European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00088.23Z.0124.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Finanzstrafsachen
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Wertersatzstrafe sowie der zu dieser bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit ihrer Berufung gegen den Ausspruch der Wertersatzstrafe wird die Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung gegen den sonstigen Strafausspruch werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * S* mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie vom 19. Juli 2016 bis zum 15. Februar 2018 im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Zollamts Graz in mehreren Angriffen Sachen, nämlich zusammen 434.700 chinesische Pflaumen, hinsichtlich welcher eine Verkürzung von Eingangsabgaben in der Gesamthöhe von 95.286,24 Euro (60.278,40 Euro an Zoll und 35.007,84 Euro an Einfuhrumsatzsteuer) begangen worden war, an sich gebracht und verhandelt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die aus Z 5, 9 lit a und lit b sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
[4] § 37 Abs 1 lit a FinStrG erfordert, dass hinsichtlich der tatverfangenen Sache eine Vortat begangen worden ist, die – unter anderem (wie hier vom Erstgericht angenommen) – in einer Verkürzung von Eingangsabgaben bestehen kann (zum Abgabenbegriff des § 2 Abs 1 FinStrG, der auch die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erhebende Einfuhrumsatzsteuer [§ 2 Abs 1 lit c FinStrG] sowie Zölle [als durch unmittelbar wirksame Rechtsvorschriften der Europäischen Union geregelte Abgaben im Sinn des § 2 Abs 1 lit a FinStrG] umfasst, siehe Lässig in WK2 FinStrG § 2 Rz 2 und 4).
[5] Die Vortat muss tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangen sowie faktisch vollendet worden sein (Lässig in WK2 FinStrG § 37 Rz 4, RIS‑Justiz RS0086500 [T4 und T5]), auf die Strafbarkeit (einer bestimmten Person als Täter der Vortat) kommt es aber nicht an (§ 37 Abs 5 FinStrG).
[6] Ebenso wenig verlangt das Gesetz, dass die Vortat im Inland begangen (§ 5 Abs 2 erster Satz FinStrG) worden ist oder sonst nach Maßgabe des § 5 Abs 1 und 2 FinStrG der finanzstrafrechtlichen Verfolgung im Inland unterliegt. Auch im Ausland gesetzte Verhaltensweisen können demnach taugliche Vortat sein, wenn sie – nach österreichischem Recht beurteilt – einer strafbaren Handlung aus dem in § 37 Abs 1 lit a FinStrG normierten Vortatenkatalog subsumiert werden können (vgl RIS-Justiz RS0130928 [zu § 165 StGB]).
[7] Hiervon ausgehend ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung, somit nicht entscheidend (RIS‑Justiz RS0106268), ob die festgestellten Vortaten Dritter in Österreich oder in Großbritannien begangen worden sind.
[8] Soweit die Mängelrüge einen diesbezüglichen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen Urteilsfeststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 StPO iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO) behauptet, verfehlt sie daher – von vornherein – den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.
[9] Im Übrigen ging das Schöffengericht – unmissverständlich – davon aus, dass die tatverfangenen Dörrpflaumen zunächst „per Flugzeug von China nach London“ (US 3), somit nach Großbritannien (als Eintrittsland), „ohne Versteuerung und Abfuhr der entsprechenden Zölle“ eingeführt und anschließend – innerhalb der Zollunion – von dort nach Österreich geliefert wurden (US 4). Demzufolge wurden die Vortaten jedenfalls auch (darüber, wo einzelne Vortäter gehandelt [§ 5 Abs 2 erster Satz FinStrG] haben, sagt das angefochtene Urteil nichts aus) in Großbritannien begangen. Denn dort ist auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 3 f) die Verkürzung von (auf die tatverfangenen Dörrpflaumen entfallenden) Eingangsabgaben – infolge Nichtfestsetzung der Zoll- und der Einfuhrumsatzsteuerschuld bei deren Entstehung (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 35 Rz 1 f und 15) – bewirkt worden, der jeweilige, dem Tatbild des § 35 Abs 2 FinStrG entsprechende Erfolg also eingetreten (§ 5 Abs 2 erster Satz FinStrG).
[10] Wie die weitere Beschwerde an sich zutreffend ausführt, sind Täter (§ 11 FinStrG) der Vortat nicht (auch) wegen einer anschlussdeliktischen Abgabenhehlerei zu bestrafen. Setzt der Täter in Bezug auf ein und denselben Gegenstand nacheinander Verhaltensweisen, die einer der im Vortatenkatalog des § 37 Abs 1 lit a FinStrG genannten strafbaren Handlungen und § 37 Abs 1 FinStrG selbst subsumierbar sind, wird Letzterer von der durch die Vortat verwirklichten strafbaren Handlung im Wege von Scheinkonkurrenz (Konsumtion als straflose „Nachtat“) verdrängt (Lässig in WK2 FinStrG § 37 Rz 2).
[11] Unter diesem Aspekt bezeichnet die Mängelrüge Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin
‑ sich „[s]pätestens im Frühjahr 2016 entschloss, […] einen Handel mit chinesischen Dörrpflaumen in Österreich aufzubauen (US 3)“, und
‑ über einen „Kontaktmann […] begann, neben der ordentlich verzollten und versteuerten Lieferungen an Dörrpflaumen auch einen zweiten Weg des Importes aufzubauen, welcher ohne Versteuerung und Abfuhr der entsprechenden Zölle laufen sollte“,
als undeutlich (Z 5 erster Fall). Dass damit keine (auch das entsprechende subjektive Handlungselement umfassende) Tatsachengrundlage für die rechtliche Annahme einer im Inland strafbaren (vgl RIS‑Justiz RS0130929 [T1]) Beteiligung (§ 11 FinStrG) der Beschwerdeführerin an den Vortaten Dritter (US 3 f) geschaffen wurde, ist jedoch – bei gebotener (RIS‑Justiz RS0119370) Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe – unzweifelhaft erkennbar (zu möglichem „Wiederaufleben“ verdrängter strafbarer Handlungen bei Fehlen einer Strafbarkeitsvoraussetzung hinsichtlich der verdrängenden normativen Kategorie vgl im Übrigen Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 70 ff sowie – unter dem Blickwinkel der Anklageerledigung – Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 535 ff). Welchen konkreten („etwaigen“) Feststellungen die erwähnten Konstatierungen in dieser Hinsicht widersprechen (Z 5 dritter Fall) sollten, sagt die Beschwerde nicht. Ebenso wenig macht sie deutlich, worin sie zwischen dem „Spruch“ des Ersturteils einerseits und den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) sowie den Urteilserwägungen zur genauen Kenntnis der Beschwerdeführerin von der „Schmuggelroute“ (US 5), zu ihrem „Insiderwissen“ über den genauen Ablauf der Vortaten (US 5) und zum Umstand, dass sie „die Rechnungen selbst geschrieben“ habe (US 6), andererseits einen „Widerspruch hinsichtlich einer Beteiligung an der Vortat“ erblickt.
[12] Sinnfällig kein Widerspruch besteht zwischen der Feststellung, die Beschwerdeführerin habe begonnen, „neben der ordentlich verzollten und versteuerten Lieferungen an Dörrpflaumen auch einen zweiten Weg des Importes aufzubauen, welcher ohne Versteuerung und Abfuhr der entsprechenden Zölle laufen sollte“ (US 3), und der Urteilsaussage, die Beschwerdeführerin habe für jene „Pflaumen“, die eine bestimmte Abnehmerin bei ihr bestellt habe, „[n]achweislich […] weder Zoll, noch Einfuhrumsatzsteuer“ bezahlt (US 7).
[13] Ebenso wenig widersprechen einander die Feststellungen zur Gesamtmenge der von der Beschwerdeführerin (im Sinn des § 37 Abs 1 lit a FinStrG tatbestandsmäßig) an sich gebrachten oder verhandelten Pflaumen (US 4) sowie zu ihrem darauf bezogenen Vorsatz (US 4) und Urteilsaussagen, wonach ein Großteil dieser Dörrpflaumen an die Beschwerdeführerin selbst, ein Teil davon jedoch direkt an einzelne ihrer Abnehmer geliefert worden ist (US 8).
[14] Hinzugefügt sei, dass das Tatbestandsmerkmal des (vom Vorsatz umfassten) „Verhandelns“ (§ 37 Abs 1 lit a FinStrG) – auf der Basis des Urteilssachverhalts – auch hinsichtlich jener Dörrpflaumen erfüllt ist, die über Veranlassung der Beschwerdeführerin unmittelbar an deren Abnehmer gelangten.
[15] Die Strafrahmenbildung hat vorliegend nach § 37 Abs 2 FinStrG (idF vor BGBl I 2019/62) zu erfolgen. Weshalb es dabei auf (aus Beschwerdesicht, die sich im Übrigen über den gegenteiligen Urteilsinhalt hinwegsetzt, nicht erfüllte) Kriterien des § 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG überhaupt ankommen sollte, macht die – insoweit eventualiter auf Z 9 lit a gestützte – Beschwerde (der Sache nach Z 11 erster Fall) nicht klar.
[16] Der Einwand, das Schöffengericht habe „sämtliche entscheidungswesentlichen Feststellungen“ „de facto ausschließlich auf die Arbeit und Angaben des Zollbeamten * R* gestützt“ (Z 5 vierter Fall), versäumt es zum einen, sich auf konkrete Feststellungen zu beziehen (siehe aber RIS‑Justiz RS0130729 [T1]), und missachtet zum anderen die – sowohl die Verantwortung der Beschwerdeführerin als auch eine Vielzahl weiterer Verfahrensergebnisse miteinbeziehende (US 4 bis 8) – Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen (siehe aber RIS‑Justiz RS0119370).
[17] Welche „[k]onkrete[n]“ – über die ohnedies getroffenen (US 3 f) hinausgehenden – Feststellungen zu „sämtlichen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der angenommenen Vortat“ sie vermisst, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht deutlich (siehe aber RIS‑Justiz RS0099620 und RS0118342).
[18] Ebenso wenig legt sie methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb
‑ die Rechtsrichtigkeit des Schuldspruchs Feststellungen einer Begehung der Vortat „im Inland“ voraussetzen sollte (siehe dazu im Übrigen das in Erledigung der Mängelrüge Gesagte) oder
‑ (unter der [gegenteiligen] Prämisse der Tauglichkeit einer in Großbritannien begangenen Vortat) der Umstand, „dass Großbritannien ein der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben gem § 35 Abs 2 FinStrG vergleichbares Delikt überhaupt kennt“, trotz des Grundsatzes „iura novit curia“ (RIS-Justiz RS0130194 [insbesondere T6]) Gegenstand von (als fehlend gerügten) „Tatsachenkonstatierungen“ sein könnte.
[19] Zwar trifft es zu, dass das Schöffengericht keine Feststellung getroffen hat, die die Annahme einer (Bestimmungs- oder sonstigen Beitrags‑)Täterschaft (§ 11 FinStrG) der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Vortaten ausschließt. Umgekehrt tragen die (tatsächlich getroffenen) Feststellungen eine solche Annahme aber – wie die Beschwerde selbst einräumt – auch nicht.
[20] Dass auf dieser Tatsachenbasis – einen Feststellungsmangel (RIS‑Justiz RS0118580) macht die Beschwerde insoweit nicht geltend – der Schuldspruch wegen Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG rechtlich verfehlt wäre, wird ohne Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (abermals RIS‑Justiz RS0116565).
[21] Soweit sie Rechtsfehler mangels Feststellungen „zur subjektiven Tatseite der Rechtsmittelwerberin hinsichtlich der angenommenen Vortat“ einwendet, lässt die Rüge offen, weshalb es den – teils unter Verwendung von verba legalia getroffenen – diesbezüglichen Feststellungen (US 4) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen (RIS‑Justiz RS0119090 [T3]), es vielmehr zur rechtsrichtigen Beurteilung noch weiterer Konstatierungen bedurft haben sollte (erneut RIS‑Justiz RS0116565).
[22] Die (mit der von der Beschwerde bezeichneten Fundstelle [ON 75 S 6] insoweit allein angesprochene) Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie hätte sich „in der größten Kanzlei D* […] erkundigt“ (also Beratungsleistungen eines Steuerberaters in Anspruch genommen), indiziert keinen Sachverhalt, der die Annahme eines Rechtsirrtums (§ 9 FinStrG) in Bezug auf die vom Schuldspruch umfassten Finanzvergehen trüge. Mit – abseits des in der Hauptverhandlung Vorgekommenen (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) – von der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) darüber hinaus entwickelten Spekulationen wird ein diesbezüglicher Feststellungsmangel nicht dargetan (erneut RIS‑Justiz RS0118580 sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600 f).
[23] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[24] Hingegen zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) zutreffend auf, dass in Betreff der Strafe des Wertersatzes (US 2) die nach § 19 Abs 5 FinStrG gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterlassen wurde, was (im diesbezüglichen Sanktionsausspruch) Nichtigkeit nach Z 11 dritter Fall begründet (RIS‑Justiz RS0088035 [T3] und 13 Os 180/08g).
[25] Dies führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 289 StPO).
[26] Mit ihrer Berufung, soweit sie sich gegen den damit beseitigten Ausspruch richtet, war die Angeklagte hierauf zu verweisen.
[27] Die Entscheidung über die Berufung gegen den sonstigen Strafausspruch kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[28] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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