European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00057.23Z.0215.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.261,40 EUR (darin 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb von der beklagten Autohändlerin mit Kaufvertrag vom 24. 4. 2015 einen gebrauchten Audi A5 Sportback 2,0 TDI Quattro zum Preis von 35.900 EUR. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt ungefähr zwei Jahre alt und wies einen Kilometerstand von 11.520 auf. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss der Kläger mit einer Kfz-Leasing GmbH einen Leasingvertrag ab. Mit Abtretungsvereinbarung vom 1. 12. 2017 trat die Leasinggeberin dem Kläger sämtliche zivilrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Fahrzeug ab und der Kläger nahm diese Abtretung an.
[2] Im Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA189 der Abgasklasse Euro 5 verbaut, der vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen ist. Konkret war im Motorsteuergerät eine Software eingespielt, die bei der Emissionsprüfung im Zuge der europäischen Typengenehmigung die Abgasrückführung beeinflusste und eine optimierte Darstellung der Stickoxidwerte bewirkte. Nach einem Software-Update im Juli 2016 kommt der emissionsmindernde Modus auch im realen Fahrbetrieb zur Anwendung, er ist aber nur bei Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius voll wirksam („Thermofenster“). Von diesen Eigenschaften abgesehen wies das Klagsfahrzeug weder vor noch nach dem Software-Update damit zusammenhängende Mängel auf.
[3] Der letzte bekannte Kilometerstand vor Schluss der Verhandlung betrug im Februar 2019 72.300. Der Händlereinkaufspreis belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 13.970 EUR brutto.
[4] Der Kläger erfuhr etwa Ende September/Anfang Oktober 2015 aus den Medien vom sogenannten „Abgasskandal“. Mit der im Dezember 2017 eingebrachten Klage begehrte er primär Wandlung durch Rückgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich 6.439,02 EUR Benützungsentgelt, weiters erhob er ein Feststellungsbegehren.
[5] Die Beklagte wandte ein, das Fahrzeug sei mängelfrei. Der Gewährleistungsanspruch sei außerdem verjährt. Hilfsweise machte sie eine Gegenforderung von 21.930 EUR an angemessenem Benützungsentgelt geltend, das sie aus der Differenz zwischen Kaufpreis und Händlereinkaufspreis errechnete.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Beklagte trage an der Abgasproblematik kein Verschulden, sie habe auch keinen Irrtum beim Kläger veranlasst. Das Fahrzeug sei mängelfrei, sodass keine Wandlung in Betracht komme. Es weise nach dem Software-Update die gewöhnlich vorausgesetzten und konkret vereinbarten Eigenschaften auf, sei ohne Einschränkungen nutzbar, wertbeständig und verfüge über eine aufrechte Typengenehmigung.
[7] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge. Es gab dem Wandlungsbegehren statt und verpflichtete die Beklagte Zug um Zug zur Zahlung des Klagsbetrags unter Berücksichtigung einer mit 3.463,29 EUR festgestellten Gegenforderung.
[8] Der Motor des Klagsfahrzeugs sei ursprünglich mit einer unzulässigen „Umschaltlogik“ versehen gewesen, die einen erheblichen Mangel dargestellt habe. Dieser Mangel sei durch das Software-Update nicht behoben worden, weil das „Thermofenster“, jedenfalls in der festgestellten Wirkungsbreite, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Obersten Gerichtshofs ebenfalls eine nach der VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Aufgrund des fehlgeschlagenen Verbesserungsversuchs stehe dem Kläger der sekundäre Gewährleistungsbehelf zur Verfügung. Da das Software-Update im Juli 2016 erfolgte, sei der Anspruch bei Klagseinbringung nicht verjährt gewesen.
[9] Das angemessene Benützungsentgelt sei nach dem Verhältnis der durchschnittlichen Restgesamtfahrleistung bei Ankauf zu den gefahrenen Kilometern auf Basis des Ankaufspreises zu berechnen.
[10] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch unklar sei, ob das „Thermofenster“ dann zulässig wäre, wenn die Abschaltung nur während der Hälfte des Jahres aktiviert ist.
[11] Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sämtliche darin angesprochenen Rechtsfragen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt sind.
Rechtliche Beurteilung
[12] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
[13] Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es angesichts der jedenfalls unzulässigen Abschalteinrichtung nicht darauf ankommt, ob Emissionsgrenzwerte im realen Fahrbetrieb trotz der unzulässigen Abschalteinrichtung eingehalten werden (10 Ob 31/23s; 8 Ob 118/23w; ebenso BGH VIa ZR 335/21 Rn 51; anders noch 3 Ob 77/23d).
[14] Das Berufungsgericht war daher nicht verpflichtet, zu diesem Thema Beweisaufnahmen durchzuführen. Auf diese Rechtsprechung ist die Beklagte auch zu verweisen, soweit sie das Fehlen von Feststellungen über die Abgaswerte des Klagsfahrzeugs im Normalbetrieb auch unter anderen Revisionsgründen, insbesondere als sekundären Feststellungsmangel, geltend macht.
[15] 2. Der Oberste Gerichtshof hat zu 10 Ob 2/23a nach Einholung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. 7. 2022, C‑145/20 , klargestellt, dass eine „Umschaltlogik“, wie sie auch im Fahrzeug des Klägers verbaut war, eine nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung darstellt und der damit verbundene Sachmangel auch durch ein Software-Update nicht behoben wird, wenn diese Software ein „Thermofenster“ zwischen 15 Grad Celsius bis 33 Grad Celsius beinhaltet, aufgrund dessen die Abgasrückführung aufgrund der in Österreich herrschenden klimatischen Verhältnisse nur in vier oder fünf Monaten des Jahres uneingeschränkt funktioniert, während im übrigen Teil des Jahres die Abgasrückführung durch die Abschalteinrichtung reduziert ist (10 Ob 2/23a; 6 Ob 150/22k; 3 Ob 121/23z; 8 Ob 118/23w; 6 Ob 16/23f).
[16] Eine derartige Abschalteinrichtung liegt auch beim Klagsfahrzeug vor. Überzeugende Gründe, aus denen sie in diesem Einzelfall rechtlich eine andere Beurteilung erfordern würde, legt die Revision nicht dar.
[17] Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0106638; RS0037797). Der Kläger hat das Vorhandensein einer nach Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG grundsätzlich unzulässigen, nur in Ausnahmefällen zulässigen Abschalteinrichtung behauptet und für die beim Kauf vorhandene Umschaltlogik auch bewiesen. Er musste nicht nachweisen, dass der einmal unter Beweis gestellte Mangel immer noch vorhanden ist, sondern die Beklagte, dass er wirksam beseitigt wurde. Mit dem – wie in der Revision aber reklamiert wird – bloßen Bestreiten des Klagsvorbringens konnte sie diesen Beweis nicht antreten.
[18] 3. Es ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass es nicht auf die durchschnittliche Umgebungstemperatur im gesamten Unionsgebiet ankommt (3 Ob 40/23p; 6 Ob 16/23f; 8 Ob 118/23w).
[19] 4. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung, weil der Kläger sich erstmals im Februar 2019 darauf gestützt habe, dass das Software-Update mit dem „Thermofenster“ eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Bis dahin habe er nur die Unzulässigkeit der ursprünglichen Umschaltlogik geltend gemacht. Er habe dadurch eine Klagsänderung vorgenommen und einen neuen Anspruchsgrund behauptet. Für diesen Anspruch habe im Juli 2016 eine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen, die bei der Geltendmachung 2019 bereits abgelaufen gewesen sei.
[20] Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat, dass ein Käufer, der unter Hinweis auf die Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ zur Durchführung eines Software-Updates aufgefordert wird, dieses Verhalten dahin verstehen muss, dass die Gewährleistung aus dem Verkauf eines den geltenden Abgasvorschriften widersprechenden Fahrzeugs anerkannt und auf die Einrede der allenfalls bereits eingetretenen Verjährung verzichtet wird. Da der Verbesserungsversuch gescheitert ist, weil das Fahrzeug auch nach dem Software-Update nicht den geltenden Zulassungsvorschriften entspricht, und es sich dabei auch um keinen bloß geringfügigen Mangel handelt, hat der Kläger Anspruch auf Wandlung des Kaufvertrags (8 Ob 40/23z; vgl 9 Ob 55/23p; 8 Ob 118/23w ua).
[21] Die Revisionsausführungen zeigen keine Argumente auf, die ein Abweichen von dieser gefestigten Rechtsprechung indizieren könnten.
[22] Auch im vorliegenden Fall hat der Kläger aufgrund der Einwendungen der Beklagten, nach deren Standpunkt das „Thermofenster“ eine zulässige Abschalteinrichtung wäre, das Fehlschlagen der behaupteten Verbesserung geltend gemacht. Der in einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestehende Mangel liegt, wenn auch modifiziert, dem Grunde nach immer noch vor. Daran ändert es auch nicht, wie die Revision umfangreich argumentiert, dass es sich nach der jüngeren Rechtsprechung um einen Sach- und keinen Rechtsmangel handelt (zuletzt etwa 2 Ob 137/23w ua).
[23] 5. Zur besonderen Vertragskonstruktion im Zusammenhang mit dem Leasing (vgl ua dazu ausführlich 8 Ob 109/23x) bringt die Revision nichts vor. Einer Ergänzung des Verfahrens zur Klärung der konkreten Vertragslage des Klägers im Zusammenhang mit der Finanzierung des Fahrzeugs bedarf es daher nicht.
[24] Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.
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