OGH 10ObS120/23d

OGH10ObS120/23d19.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Vodera (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer LL.M., Mag. Eva Suitner‑Logar Bsc, MMMag. Nadja Auer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. September 2023, GZ 25 Rs 30/23 g‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00120.23D.1219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats iSd § 4 SchwerarbeitsV neben einer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegenden Tätigkeit auch eine nicht versicherungspflichtige Tätigkeit zu berücksichtigen ist.

[2] Der 1961 geborene Kläger war in der Zeit von 1. August 2003 bis 30. September 2022 als Gemeindearbeiter tätig, wobei er in insgesamt 57 Monaten täglich mehr als 2.000 Kilokalorien verbrauchte.

[3] Zusätzlich betrieb der Kläger in diesem Zeitraum eine Landwirtschaft. Diese Tätigkeit unterlag (aufgrund des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs von 1.399 EUR) nur der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung, nicht jedoch in der Pensionsversicherung (§ 2 Abs 2 und § 3 Abs 2 BSVG).

[4] Mit Bescheid vom 17. Oktober 2022 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt fest, dass der Kläger zum Feststellungszeitpunkt 1. Oktober 2022 insgesamt 530 Versicherungsmonate erworben habe, lehnte aber die „Anerkennung“ von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. August 2003 bis 30. September 2020 ab.

[5] Mit seiner dagegen gerichteten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die von ihm im Zeitraum von 1. August 2003 bis 30. September 2020 erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung Schwerarbeitsmonate seien.

[6] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Zwar sei der Oberste Gerichtshof jüngst von seiner Rechtsprechung, dass im Fall der überschneidenden Ausübung mehrerer Tätigkeiten nur auf jene Tätigkeiten abzustellen sei, die für sich allein die Voraussetzung des § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV erfüllen, abgegangen. Dennoch scheide die vom Kläger angestrebte Berücksichtigung seiner Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt aus, weil nach § 4 SchwerarbeitsV ausschließlich Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung als Schwerarbeitsmonate in Betracht kämen. Die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers sei aber nur der Unfallversicherungspflicht unterlegen, weshalb er damit keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung erworben habe. Anderes ergebe sich auch aus der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht, weil diese gerade mehrere versicherungspflichtige Verrichtungen und damit eine Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung voraussetze. Darin liege auch keine Ungleichbehandlung von Tätigkeiten, die unter der pensionsversicherungspflichtigen Geringfügigkeitsgrenze liegen, weil Tätigkeiten, für die keine Pensionsversicherungsbeiträge entrichtet wurden, auch nicht zu Leistung aus der Pensionsversicherung führen könnten.

[7] Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 1. In seiner Revision verweist der Kläger auf die jüngst ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach für die Feststellung von Schwerarbeitszeiten alle vom Versicherten „versicherungspflichtig“ ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Darauf aufbauend vertritt er die Ansicht, „versicherungspflichtig“ seien auch Tätigkeiten, die lediglich der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterliegen. Für den Erwerb von Schwerarbeitsmonaten seien daher bloß „freiwillige“ Tätigkeiten, wie ein Ehrenamt oder Tätigkeiten im Familienverband, nicht zu berücksichtigen.

[10] 2. Dem ist nicht zu folgen.

[11] 2.1. Anspruch auf eine „Schwerarbeitspension“ besteht dann, wenn innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag mindestens 120 Schwerarbeitsmonate liegen (§ 4 Abs 3 Z 1 APG; § 607 Abs 14 ASVG). Als Schwerarbeitsmonat definiert § 4 SchwerarbeitsV einen Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV zumindest in dem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat iSd § 231 Z 1 lit a ASVG begründet; Arbeitsunterbrechungen bleiben dabei außer Betracht, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung weiter besteht.

[12] Daraus leitet der Oberste Gerichtshof ab, dass der jeweilige Kalendermonat ein Versicherungsmonat in der Pensionsversicherung sein muss, um überhaupt als Schwerarbeitsmonat gelten zu können (10 ObS 39/17h [ErwGr 3.a.]; vgl auch 10 ObS 98/20i [ErwGr 5.2. und 5.3.]).

[13] 2.2. Wenn der Oberste Gerichtshof daher in seiner neueren Rechtsprechung – in Abkehr von der noch zu 10 ObS 89/18p und 10 ObS 84/20f vertretenen Ansicht – davon ausgeht, dass bei der Prüfung, ob einer der Tatbestände des § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV an einem Tag erfüllt ist, „alle (versicherungspflichtigen) Verrichtungen[Hervorhebung nicht im Original] zugrunde zu legen sind (10 ObS 64/22t [Rz 24 und 29]; 10 ObS 51/22f [Rz 23 und 26]), waren damit stets die für die Qualifikation als Schwerarbeitsmonat allein maßgebliche Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung angesprochen.

[14] 2.3. Dem liegt zugrunde, dass es sich bei der Schwerarbeitspension um eine Form der Alterspension handelt, bei der Zeiten unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen besonders berücksichtigt werden sollen (ErläutRV 653 BlgNR 22. GP  3 und 9). Infolgedessen sind Schwerarbeitszeiten auch nur Beitrags- bzw Versicherungsmonate aufgrund von Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden (§ 607 Abs 14 ASVG, § 298 Abs 13a GSVG, § 287 Abs 13a BSVG; ähnlich auch § 4 Abs 4 APG). Es muss sich also um Beitragsmonate (in der Pensionsversicherung) handeln, die der Versicherte durch Schwerarbeit erworben hat. Das kann zwangsläufig nur mit Tätigkeiten geschehen, die auch pensionsversicherungspflichtig sind. Werden daher – wie hier – zwei Tätigkeiten überschneidend ausgeübt, von denen eine der Pflichtversicherung unterliegt und die andere nicht, wird die Versicherungszeit in der Pensionsversicherung allein durch erstere erworben. Überschreitet die dabei verbrauchte Arbeitsenergie die Grenze von 2.000 Kilokalorien nicht, beruht der durch diese Tätigkeit erworbene Beitragsmonat auch nicht auf einer besonders belastenden Tätigkeit.

[15] Demgemäß lagen sämtlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum Vorliegen von Schwerarbeit bei überschneidend ausgeübten Tätigkeiten (zusammengefasst im Rechtssatz RS0132473) auch Mehrfachversicherungen in der Pensionsversicherung zugrunde.

[16] 3. Angesichts dieser klaren Rechtslage zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Stichworte