European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00017.24H.0514.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 498,51 EUR (darin 79,59 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte am 12. August 2016 von einer Privatperson das mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattete Fahrzeug der Marke Seat Alhambra um 22.000 EUR. Der Motor hatte zwei Betriebsmodi. Während die Abgasrückführung im Prüfstand bewirkte, dass die zulässigen Abgaswerte nicht überschritten wurden, wurden diese Werte im normalen Straßenbetrieb infolge einer eingebauten „Umschaltlogik“ nicht eingehalten.
[2] Durch die Aufforderung, ein Softwareupdate an seinem Fahrzeug durchführen zu lassen, wurde dem Kläger bewusst, dass auch sein Fahrzeug vom „Abgasskandal“ betroffen ist. Er kam der Aufforderung am 3. April 2017 nach. Das Softwareupdate war vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigt und beseitigte die unzulässige Umschaltlogik.
[3] Überdies hat die Abgasrückführung ein „Thermofenster“, sodass sie außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs stufenweise zurückgefahren wird, um Bauteile des Motors zu schonen. Das KBA sieht sich in Kenntnis dieses Umstandes nicht veranlasst, die Zulassung von Fahrzeugen mit solchen Motoren zu widerrufen. Es sieht das Thermofenster als technische Maßnahme zum Schutz vor gefährlichen Zuständen an, das nicht den EU-Normen widerspricht.
[4] DerKläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 22.000 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, die daraus resultieren, dass der Kläger den Kaufvertrag abgeschlossen hat, und die entweder bereits eingetreten sind, aber noch nicht beziffert sind, und/oder in Zukunft noch eintreten werden. Zum Feststellungsbegehren führte der Kläger aus, dass das Software‑Update zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch und zu einem erhöhtem Verschleiß führe. Durch den Vorfall entstandene „Dauerfolgen bzw Spätkomplikationen“ könnten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden (beispielsweise wegen Fahrverboten, Fehlern der weiteren Nachrüstung bzw Updates, Steuernachzahlungen, Strafzahlungen bzw sonstige Reparaturkosten bis zur Rückübereignung sowie weitere Wertverluste).
[5] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab, weil es die geltend gemachten Ansprüche als verjährt ansah.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers hinsichtlich eines Teils des Leistungsbegehrens Folge und änderte die Entscheidung darüber (rechtskräftig) in ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO ab. Hinsichtlich eines weiteren Teils des Leistungsbegehrens (Zinsenbegehren) und des Feststellungsbegehrens bestätigte es die abweisende Entscheidung des Erstgerichts (richtig: als Teilurteil). Die Bestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens begründete es damit, dass der erhöhte Treibstoffverbrauch und diverse technische Nachteile nicht vom Schutzzweck der unionsrechtlichen Normen umfasst seien, sodass das Begehren darauf nicht gegründet werden könne. Alle weiteren vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Umstände seien viel zu vage, weil damit nicht schlüssig dargelegt werde, in welchen Szenarien welche Schäden drohen könnten. Das Berufungsgericht sprach aus, das der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, und ließ die Revision zur Frage der Verjährung zu.
[7] Erkennbar nur gegen die Bestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgabe des Feststellungsbegehrens, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortungdie Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[10] 1. Der Kläger erklärt in der Revision zwar das Urteil des Berufungsgerichts „zur Gänze“ anzufechten. Aus den Revisionsanträgen und dem sonstigen Inhalt der Revision, in der ausschließlich das Feststellungsbegehren thematisiert wird, ist jedoch ersichtlich, dass lediglich die Bestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens bekämpft wird. Die Rechtsfrage, zu deren Beantwortung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat (Verjährung), stellt sich daher im Revisionsverfahren nicht mehr.
[11] 2. Der Kläger ist in der Ausführung seiner Rechtsmittelgründe zwar nicht an die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage beschränkt, sodass diese in die Prüfung der Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO miteinzubeziehen sind (RS0042392). Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Kläger in der Revision jedoch nicht auf.
[12] 2.1. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten (technischen) Nachteile mit der Begründung, dass diese nicht vom Schutzzweck der emissionsrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts umfasst seien, aus denen der Kläger die Unzulässigkeit des Software-Updates ableite. Auf diese Beurteilung geht der Kläger in der Revision überhaupt nicht ein, sodass er in diesem Punkt schon deswegen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung bringt (RS0043603 [T9]).
[13] Nur der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Oberste Gerichtshof (auch) in vergleichbaren Fällen, in denen Ansprüche (auch gegen den vom Fahrzeughersteller verschiedenen Hersteller des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors) auf § 874 ABGB und § 1295 Abs 2 ABGB gestützt wurden, die Berechtigung des Feststellungsbegehrens verneinte (4 Ob 204/23p Rz 56 f mwH). Auch im vorliegenden Fall hat sich der Kläger (nur) auf eine Irreführung über bzw Schädigung durch die nach den emissionsrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts unzulässige Abschalteinrichtung („Umschaltlogik“ und „Thermofenster“ vor und nach dem Software-Update) berufen. Die dem Feststellungsbegehren zugrunde liegenden (technischen) Eigenschaften und befürchteten Nachteile resultieren aber nicht aus der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung, die der Kläger der Beklagten vorwirft, und sind nach der Rechtsprechung – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte – nicht vom Schutzbereich dieser Vorschriften erfasst (10 Ob 17/23g Rz 26).
[14] 2.2. Im Übrigen sah das Berufungsgericht die dem Feststellungsbegehren zugrunde gelegten Umstände als zu vage an, weil sich aus ihnen nicht schlüssig ergebe, welche konkreten Schäden drohen könnten. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828).
[15] Eine Überschreitung des dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zukommenden Beurteilungsspielraums zeigt die Revision nicht auf. Grundsätzlich kommt ein Feststellungsbegehren (allenfalls auch zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“: RS0129706) in Betracht, wenn der Kläger behauptet und nachweist, dass ihm künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können. Die abstrakte Möglichkeit eines Schadenseintritts genügt dafür aber nicht (RS0038949). Der Kläger muss vielmehr begründen und darlegen, welche derzeit noch nicht bekannten Schäden aus dem Anlassfall erwachsen könnten (RS0127761 [T1]; RS0120784 [T23]). In der Klage ist daher zumindest die Art dieser möglichen Schäden aufzuzeigen, auch wenn konkrete Angaben über sie nicht erforderlich sind (RS0038949; RS0039018 [T29]).
[16] Vom Kläger wohl befürchtete „Fahrverbote“ (nach den Revisionsausführungen offenbar beschränkt auf solche in bestimmten Städten) könnten allenfalls bewirken, dass er das Fahrzeug (allenfalls bis zur begehrten Zug-um-Zug-Abwicklung) an bestimmten Orten nicht nutzen (dürfen) wird, womit allein aber noch kein vermögenswerter Nachteil dargelegt wird. Aus welchen Gründen dem Kläger Steuernachzahlungen drohen könnten, lässt sich seinem Vorbringen ebenso wenig entnehmen. Die befürchtete Verwaltungsstrafe würde einen zukünftigen Verstoß des Klägers gegen eine Verwaltungsstrafbestimmung voraussetzen, die die Revision ebenso wenig offen legt.
[17] 2.3. Auf allfällige Fehler der Beklagten bei einer weiteren Nachrüstung bzw weiteren Software-Updates kann das Feststellungsbegehren schließlich auch nicht gestützt werden. Dabei wird nämlich nicht an ein bereits eingetretenes Schadenereignis angeknüpft, sondern an eine erst zukünftig vorzunehmende Handlung der Beklagten. Diese Schädigung liegt in der Zukunft und bedarf überdies der Mitwirkung des Klägers, sodass sie noch nicht zur Grundlage eines Feststellungsanspruchs gemacht werden kann (6 Ob 158/22m Rz 74).
[18] 3. Soweit der Kläger in der Revision schließlich ausführt, dass mit einem Zwischenurteil über die Verjährung nach § 393a ZPO nicht auch noch zusätzlich über das Feststellungsbegehren entschieden werden dürfe, missversteht er die von ihm zitierte Rechtsprechung. Danach wird in einem Zwischenurteil nach § 393a ZPO nur die (nicht gegebene) Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt (RS0127852). Dass bei gegebener Spruchreife über ein anderes Klagebegehren (oder einen anderen Teil desselben Klagebegehrens) neben einem Zwischenurteil über die Verjährung nach § 393a ZPO keine abschließende Entscheidung möglich sein soll, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen.
[19] 4. Hängt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht mehr von jener Rechtsfrage ab, die das Berufungsgericht für die Begründung seines Zulassungsausspruchs angeführt hat, und wird – wie im vorliegenden Fall – auch keine andere Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, ist die Revision unzulässig (RS0042733).
[20] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, das Revisionsinteresse betrug jedoch nur 3.000 EUR.
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