OGH 6Ob91/23k

OGH6Ob91/23k17.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Mag. Gerald Michael Griebler, Rechtsanwalt in Graz, wegen 65.163,62 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. März 2023, GZ 3 R 22/23i‑111, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00091.23K.0117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Die Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar, sofern nicht ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042776; RS0042936).

[2] 1.2. Punkt 9.15 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags lautete:

„Mehraufwand des Auftraggebers, dessen Beauftragte:

Sollten über das gewöhnliche Ausmaß hinausgehende Agenden des Auftraggebers, dessen Beauftragte z.B. der Generalplaner, der Fachplaner, der Bauaufsicht notwendig sein, die auf Verschulden des Auftragnehmers zurückzuführen sind, so werden diese Kosten gegen Nachweis dem Auftragnehmer angelastet und bei der Schlussrechnung in Abzug gebracht.“

[3] Nach den Feststellungen entstanden der beklagten Bauunternehmerin aufgrund grob schuldhafter Vertragsverletzungen der von ihr mit Spengler‑ und Schwarzdeckerarbeiten beauftragten Klägerin im Zuge der Werkerstellung Mehraufwendungen in Form von (im einzelnen festgestellten) zusätzlichen Arbeitsstunden für die Tätigkeiten einer örtlichen Bauaufsicht, Koordinierung und Rechnungsführung.

[4] 1.3. Das Berufungsgericht war der Ansicht, aufgrund der vertraglichen Vereinbarung habe die Beklagte Anspruch auf Ersatz des festgestellten angemessenen fremdüblichen Stundensatzes für die durchgeführten Tätigkeiten. Die diesbezügliche Gegenforderung der Beklagten bestehe daher zu Recht.

[5] 1.4. Die Revision argumentiert, diese Auslegung widerspreche den Grundsätzen des Schadenersatzrechts. Die „Mehraufwendungen“ seien von einer bei der Beklagten angestellten Person erbracht worden, welche ein monatliches Fixgehalt samt Überstundenpauschale beziehe; dadurch sei der Beklagten kein Schaden entstanden. Die in den fremdüblichen Stundensätzen enthaltenen Kalkulationsansätze wie zB Wagnis‑, Gewinn‑ oder Zinsaufschläge stellten jedenfalls keine Kosten dar. Die Beklagte erziele durch die vom Berufungsgericht angenommene Ersatzpflicht hinsichtlich der Mehraufwendungen vielmehr einen Gewinn.

[6] 1.5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass jeder geschädigte Unternehmer, der Arbeitskräfte seines Betriebs freistellt, um den Schaden selbst zu beheben, den Mehraufwand ersetzt verlangen (8 Ob 22/85) und sich der Schädiger daher nicht darauf berufen kann, dass der Geschädigte in der Lage war, die Reparatur mit dem Stand an Personal durchzuführen, den er auch ohne das schädigende Ereignis gehabt hätte (1 Ob 1/78). Der Schädiger hat nach der Rechtsprechung dem Geschädigten, der den Schaden in seinem eigenen Betrieb behoben hat, auch den geschäftsüblichen Reingewinn zu vergüten, der mit einer solchen Arbeit verbunden ist, weil ein Gewerbetreibender ohne Reingewinn nicht arbeiten kann und kein Grund besteht, den Schädiger besser zu stellen, weil der geschädigte Gewerbetreibende selbst den Schaden behoben hat und ihn nicht von einem anderen Unternehmer hat beheben lassen (2 Ob 128/89; 1 Ob 1/78). Dabei war auch der Gedanke ausschlaggebend, dass der Geschädigte, wenn er den Schaden nicht in seinem eigenen Betrieb behoben hätte, in der hiezu aufgewendeten Zeit andere gewinnbringende Arbeiten hätte leisten können (1 Ob 1/78; 2 Ob 292/67; vgl RS0030412).

[7] 1.6. Zwingende Gründe, weshalb das Berufungsgericht die gegenständliche Vertragsbestimmung, die ausdrücklich auch auf Mehrkosten von der Beklagten Beauftragter (Dritter) Bezug nimmt, betreffend Eigenleistungen der Beklagten anders auslegen hätte müssen, bringt die Revision daher nicht zur Darstellung.

[8] 2.1. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T3, T27]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11, T31]). Wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist und auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wird, ist für sich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, solange keine krasse Fehlbeurteilung vorliegt (RS0113563 [T1]; RS0042828 [T24]). Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist (RS0042828 [T9]) oder die Frage, ob in einem konkreten Einzelfall zur Höhe einer Forderung ein ausreichendes Bestreitungsvorbringen erstattet wurde, berührt keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042828 [T2]).

[9] 2.2. Das Berufungsgericht war der Auffassung, die Beklagte sei durch das Vorbringen, dass sie infolge des während des Verfahrens erster Instanz erfolgten Rücktritts der Klägerin im Wege der Ersatzvornahme die Mängel am Gewerk der Klägerin zu beheben haben werde und die Arbeiten fertigzustellen sein und diese (im Einzelnen konkretisierten) Kosten daher als Gegenforderung geltend gemacht wurden, ihrer Behauptungspflicht, wonach sich die Klägerin die Mängelbehebungskosten gemäß § 1170b Abs 2 iVm § 1168 Abs 2 ABGB auf den Werklohnanspruch anrechnen zu lassen habe, hinlänglich nachgekommen. Es handle sich dabei um einen den Anspruch vernichtenden Einwand der Beklagten, auch wenn sie den Mängelbehebungsaufwand fälschlicherweise als Gegenforderung geltend gemacht habe. Aus diesem Vorbringen sei daher klar ein Begehren der Beklagten abzuleiten, ihre Mängelbehebungskosten bei der Klagsforderung zu berücksichtigen. Das Erstgericht habe daher zutreffend den eingeklagten Werklohn um diese Kosten gekürzt.

[10] Damit hat das Berufungsgericht den ihm zukommenden Spielraum bei der Beurteilung des Vorbringens der Beklagten nicht überschritten. Auch der Klägerin – die sich selbst ausdrücklich auf § 1170b ABGB berufen hatte – musste ausreichend erkennbar sein, was die Beklagte mit ihrem Sachvortrag zu den Mangelbehebungskosten inhaltlich bezweckte.

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