European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00002.24B.0213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.599,90 EUR (darin 266,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger wurde aufgrund einer Verletzung der rechten Hand im August und Oktober 2020 im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus operiert.
[2] Das Erstgericht verneinte den auf unvollständige Aufklärung und fehlerhafte Behandlung gestützten Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten mangels Passivlegitimation und wies das erhobene Leistungs-und Feststellungsbegehren ab. Es ging davon aus, dass die Beklagte nicht zur Behandlung verpflichtet gewesen sei.
[3] Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung nicht und hob das Urteil des Erstgerichts zur Klärung der Frage auf, ob ein von der Beklagten zu vertretender Aufklärungs‑ und Nachbehandlungsfehler zu einem Schaden des Klägers geführt habe. Nach der Vertragsurkunde sei von einem Behandlungsvertrag zwischen Krankenhaus und Patient auszugehen. Die mündlich erteilte Information sei mit dem sich aus dem Patientenaufnahmeformular ergebenden totalen Krankenhausaufnahmevertrag (mit Arztzusatzvertrag) anstandslos in Einklang zu bringen.
[4] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Auslegung eines von einem Patienten mit einem Belegspital abgeschlossenen standardisierten Vertrags als totaler Krankenhausaufnahmevertrag Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der – vom Kläger beantwortete – Rekurs des Beklagten ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[6] 1.1. Wird ein Patient in ein Krankenhaus stationär aufgenommen und heilbehandelt, schließt er einen Krankenhausaufnahmevertrag mit dem Rechtsträger des Krankenhauses ab (4 Ob 208/17t).
[7] Nach herrschender Auffassung (vgl 6 Ob 149/18g; 10 Ob 34/10p) werden herkömmlicherweise drei Grundtypen von Krankenhausaufnahmeverträgen unterschieden: Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet sich der Krankenhausträger, alle für die stationäre Behandlung erforderlichen Leistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung zu erbringen. Er begründet ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen Patienten und Krankenhausträger. Der Arzt tritt nur als Erfüllungsgehilfe der Krankenanstalt auf. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag beschränkt sich der Vertrag mit dem Krankenhausträger auf die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Versorgung, während die ärztlichen Leistungen aufgrund eines besonderen Vertrags mit dem Arzt erbracht werden. Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag verpflichtet sich das Krankenhaus ebenfalls zur umfassenden Leistungserbringung einschließlich der ärztlichen. Daneben schließt der Patient einen weiteren Vertrag über die ärztlichen Leistungen mit dem behandelnden Arzt.
[8] Eine Verpflichtung des Rechtsträgers des Krankenhauses zu ordnungsgemäßer Aufklärung und Behandlung besteht jedenfalls beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag (mit oder ohne Arztzusatzvertrag) und es ist – wenn ein Arztzusatzvertrag besteht – möglich, dass die Pflichtenkreise des Belegarztes und des Belegspitals einander überschneiden (8 Ob 103/09v ErwGr II.2.; 1 Ob 267/99t).
[9] 1.2. Welcher der genannten Grundtypen eines Krankenhausaufnahmevertrags zustande kam, also wozu sich die Beklagte im Einzelnen gegenüber dem Kläger verpflichtete, ist somit nach den allgemeinen Regeln der zivilrechtlichen Rechtsgeschäftslehre zu lösen (vgl 1 Ob 161/16g). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776). Insbesondere hängt die Frage, ob im Einzelfall eine solidarische Haftung sowohl des Belegarztes als auch des Krankenhausträgers zu bejahen ist, stets von den konkreten Umständen ab und lässt sich daher nicht generell beurteilen (8 Ob 103/09v ErwGr II.2.).
[10] 1.3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass vom Zustandekommen eines Vertrags mit der Beklagten auszugehen sei, der (auch) die Behandlung des Klägers umfasst habe, überschreitet den ihm danach zukommenden Beurteilungsspielraum nicht:
[11] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es Sache des Rechtsträgers der Krankenanstalt, durch eindeutige Vertragsgestaltung die Rechtsnatur des Krankenhausaufnahmevertrags zweifelsfrei zu bestimmen (10 Ob 34/10p ErwGr 3.; 3 Ob 268/06t). Abgesehen davon, dass das vom Kläger bei der Patientenaufnahme unterfertigte Formular (./1 und ./2), das im Kopf die Beklagte ausweist, den Vertrag selbst als „Behandlungsvertrag“ bezeichnet und darin auch ärztliche Leistungen angesprochen werden, behauptet die Beklagte nicht, dass die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen dem Kläger gegenüber ausdrücklich beschrieben oder auf bestimmte Inhalte beschränkt worden wären. Das (bloße) Wissen, dass die Beklagte eine „Privatklinik“ war, könnte für einen redlichen und verständigen Erklärungsempfänger in der Situation des Klägers allenfalls darauf hindeuten, dass es von einem privaten Unternehmen betrieben wird oder keine Direktverrechnung über einen Krankenversicherungsträger erfolgt, sagt aber nichts über die vom Krankenhausträger (nicht) zu erbringenden Leistungen aus.
[12] Entgegen der im Rekurs vertretenen Rechtsansicht betrifft der im „Patientenaufnahmeformular“ enthaltene Passus, wonach die behandelnden Ärzte für ärztliche Behandlungsfehler haften, nur die Haftungsfrage (zu den behandelnden Ärzten). Aus welchen Gründen dieser Passus nach „der Absicht der Parteien“ oder „der Übung des redlichen Verkehrs“ auch die vom Krankenhaus zu erbringenden Leistungen regeln und auf nicht‑ärztliche Leistungen beschränken soll, legt die Beklagte im Rekurs nicht offen. Jedenfalls entspricht die von der Beklagten vertretene Auslegung nicht dem oben angesprochenen Gebot des Krankenhausträgers, den Krankenhausaufnahmevertrag zweifelsfrei zu gestalten, weil (wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat) dieser Passus als Hinweis auf die ohnehin bestehende deliktische Arzthaftung verstanden werden kann.
[13] Das zwischen Belegarzt und Rechtsträger des Krankenhauses bestehende (und dem Kläger nicht offengelegte) Rechtsverhältnis (freiberuflicher oder in einem Arbeitsverhältnis stehender Arzt) ist für die Frage, wie der Kläger ein Erklärungsverhalten der Beklagten verstehen durfte, nicht entscheidend. Insbesondere steht die Eigenschaft des behandelnden Arztes als Belegarzt der Qualifikation des Vertrags mit der Beklagten als totaler Krankenhausaufnahmevertrag – wie ausgeführt – nicht grundsätzlich entgegen.
[14] 2. Soweit im Rekurs eine Haftung der Beklagten für ein Verhalten eines behandelnden Arztes generell in Abrede gestellt wird, weil es sich dabei um selbständige Ärzte handle, die nicht Erfüllungsgehilfen iSd § 1313a ABGB seien, übersieht die Beklagte, dass nach der Rechtsprechung alle Personen, derer sich der Krankenanstaltenträger zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag bedient, seine Erfüllungsgehilfen sind (8 Ob 98/20z ErwGr A.II.2.2), unabhängig davon, ob es sich dabei um selbständige Unternehmer handelt (RS0028563).
[15] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn der Rechtsmittelgegner – wie hier – auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (RS0123222 [T8, T14]; RS0035976 [T2]).
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