OGH 3Ob268/06t

OGH3Ob268/06t30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Lukas L*****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Univ. Prof. Dr. Josef D*****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien und 2. Verein Ö*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 505.371,74 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. März 2006, GZ 15 R 175/05y-124, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. August 2005, GZ 5 Cg 71/04d-110, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Dem Berichtigungsantrag der zweitbeklagten Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss vom 27. Juni 2006, GZ 3 Ob 135/06h-128, aufgehoben wird.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

a) Das Urteil zweiter Instanz wurde dem Rechtsvertreter des zweitbeklagten Vereins am 13. April 2006 zugestellt, wie sich aus dem Rückschein ergibt und auch in deren Revisionsschrift dargestellt wird. Somit endete die ihm offenstehende vierwöchige Revisionsfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) mit Ablauf des 11. Mai 2006.

Seine nach dem Poststempel auf dem Briefumschlag scheinbar am 12. Mai 2006 zur Post gegebene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss vom 2. Juni 2006 AZ 3 Ob 135/06h als verspätet zurückgewiesen. Nunmehr beantragt die zweitbeklagte Partei unter Vorlage des betreffenden Postaufgabescheins nach, wonach sie ihr Rechtsmittel tatsächlich bereits am 11. Mai 2006 beim Postamt 1030 Wien aufgegeben hatte, den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und über das Rechtsmittel zu entscheiden.

Ihr Berichtigungsantrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie sich aus dem Akt ergibt, war die in einem Fensterkuvert steckende Revisionsschrift an das Erstgericht, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, mit der durch das Fenster sichtbaren Adresse 1010 (statt 1040) Wien (sowie der richtigen Straßenbezeichnung und Hausnummer) versehen. Auf dem Postweg gelangte die mit einem unleserlichen Poststempel versehene Sendung zunächst zu dem für den Justizpalast zuständigen Postamt 1016 Wien, wo es am 12. Mai 2006 einen neuerlichen Stempelaufdruck erhielt. Auf dem Kuvert wurde von unbekannter Hand die seit der Übersiedlung des Erstgerichts aus dem Justizpalast korrekte Postleitzahl 1040 Wien hinzugefügt und die unrichtige gestrichen. In der Folge langte der Brief am 15. Mai 2006 beim Erstgericht ein; beim Eingangsvermerk ist als Postaufgabedatum (wie nunmehr feststeht irrig) der 12. Mai 2006 angeführt. Nach § 89 GOG wird die Zeit des Postlaufs in die (hier Rechtsmittel-)Frist nicht eingerechnet. Dies gilt zwar nach stRsp nur, wenn es auch an das richtige Gericht gerichtet ist (Gitschthaler in Rechberger² §§ 124-126 ZPO Rz 16). Darüber hinaus muss auch die Anschrift richtig sein. Die durch eine unrichtige Adresse ausgelöste Verzögerung geht zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0060177 [T1]). Ein solches Rechtsmittel müsste, um rechtzeitig zu sein, am letzten Tag der Frist beim Adressatgericht eingelangt sein (5 Ob 275/01d = MietSlg 53.674 mwN). Zwar war im vorliegenden Fall die Adressierung teilweise (was die Postleitzahl betrifft) nicht korrekt, was zu einer Fehlleitung des Briefs mit daraus resultierender weiterer Verzögerung des Zugangs beim Adressatgericht führte. Auch unter den gegebenen Umständen - Sendung an ein Gericht in einer Großstadt mit vielen Postleitzahlen und zahlreichen Gerichten - kann aber dieser nur eine Ziffer der Postleitzahl betreffende Fehler nicht zur Beurteilung führen, der zweitbeklagten Partei sei eine zur Einrechnung des Postlaufs in die Revisionsfrist führende unrichtige Adressierung anzulasten. Sowohl Gerichtsbezeichnung als auch Ort, Straßenname und Hausnummer waren zutreffend angegeben, weshalb über die Identität des Adressaten kein ernsthafter Zweifel bestehen konnte, auch wenn der Österreichischen Post AG tatsächlich eine verzögerungsfreie Beförderung nicht gelang. Demnach ist die außerordentliche Revision als rechtzeitig anzusehen und nach Aufhebung der sie als verspätet zurückweisenden Entscheidung inhaltlich zu behandeln.

b) Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig. In dritter Instanz ist noch strittig, ob der zweitbeklagte Rechtsträger einer Kranken- und Entbindungsanstalt gegenüber dem Kläger für den Erstbeklagten, den seinerzeitigen angestellten Primarius (Leiter) der Geburtshilfeabteilung als seinem Erfüllungsgehilfen zu haften hat. Dieser hat die Bestätigung des auch ihm gegenüber ergangenen Zwischenurteils des Erstgerichts über den Grund des Anspruchs (auf Grund eines ihm anzulastenden Fehlverhaltens bei der Geburt des Klägers) nicht angefochten. Ein schriftlicher Aufnahmevertrag (mit der Mutter des Klägers) liegt nicht vor. Nach Ansicht des Gerichts zweiter Instanz habe die Mutter des Klägers mit dem Rechtsträger keinen „gespaltenen", sondern einen „totalen" Krankenhausaufnahmevertrag geschlossen. Er habe die medizinische Betreuung solidarisch mit dem Erstbeklagten geschuldet, weshalb er auch soldarisch mit diesem und zwar als für dessen Behandlungsfehler als den eines Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB hafte. Wie schon im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt wurde, wurde der Begriff des „Belegarzts" vom Obersten Gerichtshof schon in mehreren Entscheidungen definiert. Eine gesetzliche Regelung gibt es dafür nicht. Demnach schließt beim Belegarztsystem (idR) der Patient mit dem Arzt einen Vertrag über die medizinische Behandlung und mit dem Träger des „Belegspitals" einen sogenannten „gespaltenen" Krankenhaus(aufnahme)vertrag, nach dem dieser „im Regelfall" die krankenhausspezifischen Hilfs- und Zusatzdienste einschließlich der als „Hotelkomponente" charakterisierten Leistungen schuldet (10 ObS 235/03m mwN). Beim „totalen" Krankenhaus(aufnahme)vertrag schuldet dagegen der Krankenhausträger auch die medizinische Behandlung. Wie ein im Einzelfall (auch konkludent) geschlossener Vertrag auszulegen ist, begründet idR keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ABGB. Im angefochtenen Urteil hat sich der Senat des Gerichts zweiter Instanz gründlich mit all den Umständen auseinandergesetzt, unter denen die Mutter des Klägers in das Krankenhaus des zweitbeklagten Vereins aufgenommen wurde und ist zum Ergebnis gekommen, es sei eine (uneingeschränkte) Krankenhausaufnahme vereinbart worden (und zusätzlich mit dem Erstbeklagten eine Vereinbarung, dass dieser persönlich die Entbindung durchführen werde). Eine auch über außerordentliche Revision wahrzunehmende auffallende Fehlbeurteilung kann der Revisionswerber nicht darlegen. Dass die zweite Instanz von der Entscheidung 8 ObA 41/02s = Arb

12.268 abgewichen wäre, trifft nicht zu, setzt sie sich doch mit der im Zusammenhang mit dessen Äußerungen gegenüber dem Patienten erzielten Beurteilung, die „Zuordnung eines Belegarztes zum Kreise der leitenden Ärzte" des Krankenhauses sei in der Regel - diese Einschränkung bleibt in der Revisionsschrift unerwähnt - ausgeschlossen, in Wahrheit nicht in Widerspruch zum Obersten Gerichtshof, nach dessen Ansicht der Belegarzt in der Regel ein freiberuflicher Arzt sei. Auch die Befürchtung, man müsse künftig leitenden Ärzten die Tätigkeit als Belegarzt in der Krankenanstalt untersagen, in der sie angestellt sind, um nicht für diese haften zu müssen, ist unbegründet, liegt es doch an deren Rechtsträgern selbst, durch eindeutige Vertragsgestaltung die Rechtsnatur des Krankenhausaufnahmevertrags zweifelsfrei zu bestimmen. Auch eine unrichtige Anwendung des § 914 ABGB vermag der Revisionswerber konkret nicht aufzuzeigen. Entgegen seiner anscheinend vertretenen Auffassung ist diese Norm nicht dahin zu verstehen, es habe sein alleiniger Wille (keine medizinische Behandlung versprechen zu wollen) den Ausschlag zu geben. Vielmehr gilt bei fehlender tatsächlicher Willensübereinstimmung die erkennbare Absicht, wie sie ein redlicher Erklärungsempfänger verstehen durfte (stRsp, Bollenberger in KBB § 914 ABGB Rz 6 iVm § 863 ABGB Rz 3; Rummel in Rummel³ § 914 ABGB Rz 4 je mwN). Auch gegen die Zurechnung der Äußerungen ihres Primararztes, der sich gegenüber der Mutter des Klägers schon bei deren ersten Zusammentreffen als solcher zu erkennen gab, vermag sie nichts Stichhältiges einzuwenden, steht diese doch mit § 1029 zweiter Satz ABGB im Einklang, der nach der Rsp auch für „Verwalter" von Betrieben und Betriebsteilen, daher auch den Leiter einer Spitalsabteilung gilt (Strasser in Rummel³ §§ 1027-1033 ABGB Rz 11 mwN).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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