OGH 5Ob22/24g

OGH5Ob22/24g26.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Manfred Palkovits, Mag. Martin Sohm, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 8. November 2023, GZ 38 R 142/23y‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00022.24G.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht hob die auf § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung vom 18. 3. 2022 als rechtsunwirksam auf und wies das auf geräumte Übergabe der Wohnung Top 18 gerichtete Begehren ab.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die Revision nicht zu. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG sei schon deshalb nicht erfüllt, weil der Sohn der Beklagten, der mit ihr im Jahr 1986 in die aufgekündigte Wohnung gezogen sei, diese nach wie vor regelmäßig zu Wohnzwecken nütze. Die Überlassung einer Wohnung an einen Eintrittsberechtigten, wie hier den Sohn der Beklagten, verwirkliche den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG selbst dann nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Abtretung der Mietrechte nach § 12 Abs 1 MRG fehlten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen kann.

[4] 1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG ist gegeben, wenn der Mieter den Mietgegenstand weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen dringend benötigt. Dabei geht es um die Weitergabe des Mietgegenstands an Dritte, also um den tatsächlichen Vorgang des Verlassens der Wohnung durch den Mieter und deren Übernahme durch einen Dritten. Eine Änderung der Parteien des bestehenden Mietvertrags ist damit nicht verbunden.

[5] 1.1. Trotz Überlassung der Wohnung ist dieser Kündigungsgrund daher nicht erfüllt, wenn der Mieter oder eintrittsberechtigte Personen im Sinn des § 14 Abs 3 MRG im Zeitpunkt der Weitergabe (oder offenbar in naher Zeit) am Mietgegenstand einen dringenden Bedarf (ein dringendes Wohnbedürfnis) haben. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht festgehalten, dass die Überlassung des Mietgegenstands an eine eintrittsberechtigte Person den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG auch dann nicht verwirklicht, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG nicht vorliegen (RS0069472). Damit begründet es entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch keine Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Abtretung der Mietrechte an den Sohn der Beklagten ungeprüft ließ. Dass sich die Beklagte im Verfahren auf diese Bestimmung berufen haben mag, ist für das Vorliegen des von der Klägerin geltend gemachten Kündigungsgrunds hingegen ohne Relevanz. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage nach der Willenseinigung über die Weitergabe von Mietrechten.

[6] 1.2. Für die Frage, ob derjenige, an den die Wohnung weitergeben worden ist, zum Eintritt berechtigt war, ist nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Weitergabe abzustellen (RS0069472 [T3]).

[7] 1.3. Nach den Feststellungen ist die Beklagte mit ihrem damals 16 Jahre alten Sohn im Jahre 1986 in die aufgekündigte Wohnung eingezogen und hat darin mit ihm bis in das Jahr 1994 gemeinsam gelebt. Dass das Berufungsgericht – wie schon das Erstgericht – daraus ableitete, die Beklagte habe jedenfalls bis zu ihrem Auszug in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn gelebt, ist lebensnah und damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Soweit sie dazu Feststellungen vermisst, genügt es darauf zu verweisen, dass die Beklagte auch nach ihrem Auszug bis ins Jahr 2008 täglich in die Wohnung kam, um sich um ihren Sohn zu kümmern, für ihn zu kochen und Reinigungsarbeiten vorzunehmen. Damit hat sie erkennbar ihr Verhalten bis zum Auszug fortgesetzt, sodass amVorliegen eines gemeinsamen Haushalts jedenfalls bis zum Jahr 1994 vernünftigerweise nicht gezweifelt werden kann. Ob auch für die Zeit danach von einer gemeinsamen Haushaltsführung gesprochen werden könnte, muss mangels Relevanz nicht geprüft werden. Dass der Sohn ein dringendes Wohnbedürfnis hat, stellt die Klägerin ebenso wenig in Frage, wie die tatsächliche Nutzung der Wohnung ab dem Jahr 1994 durch ihn.

[8] 2. Abgesehen davon, dass auf den Fall der Weitergabe einer Wohnung nur § 30 Abs 2 Z 4 MRG – als die speziellere Regelung – anzuwenden ist (dazu RS0070500), vertritt auch die Klägerin, dass der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG nur dann vorliegt, wenn die Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird. Hier steht ohnedies fest, dass der Sohn der Beklagten in der aufgekündigten Wohnung wohnt und über keine andere Wohnmöglichkeit verfügt. Ob es für den Ausschluss dieses Kündigungsgrunds daher schon genügt, dass eine Wohnung „durch wen auch immer“ – allenfalls auch durch eine, dem berechtigten Nutzer unbekannte Person, wie die Klägerin meint – (regelmäßig) bewohnt wird, ist damit von bloß theoretischer Natur. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO spricht die Klägerin damit nicht an (RS0111271).

[9] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte