OGH 10Ob8/24k

OGH10Ob8/24k14.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzendenden sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer, Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L*, Malta, vertreten durch die Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 14.185 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. November 2023, GZ 3 R 238/23f‑20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Telfs vom 7. Juli 2023, GZ 2 C 181/23h‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00008.24K.0514.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine in Malta ansässige Public Limited Company nach maltesischem Recht, die (nur) über eine maltesische Glücksspiel-Konzession verfügt und (unter anderem) in Österreich Online‑Glücksspiele anbietet.

[2] Voraussetzung für die Teilnahme an einem von der Beklagten angebotenen Spiel ist die Registrierung des Spielers. Der registrierte Spieler hat dann die Möglichkeit, Guthaben auf sein von der Beklagten verwaltetes Spielerkonto einzuzahlen. Gewinne werden dem Spielerkonto des Spielers gutgeschrieben, der entscheiden kann, ob er sie dort belässt (und damit weiter spielt) oder sie sich auszahlen lässt.

[3] Der Kläger zahlte insgesamt 51.635 EUR auf sein Spielerkonto ein und erzielte Gewinne von 37.450 EUR, die er sich allesamt auszahlen ließ. Die Einzahlungen erfolgten sowohl vom (Privat-)Konto des Klägers als auch vom Konto einer Kommanditgesellschaft (KG), deren unbeschränkt haftender Gesellschafter er von 1. September 2018 bis (zu ihrer Löschung im Jahr) 2022 war. Mit Ausnahme von 675 EUR, die vom Konto des Klägers überwiesen wurden, konnte nicht festgestellt werden, ob die Einzahlungen vom Konto des Klägers oder von jenem der KG erfolgten.

[4] Das Erstgericht gab der auf Rückzahlung des Verlusts gerichteten Klage im Umfang von 675 EUR statt. Da nur dieser Betrag vom Konto des Klägers überwiesen worden sei, könne auch nur insoweit eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgen. Dass die anderen Einzahlungen von seinem Konto aus getätigt worden seien, stehe hingegen nicht fest. Da die KG durch Zahlungen von ihrem Konto selbst in ein Leistungsverhältnis zur Beklagten getreten sein könnte, sei der Kläger hinsichtlich des restlichen Betrags von 13.510 EUR somit nicht aktiv klagslegitimiert. Die Gegenforderung der Beklagten bestehe nicht zu Recht.

[5] Das Berufungsgericht gab der Klage zur Gänze statt. Die Rückabwicklung einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung habe zwischen jenen Personen zu erfolgen, die im Zeitpunkt der Leistung durch ein scheinbares Rechtsverhältnis verbunden gewesen seien, hier also zwischen den Streitteilen. Darauf, wer die Vermögensverschiebung wirtschaftlich tatsächlich zu tragen gehabt habe, komme es nicht an.

[6] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Rückforderbarkeit von Spielverlusten, die wirtschaftlich nicht vom Spieler, sondern von einem Dritten stammen, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[7] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt. Hilfsweise stelltsie auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Denn der Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, kann die Zulässigkeit der Revision für sich allein noch nicht begründen (RS0107773; RS0110702; RS0102181). Das gilt vor allem, wenn der Streitfall – wie hier – durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0118640; RS0042742 [T11, T13]).

[9] 1. Die Beklagte bestreitet nicht (mehr), dass das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspielen in Österreich verboten ist (§ 2 Abs 1 iVm § 2 Abs 4 GSpG) und Verträge, die zur Durchführung eines solchen Spiels abgeschlossen werden, absolut nichtig sind (7 Ob 155/23d Rz 18; 6 Ob 50/22d Rz 14 ua). Sie zieht auch nicht in Zweifel, dass nichtige Verträge (analog) § 877 ABGB rückabzuwickeln sind und daher Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel (abzüglich Auszahlungen) zurückgefordert werden können (3 Ob 44/22z Rz 14 ua). Sie meint jedoch, dass die Rückabwicklung nur zwischen ihr und dem tatsächlich Entreicherten zu erfolgen habe. Dass das der Kläger gewesen sei, stehe für den noch strittigen Teilbetrag aber nicht fest.

[10] Dieser Argumentation ist nicht zu folgen.

[11] 2. Nach der ständigen Rechtsprechung richtet sich bei Vermögensverschiebungen, an der mehrere Personen beteiligt sind, die Feststellung des Berechtigten und des Verpflichteten nach der von den Parteien bei der Leistung vorgestellten Zweckbestimmung. Es muss gefragt werden, wer nach dem angenommenen Schuldverhältnis oder der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte (RS0033737 [insb T4, T11]; RS0020192 [T4, T8, T9]). Dies ist nach der beabsichtigten Zweckbeziehung zu beurteilen, die sich aus dem (beabsichtigten) Rechtsgrund der Leistung ergibt. Die Rückabwicklung hat dann in derselben Zweckbeziehung zu erfolgen, die für die Leistung maßgebend war, also in jenem Verhältnis, in dem die Leistung – rechtlich gesehen – erbracht wurde (RS0033737 [T4, T9, T15]; RS0020192 [T6]; 1 Ob 8/19m ua). Wer die wirtschaftliche Belastung tatsächlich zu tragen hat, ist dagegen nicht relevant (RS0033737 [T16]). Kondiktionsschuldner ist daher nicht notwendigerweise derjenige, der die Leistung tatsächlich in Empfang genommen hat, und Kondiktionsgläubiger nicht zwingend der, der sie tatsächlich geleistet hat (4 Ob 43/22k Rz 41; 6 Ob 186/20a Rz 17 ua).

[12] 3. Im Licht dieser schon vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze führt der Umstand, dass sich die Herkunft der auf das Spielerkonto des Klägers eingezahlten Beträge nur zu einem kleinen Teil eruieren ließen, nicht zur teilweisen Verneinung seiner Aktivlegitimation:

[13] Aus Sicht des maßgeblichen Empfängerhorizonts (RS0033737 [T14]; RS0020192 [T9]) verfolgen Einzahlungen auf das Spielerkonto eines registrierten Spielers den Zweck, diesem die Spielteilnahme zu ermöglichen. Die Beklagte stellt auch gar nicht in Abrede, alle Einzahlungen als Einzahlungen des Klägers aufgefasst, als solche angenommen und seinem Spielerkonto gutgeschrieben zu haben. Insofern konsequent hat sie sämtliche Gewinne an den Kläger ausbezahlt. Für die Streitteile war völlig klar, dass alle Einzahlungen dem Kläger zuzurechnen und von der Beklagten als sein Spieleinsatz zu behandeln sind, was auch stets so geschehen ist. Da die Teilnahme an den von der Beklagten angebotenen Spielen die Registrierung als Spieler voraussetzt, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die KG etwaige Einzahlungen nach außen erkennbar deshalb getätigt hat, um – wie das Erstgericht meint – selbst in ein Leistungsverhältnis zur Beklagten zu treten, und somit Leistungen als Spieler in Anspruch zu nehmen. Dass die Einzahlungen nicht aufgrund des zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen (nichtigen) Glücksspielvertrags erfolgten, sondern einem anderen Schuldverhältnis zuordnen wären, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.

[14] Wenn das Berufungsgericht vor dem Hintergrund dieser Überlegungen im Ergebnis davon ausgeht, dass die Einzahlungen nach ihrer Zweckbestimmung als (künftige) Spieleinsätze des Klägers an die Beklagte erfolgten und damit auch die Rückabwicklung der Leistungen zwischen diesen beiden vorzunehmen ist, ist das nicht zu beanstanden.

[15] 4. Daran ändert die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung zu 6 Ob 229/21a nichts, weil ihr ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrundelag. Dort wurde die Passivlegitimation des Glücksspielanbieters für von ihm veranstaltete Online-Pokerspiele bejaht, obwohl er nur einen (fixen) Anteil der Einsätze der Spieler einbehielt, den Gewinn grundsätzlich aber der jeweils siegreiche Mitspieler erhielt. Strittige Fragen der Aktivlegitimation des klagenden Spielteilnehmers stellten sich dort nicht und mussten vom Obersten Gerichtshof auch nicht geklärt werden, weil die Einzahlungen auf sein Spielerkonto vom dortigen Kläger selbst geleistet wurden.

[16] 5. Eine Kostenentscheidung entfällt, weil der Kläger keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

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