § 107b Abs 1 StGB.

[5] Die Gegenteiliges behauptende Subsumtionsrüge (Z 10) lässt genau diese Feststellungsbasis außer Acht, womit sie sich als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt erweist (vgl RIS‑Justiz RS0099810).

[6] Der den Schuldspruch B./2./ betreffenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider ist es für die Annahme einer Drohung im Sinn des § 142 Abs 1 StGB nicht entscheidend, ob das Raubopfer tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde (RIS‑Justiz RS0092102 [T7]). Im Übrigen stellt der diesbezügliche Einwand den Schuldspruch schon deshalb nicht in Frage, weil der Angeklagte nach den Feststellungen – von der Beschwerde insoweit unbekämpft – auch das Raubmittel der Gewalt einsetzte. Mit der Aussage des Opfers, dass sie nicht gedacht habe, dass der Angeklagte einmal seine Drohungen in die Tat umsetzen werde (ON 29.2 S 20), mussten sich die Tatrichter daher nicht befassen.

[7] Ebenso wenig standen die Angaben der G* M*, der Angeklagte habe Geldübergaben an ihn „in letzter Zeit“ unterschreiben müssen (ON 29.2 S 28), den Annahmen des Schöffensenats, wonach die Taten laut Schuldsprüchen B./ bloß versucht waren, nicht erörterungsbedürftig entgegen.

[8] Der Einwand, die genannte Zeugin sei gegenüber dem Angeklagten unterhaltspflichtig gewesen, erschöpft sich in einer bloßen Behauptung ohne Bekanntgabe diesbezüglicher Verfahrensergebnisse.

[9] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit den erneuten Hinweisen auf die Unterhaltspflicht des Opfers und die von ihm verlangte schriftliche Dokumentation von Geldübergaben an den Angeklagten keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte