OGH 2Ob99/24h

OGH2Ob99/24h25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. M*, 2. M*, und 3. G*, alle vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 54.038,42 EUR sA, über die Revisionen sämtlicher Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. März 2024, GZ 11 R 5/24w‑61, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. November 2023, GZ 5 Cg 82/22m‑54, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00099.24H.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.150,39 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 191,73 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Im Juli 2019 beschädigte ein von der Erstbeklagten gehaltener, vom Zweitbeklagten gelenkter und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherter LKW‑Hängerzug wegen Überschreitung der zulässigen Durchfahrtshöhe eine im Eigentum der Klägerin stehende Eisenbahnbrücke. Die Sanierung der Brücke erfolgte nach Durchführung von Ausschreibungen großteils durch unterschiedliche Drittfirmen, nur einen geringen Teil der Sanierungsarbeiten führten Mitarbeiter der Klägerin selbst durch. Die Klägerin verrechnet für sämtliche an Drittfirmen vergebene Arbeiten generell einen Aufschlag von 7 %, den sie auch in den von ihr jährlich erstellten Preislisten „erwähnt“ und der keinen Gewinnanteil erhält. Dieser Aufschlag wird einerseits für eigene administrative Kosten der Klägerin im Zusammenhang mit der Abwicklung der Aufträge an Drittfirmen verrechnet, worunter auch die Prüfung der externen Rechnungen fällt. Diese Rechnungsprüfung war im vorliegenden Fall für insgesamt vier externe Rechnungen erforderlich und nahm rund zwei Stunden in Anspruch. Das Zahlen von Rechnungen beauftragter Drittfirmen erfordert einen zusätzlichen Buchhaltungs- und Verrechnungsaufwand in der Administration der Klägerin. Insgesamt erhielt die Klägerin im Rahmen der Sanierungsarbeiten neun Fremdrechnungen. Andererseits wird der Aufschlag von 7 % auch für Finanzierungskosten verrechnet. In welcher Höhe im vorliegenden Fall solche Finanzierungskosten entstanden sind, kann nicht festgestellt werden.

[2] Einziger Streitpunkt im Revisionsverfahren ist die Frage der Berechtigung des von der Klägerin verrechneten Aufschlags von 7 % auf die Fremdrechnungen.

[3] Das Erstgericht sprach der Klägerin den Aufschlag von 7 % mit der Begründung zu, dass diese den Aufschlag für jene Aufwendungen geltend mache, die ihr zusätzlich zu den verrechneten Eigenleistungen (ohne gesondert erfolgte Verrechnung) im Rahmen der Beauftragung und Abwicklung der Schadensbehebung durch Dritte entstünden. Der Zuschlag sei daher grundsätzlich berechtigt und der Höhe nach auch angemessen, weil der branchenübliche Aufschlag zwischen 12 und 14 % liege.

[4] Das von den Beklagten nur zu dieser Frage angerufene Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und erkannte nur einen Aufschlag von 4 % als angemessen. Der Geschädigte, der Zeit und Geld zur Behebung des Schadens aufwenden müsse, habe Anspruch auf Ersatz dieses Mehraufwands. Er habe auch Anspruch auf Entlohnung für Mühewaltung bei persönlichen berufsmäßigen Arbeitsleistungen. Ein solcher Zuspruch sei von entsprechenden Feststellungen abhängig. Der eigene Aufwand des Geschädigten könne zwar grundsätzlich nicht in Form eines pauschalen prozentuellen Zuschlags geltend gemacht werden, allerdings könne der Schaden in Anwendung des § 273 ZPO bei unverhältnismäßigem Aufwand der Feststellung der Schadenshöhe mit einem angemessenen Pauschalbetrag ausgemittelt werden. Die Klägerin habe die von ihr selbst durchgeführten Arbeiten gesondert verrechnet, diese seien nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es gehe nur mehr um jenen Aufwand, der der Klägerin im Zusammenhang mit der Schadensbehebung durch Drittfirmen entstanden sei. Für den daraus resultierenden Aufwand für die Rechnungsprüfung, die Buchhaltung und die Verrechnung sowie die im Zusammenhang mit der Vorfinanzierung für rund ein halbes Jahr entstandenen Schäden sei nach § 273 ZPO ein Aufschlag von 4 % angemessen. Ein allfälliger weiterer Finanzierungsschaden sei durch die bereits rechtskräftig zugesprochenen Zinsen abgedeckt.

[5] Die ordentliche Revision sei aufgrund der Vielzahl der Fälle mit vergleichbarem Sachverhalt und der bereits länger zurückliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Verrechnung eines Gemeinkostenzuschlags zulässig.

[6] Dagegen richten sich die Revisionen sämtlicher Streitteile. Während die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt, begehren die Beklagten die gänzliche Abweisung des Begehrens auf Zuspruch des Aufschlags.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revisionen sind – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[8] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Obersten Gerichtshof geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[9] 2. Nach ständiger Rechtsprechung kann jeder Geschädigte, der Zeit und Geld zur Behebung des Schadens aufwenden muss, den Ersatz dieses Mehraufwands vom Schädiger begehren (RS0030558). Ein Zuspruch ist aber von entsprechenden Feststellungen abhängig (2 Ob 165/08s). Entscheidend ist, ob durch die Abwicklung bzw Behebung des Schadens ein gegenüber dem normalen Geschäftsgang erhöhter Arbeits‑ und Kostenaufwand entstanden ist (2 Ob 123/76 ZVR 1977/10).

[10] 2.1. In der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung 2 Ob 292/67 SZ 40/144 erachtete der Senat den Zuspruch eines Verwaltungskostenzuschlags von 12 % an die Rechtsvorgängerin der Klägerin in einem Fall als angemessen, in dem die Österreichischen Bundesbahnen von der dort Beklagten verursachte Schäden an einem Bahnhofsgebäude beheben ließen. Der Oberste Gerichtshof betonte, dass dem Geschädigten, der den Schaden im eigenen Betrieb behebe, auch der geschäftsübliche Reingewinn, den er ohne die unfallbedingten Arbeiten erwirtschaften hätte können, zu vergüten sei. Der Senat billigte die Anwendung des § 273 ZPO durch das Berufungsgericht. Wenn feststehe, dass der Geschädigte unfallbedingte Verwaltungsaufwendungen gehabt habe, sei ihm ein zu ersetzender wirklicher Schaden entstanden. Da die Erforschung des konkreten Aufwands mit großen Schwierigkeiten und hohem Aufwand verbunden wäre, erscheine es insgesamt sachgerecht, die Abgeltung mit einem Pauschalbetrag zuzulassen. Der begehrte Zuschlag von 12 % erscheine nicht zu hoch gegriffen.

[11] 2.2. In einer Folgeentscheidung betonte der Oberste Gerichtshof, dass zwar der Schädiger den zur Schadensbehebung erforderlichen tatsächlichen Aufwand ersetzen müsse, ein Zuschlag von 10 % für Verwaltungsaufwendungen jedoch der nicht auf Gewinn ausgerichteten und – anders als die Bundesbahnen – nicht als Unternehmen anzusehenden Bundesstraßenverwaltung bei Behebung der Schäden durch eigene Mitarbeiter nicht zustehe (1 Ob 1/78 [1 Ob 2/78] SZ 51/7).

[12] In der Entscheidung 2 Ob 123/76 ZVR 1977/10 hielt der Senat fest, dass grundsätzlich nur der „effektive Mehraufwand“ zu ersetzen sei, allerdings im Einzelfall bei Schätzung der Schadenshöhe in Anlehnung an die Entscheidung 2 Ob 292/67 SZ 40/144 eine pauschale Schadensabgeltung in Form eines prozentuellen Aufschlags sachgerecht sein könne (ähnlich auch 2 Ob 47/88).

[13] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen findet die Vorgehensweise des Berufungsgerichts Deckung in höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

[14] 3.1. Der dargestellten Judikatur kann nicht entnommen werden, dass der Klägerin generell und in allen Fällen ein „Verwaltungskostenaufschlag“ (in bestimmter Höhe) gebühren würde. Vielmehr hängt – wie das Berufungsgericht bereits betont hat – die Berechtigung eines solchen Schadenersatzanspruchs von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

[15] Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt entstand bei der Klägerin im Zusammenhang mit der Schadensbehebung durch Drittfirmen interner, den Beklagten nicht anderweitig verrechneter (Personal‑)Aufwand. Zudem verursachte die notwendige Zwischenfinanzierung Kosten. Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht in nicht korrekturbedürftiger Weise davon ausgegangen, dass der Klägerin insoweit ein ersatzfähiger positiver Schaden entstanden ist.

[16] 3.2. Ob Vorbringen in einem bestimmten Punkt als hinreichend substantiiert anzusehen ist, kann letztlich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RS0042828). Die Revision der Beklagten zeigt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf, hat doch die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren konkret vorgebracht, welche Schäden und Tätigkeiten der von ihr begehrte Aufschlag abdecken soll.

[17] 3.3. Die Anwendung des § 273 ZPO begegnet im vorliegenden Fall, in dem das Treffen (noch) detaillierterer Feststellungen zur Höhe des Anspruchs unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde, keinen Bedenken (so bereits 2 Ob 292/67 SZ 40/144).

[18] 3.4. Der bei Anwendung des § 273 (Abs 1) ZPO vom Richter nach seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis sowie den Ergebnissen der gesamten Verhandlung nach bestem Wissen und Gewissen nach freier Überzeugung vorzunehmenden Schätzung kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0121220). Eine im Rahmen der Schadensschätzung aufzugreifende gravierende Fehlbeurteilung zeigen die Revisionen nicht auf:

[19] Dass das Erstgericht auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens die branchenübliche Höhe derartiger Zuschläge mit 12 bis 14 % feststellte, steht der im Detail begründeten Festsetzung des im Einzelfall angemessenen Ausmaßes in Höhe von 4 % nicht entgegen.

[20] Ebensowenig überzeugt die Argumentation der Klägerin, ihr stünde schon deswegen ein Zuschlag von 7 % zu, weil dieser in ihren „Marktpreisen“ enthalten sei und sie den Schaden auch durch eigene Mitarbeiter beheben hätte lassen können. Einerseits sagt die Anführung eines Aufschlags von 7 % in den Preislisten der Klägerin nichts darüber aus, in welchem Umfang ihr tatsächlich unfallkausaler Mehraufwand entstanden ist. Andererseits übersieht die Klägerin, dass die den Beklagten ohnehin weiterverrechneten Leistungen der Drittfirmen bereits einen Gewinnanteil enthalten.

[21] Die Beklagten stellen in ihren Ausführungen zur Angemessenheit ausschließlich auf den entstandenen Personalaufwand ab. Da das Berufungsgericht darüber hinaus aber auch Kosten der Zwischenfinanzierung in seine Ausmittlung nach § 273 Abs 1 ZPO einbezogen hat, gelingt es den Beklagten schon aus diesem Grund nicht, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung im Rahmen der richterlichen Schadenschätzung aufzuzeigen. Dass die Höhe der Finanzierungskosten nicht feststellbar war, steht einer Schätzung nach § 273 Abs 1 ZPO nicht entgegen.

[22] 4. Insgesamt waren die Revisionen damit zurückzuweisen.

[23] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 Abs 1, 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

[24] Da die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen haben, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Ein Rundungsfehler bei Berechnung der Umsatzsteuer war zu korrigieren.

[25] Die Revisionsbeantwortung der Klägerin enthält keine Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision der Beklagten, sodass sie nicht als zweckentsprechend anzusehen ist und die Klägerin deren Kosten selbst zu tragen hat (RS0035962).

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