OGH 8Ob3/24k

OGH8Ob3/24k25.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* W*, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Dr. C* Z*, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 20.123,12 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2023, GZ 6 R 152/23z‑51, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. August 2023, GZ 66 Cg 20/22t‑45, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00003.24K.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.599,90 EUR (darin enthalten 266,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Dr. E* B* erstattete als Fachärztin für Psychiatrie in einem Verwaltungsverfahren am 21. 5. 2013 eine fachärztliche Stellungnahme zur Frage der gesundheitlichen Eignung des Klägers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, in der sie zu folgendem Ergebnis gelangte:

„Aus der Anamnese und den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass bei Herrn W* eine chronische Alkoholabhängigkeit vorliegt, es wurde eine Entzugssymtomatik im Arztbrief beschrieben, als auch ist der CDT auf 2,39 erhöht.

Es besteht nur eine bedingte Einsichtsfähigkeit in sein Alkoholproblem. Die Konfliktsituation ist weiterhin bestehend, und nur relativ entschärft durch die Wohnung, die er nun hat. Aufgrund der mangelnden Motivation zur Abstinenz von Alkohol und der weiterbestehenden Konfliktsituation, die die Rückfallsgefährdung erhöht. Deshalb ist gegenwärtig keine ausreichende Fahrtauglichkeit gegeben.

Zur Wiedererlangung der Lenkerberechtigung ist eine nachgewiesene Abstinenz über 1/2 Jahr erforderlich und auch eine Einsicht und Motivation alkoholabstinent zu leben. Auch eine verkehrspsychologische Untersuchung wird empfohlen.“

[2] Auf Basis dieses Gutachtens wurde dem Kläger von der Behörde der Führerschein entzogen.

[3] Der Kläger begehrte vor dem Bezirksgericht Schärding Schadenersatz von Dr. B* mit der Behauptung, deren fachärztliche Stellungnahme wäre unrichtig. In jenem Verfahren wurde Primar Dr. C* R*., mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage beauftragt, ob der erhobene CDT- und Gamma‑GT‑Wert von Dr. B* richtig interpretiert wurde und ob die Schlussfolgerungen betreffend die Alkoholabhängigkeit und Suizidgefahr dem Stand der Wissenschaft entsprachen. Er kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass „das Ergebnis der Stellungnahme von Frau Dr. B* vom 21. 05. 2013 lege artis erstellt wurde“. Folglich wurde die Klage abgewiesen.

[4] In weiterer Folge machte der Kläger vor dem Bezirksgericht Urfahr Schadenersatzansprüche gegen Primar Dr. R* geltend, weil dieser die diagnostischen Kriterien für die Alkoholabhängigkeitsstörung des Klägers nicht systematisch überprüft habe. Die nunmehrige Beklagte wurde in jenem Prozess zur medizinischen Sachverständigen bestellt und vom Gericht beauftragt, „Befund und Gutachten zur Frage zu erstatten, ob der Beklagte Dr. R* sein Gutachten im Verfahren * des Bezirksgericht Schärding laut Gerichtsauftrag lege artis erstattet hat“. Die Beklagte kam in ihrem am 24. 4. 2019 erörterten Gutachten vom 11. 9. 2018 zum Ergebnis, dass Primar Dr. R* sein Gutachten lege artis verfasst hatte. Auch diese Klage wurde daher abgewiesen.

[5] Die fachärztliche Stellungnahme von Dr. B*, das Gutachten von Primar Dr. R* sowie das Gutachten der Beklagten sind aus medizinischer Sicht sachgerecht.

[6] Der Kläger begehrt 20.123,12 EUR sA als Kosten der Verfahren vor den Bezirksgerichten Schärding und Urfahr, dies mit der Behauptung, das Gutachten der Beklagten sei unrichtig. Diese habe unzutreffend eine Alkoholabhängigkeit des Klägers angenommen.

[7] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Über Antrag des Klägers erklärte das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision nachträglich mit der Begründung für zulässig, dass es zur „sachverständigenseitigen Handhabe des § 14 Abs 1 FSG‑GV keine höchstgerichtliche zivilrechtliche Rechtsprechung“ gebe.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 2. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (RS0123321 [T7]; RS0116438).

[10] 3. Die vom Berufungsgericht zu § 14 Abs 1 FSG‑GV vertretene Rechtsansicht, wonach bei festgestellter Alkoholabhängigkeit keine Prüfung erforderlich ist, ob der Führerscheinbesitzer den Alkoholkonsum hinreichend einschränken kann, entspricht nicht nur dem eindeutigen Verordnungstext, sondern auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Ra 2017/11/0284; vgl weiters 2003/11/0310, 2005/11/0191, 2010/11/0248, 2011/11/0026,2012/11/0233 und Ra 2020/11/0076).

[11] 4. Ein Sachverständiger hat auch im Verwaltungsverfahren keine Rechtsfragen zu beantworten (VwGH Ro 2022/02/0023 mwN), sodass sich die Frage der Handhabe einer rechtlichen Bestimmung durch einen Sachverständigen im Allgemeinen gar nicht stellen kann.

[12] 5. Soweit im konkreten Fall Dr. B*, Primar Dr. R* und die Beklagte dennoch nicht nur auf Tatsachenebene die am 21. 5. 2013 aktuelle Alkoholabhängigkeit des Klägers bejaht haben, sondern auch auf die Rechtsfrage der (Dauer der) Entziehung der Lenkerberechtigung eingegangen sind, entspricht die von ihnen zugrunde gelegte Auslegung des § 14 Abs 1 FSG‑GV der Rechtslage. Eine relevante Mangelhaftigkeit ihrer gutachterlichen Stellungnahmen kann darin nicht erblickt werden.

[13] Auch insofern liegt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor.

[14] 6. Die Revision des Klägers ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[15] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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