OGH 13Os4/24y

OGH13Os4/24y6.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Drach in der Strafsache gegen * W* und andere Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * W* und * H* sowie der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. September 2023, GZ 26 Hv 22/23z‑40, sowie über die Beschwerde des Angeklagten * H* gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00004.24Y.0306.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten * W* und * H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * W* und * H* jeweils eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 18. Oktober 2022 in B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) einem anderen (im Urteil Genannten) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem sie ihm wiederholt Schläge in das Gesicht versetzten und ihm (nach einer Fixierung am Boden) mehrfach heftig gegen den Kopf und den Körper traten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die vom Angeklagten * W* auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, Z 10 und „Z 10 iVm Zi 9 lit b“ StPO, vom Angeklagten * H* auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „Z 9a“ StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * W*:

[4] Dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieben die Verantwortung der Angeklagten * W* und * H* und die Angaben der von der Beschwerde namentlich angeführten Zeugen beim Ausspruch über entscheidende Tatschen nicht unberücksichtigt, sondern wurden von den Tatrichtern, insbesondere unter Hinweis auf das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene (ON 39 S 26) Videomaterial, als unglaubwürdig verworfen (US 7, 8, 11 f, 13 f und 15 f). Das Eingehen auf jedes Detail dieser Aussagen war aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[5] Indem die Mängelrüge (Z 5) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[6] Nach den Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite kam es den Angeklagten * W* und * H* bei den – detailliert – beschriebenen Tätlichkeiten (US 6) geradezu darauf an, dem im Urteil Genannten durch diese eine schwere Körperverletzung zuzufügen (US 6).

[7] Weshalb es diesen Feststellungen am erforderlichen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090 [T2 und T3]), macht der Vorwurf der Verwendung der verba legalia (Z 9 lit a) nicht klar.

[8] Weshalb diese Feststellungen die Subsumtion nach § 87 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht nicht tragen sollten (Z 10, nominell auch Z 9 lit a und „Z 10 iVm Zi 9 lit b StPO“), leitet die Rüge nicht aus dem Gesetz ab. Solcherart entzieht sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0116565).

[9] Unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus den wuchtigen Tritten gegen den Kopf des am Boden fixierten Opfers (US 17) im Übrigen nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0098671).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * H*:

[10] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]). Ein solches Fehlzitat behauptet die Rüge nicht.

[11] Indem die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableiten als das Erstgericht, wenden sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[12] Wenn – wie hier – aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nur das angebliche Fehlen aktenkundiger Beweisergebnisse für die Schuld des Angeklagten, nicht aber gegen dessen Schuld sprechende Tatumstände releviert werden, gelangt eine Tatsachenrüge nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874).

[13] Soweit sich die Rüge mit inhaltsgleichem Vorbringen wie jene des Mitangeklagten W* gegen die Subsumtion des Urteilssachverhalts nach § 87 Abs 1 StGB wendet (nominell „Z 9a“, der Sache nach Z 10), ist sie auf das dazu Dargelegte zu verweisen.

[14] Indem sich die Beschwerde gegen die Anwendung der Strafrahmenbestimmung des § 39a Abs 1 Z 3 StGB (US 2) richtet (der Sache nach Z 11 erster Fall), ihre Argumentation aber nicht auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts (US 6) entwickelt, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

 

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufungen und die als erhoben zu betrachtende Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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