OGH 8Ob18/24s

OGH8Ob18/24s22.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer und Mag. Robert Oberlerchner, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 3.895,30 EUR sA, Feststellung und Einverleibung einer Servitut (7.500 EUR; in eventu Duldung) sowie Unterlassung (2.500 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 13. November 2023, GZ 2 R 116/23w‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00018.24S.0322.001

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen vom Wortlaut ausgehend die Parteienabsicht – unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrsübung und unter Heranziehung des Parteienverhaltens und ihrer Erklärungen, gemessen am Empfängerhorizont – zu erforschen. Es ist also nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht das, was schriftlich geäußert wurde, allein entscheidend (RS0017797; vgl RS0044358 [T49]): Es ist der Parteiwille zu erforschen und der Vertrag zu ergänzen, wenn feststeht, dass der schriftliche Vertragsinhalt die Absicht der Parteien nicht richtig wiedergibt (RS0017791).

[2] 1.2. Der Beurteilung, ob ein Vertrag richtig ausgelegt wurde, kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0042776; RS0042936; RS0044358; RS0112106). Die einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechtfertigt eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nämlich nur dann, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur eines unvertretbaren Auslegungsergebnisses oder einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RS0042936; RS0042776 [T10, T22]); dies gilt auch für die ergänzende Vertragsauslegung (RS0042936 [T41]).

[3] 2.1. Hier steht fest, dass der beklagte Grundeigentümer der Klägerin im Rahmen der Errichtung eines Eisenbahn-Großbauprojekts einerseits entgeltlich eine zeitlich befristete (später einvernehmlich auf insgesamt zwölf Jahre verlängerte) Servitut zur Nutzung von Ackerland als Bodenaushubdeponie eingeräumt hatte, und dass die Parteien andererseits vereinbart hatten, dass am Rande dieser Servitutsfläche ein vereinbarungsgemäß rund 4.100 m² großer (tatsächlich nur im Ausmaß von rund 3.900 m² in Anspruch genommener) Geländestreifen auf Grundstücken des Beklagten dauerhaft als der Ableitung von Oberflächenwasser dienende „seichte Mulde“ ausgeformt und von der Klägerin bepflanzt werden darf, so wie es dieser von der Behörde auch bescheidmäßig vorgeschrieben wurde.

[4] 2.2. Das Erstgericht wies zwar das Begehren auf Feststellung einer Servitut in Ansehung der „seichten Mulde“ ab (was unangefochten blieb), gab jedoch dem diesbezüglichen Eventualbegehren statt, der Beklagte habe deren Ausformung und Bepflanzung zu dulden. Weiters verbot es ihm, die durch die Klägerin vorgenommene Bepflanzung zu entfernen (er hatte gerodet und über die ihm zurückgestellten Deponieflächen hinaus auch in die „seichte Mulde“ hineingeackert), und verpflichtete ihn, der Klägerin die Kosten der Neubepflanzung zu ersetzen. Das Berufungsgericht bestätigte die klagsstattgebende Entscheidung.

[5] 2.3. Die Vorinstanzen stützten sich in Ansehung der „seichten Mulde“ und der Vereinbarung ihres Dauerbestands samt Bepflanzung auf ergänzende Vertragsauslegung, weil jene zwar nicht ausdrücklich im Servitutsvertrag erwähnt worden, aber in den dem Beklagten und seinem Rechtsvorgänger bekannten und mit ihm erörterten Projektunterlagen vorgesehen gewesen seien; zudem seien bei der vereinbarten Entschädigung die fraglichen Grundstücksflächen – anders als die dem Beklagten ackerfähig wieder zurückgestellten und von ihm zwischenzeitig wieder als Ackerflächen benützbaren und kultivierten Deponieflächen – in einem Ausmaß als „unproduktiv“ bewertet (und von 5 EUR auf 0,07 EUR pro m² abgewertet) worden, welches wirtschaftlich einer vollkommenen Ablöse gleichkomme; auch daraus ergebe sich, dass sich der Beklagte (bzw sein Rechtsvorgänger) zur Duldung der dauerhaften Umformung und Bepflanzung des Grundstücksstreifens verpflichtet habe.

[6] 3.1. Diese Auslegung hält sich methodisch wie inhaltlich im Rahmen der dargelegten Rechtslage und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[7] 3.2. Die Revision des Beklagten stützt sich zusammengefasst auf den schriftlichen Servitutsvertragstext, ohne jedoch die umfangreichen Feststellungen zu dessen Zustandekommen zu berücksichtigen. Der in der Revision angesprochene Umstand, dass die – der vorangehenden Planung entsprechende – bescheidmäßige Vorschreibung der Ausgestaltung und Bepflanzung der Mulde formell erst nach dem Servitutsvertrag (jedoch – was in der Revision unerwähnt bleibt – zeitlich vor der schon vom Kläger selbst unterfertigten Zusatzvereinbarung über die Verlängerung der Servitut) erfolgte, ist daher nicht ausschlaggebend.

[8] Aus dem Umstand, dass die eigentliche Servitut der Nutzung als Deponie befristet vereinbart wurde, ist nicht zwingend darauf zu schließen, dass der schriftliche Vertrag in Ansehung der „seichten Mulde“ nicht unbeabsichtigt unvollständig geblieben und der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zugänglich sein sollte. Dass der Wortlaut der Vereinbarung dem ergänzend festgestellten Vertragsinhalt auch nicht zwingend entgegensteht, ist jedenfalls vertretbar; eine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs erlaubende erhebliche Rechtsfrage läge im Übrigen nicht schon etwa dann vor, wenn auch eine vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung als vertretbar angesehen werden könnte (vgl RS0042776 [T2, T23]).

[9] 3.3. Welche Bedeutung es angesichts der konkreten Feststellungen in diesem Zusammenhang haben sollte, dass die Klägerin die Vertragserrichtung beauftragt hätte, wird von der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt.

[10] 3.4. Rechtliche Feststellungsmängel liegen im Hinblick auf vom Erstgericht (unbekämpft, teils disloziert auf den Seiten 7, 12 und 13 f seines Urteils) getroffene Feststellungen zu einer Bestandteil der Vereinbarung bildenden Pflicht zur Duldung der Ausgestaltung der fraglichen Grundstücksflächen und zur damit einhergehenden „Beanspruchung“ – dies auch im Sinne einer Bepflanzung – nicht vor.

[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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