OGH 15Os29/24i

OGH15Os29/24i17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen M* B* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 9. Oktober 2023, GZ 19 Hv 87/23k‑20.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00029.24I.0417.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M* B* mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Zeitraum von 2015 bis 14. März 2023 in A* gegen (zum Teil) unmündige Personen länger als ein Jahr hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

A./ gegen die am * 2006 geborene C* B*, indem er sie im Zeitraum von 2015 bis 2. April 2022 etwa einmal im Monat an den Unterarmen festhielt, wodurch sie teilweise Hämatome erlitt, ihr Ohrfeigen, Stöße und (selten) Tritte versetzte, sie an den Haaren zog und mit den Fingern gegen ihr Ohr schnipste, sie seit 2. April 2022 etwa alle drei Monate stieß und festhielt und sie am 14. März 2023 damit bedrohte, dass er sie, ihre Geschwister und ihre Mutter mit einer Kalaschnikov töten werde, wobei es ihm darauf ankam, sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 4);

B./ gegen den am * 2008 geborenen Mi* B*, indem er ihn im Zeitraum von 2015 bis 2. April 2022 einmal im Monat an den Haaren zog und ihm Stöße und (selten) Tritte versetzte und ihn ab 2. April 2022 alle drei Monate stieß;

C./ gegen den am * 2010 geborenen F* B*, indem er ihn im Zeitraum von 2015 bis 2. April 2022 einmal im Monat am Ohr zog und ihm Stöße versetzte und ihn ab 2. April 2022 etwa alle drei Monate stieß.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) macht nicht klar, weshalb im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; vgl dazu Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 27 ff) wegen der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB der bloß eine deliktsspezifische Definition des Gewaltbegriffs enthaltende Abs 2 leg cit mitzuzitieren gewesen sein sollte. Im Übrigen bliebe selbst eine lediglich falsche Bezeichnung der strafbaren Handlung im Ausspruch gemäß § 260 Abs 1 Z 2 StPO sanktionslos (RIS‑Justiz RS0116669).

[5] Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider leiteten die Tatrichter die Feststellungen zur Herbeiführung von Schmerzen und Unbehagen und damit zur jeweils nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Opfer durch die körperlichen Übergriffe (US 4) aus der „festgestellten Vorgehensweise des Angeklagten“ (US 2 f) ab (US 8). Das ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[6] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) stehen die Ausführungen in der Beweiswürdigung, wonach C* B* aussagte, sie und ihre Geschwister hätten die Misshandlungen und gewalttätigen Erziehungsmethoden des Angeklagten „als normal empfunden“ (US 6), zu den Konstatierungen nicht im Widerspruch (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438).

[7] Mit ihrer Kritik am Fehlen einer Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der gegen C* B* gerichteten Drohung (US 4; Z 5 vierter Fall) bekämpft die Beschwerde der Sache nach bloß eine einzelne Ausführungshandlung einer (hier festgestellten [US 4 f]) tatbestandlichen Handlungseinheit, ohne dabei die rechtliche Beurteilung zu tangieren. Damit spricht sie indessen keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (vgl RIS‑Justiz RS0127374 [insb T7]).

[8] Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) und der Subsumtionsrüge (Z 10) in Bezug auf die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erhobene Vorwurf „bloß auf die verba legalia des § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB“ reduzierter Urteilsannahmen legt nicht dar, aus welchen Gründen es den dazu getroffenen – in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wörtlich wiedergegebenen – Feststellungen (US 4 f) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090 [T2 und T3]). Welche weiteren Feststellungen über die konstatierte – „wiederholt und mit einer Regelmäßigkeit von zumindest einmal im Monat über eine längere Zeit von mehreren Jahren“ erfolgte – Gewaltausübung hinaus „im Hinblick auf die erforderlichen zeitlichen Komponenten […] für die Erfüllung einer Fortgesetztheit“ insoweit erforderlich gewesen wären, erklärt die Beschwerde nicht (vgl RIS‑Justiz RS0129716).

[9] Die vom Beschwerdeführer vermisste Feststellung, ob er bereits „bei Setzung der ersten Aggressionshandlung“ mit auf regelmäßige Gewaltanwendung über eine längere Zeit gerichtetem Vorsatz handelte, findet sich auf US 5 („bei jedem einzelnen Übergriff“).

[10] Soweit die Beschwerde reklamiert, in Bezug auf die gegen C* B* ausgesprochene Drohung fehlten Konstatierungen zum Vorsatz auf dadurch erfolgte Ausübung von Gewalt iSd § 107b StGB (im Rahmen der tatbestandlichen Handlungseinheit), wird sie – entgegen § 282 StPO – nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt, weil sie insoweit der Sache nach einen zusätzlichen Schuldspruch nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB anspricht (vgl RIS‑Justiz RS0128942; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 107b Rz 9).

[11] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) liegt mit Blick auf die Tatbegehung gegen drei (unmündige) Opfer der aggravierenden Wertung des Zusammentreffens dreier in gleichartiger Realkonkurrenz verwirklichter Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB keine Fehlbeurteilung zugrunde (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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