OGH 504Präs49/23z

OGH504Präs49/23z5.12.2023

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs fasst in der Disziplinarsache gegen Dr. *, Rechtsanwalt in *, AZ D 22-18 des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer, über den Antrag auf Ausschließung des Präsidenten des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer wegen Befangenheit den

Beschluss:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:504PRA00049.23Z.1205.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss des zuständigen Disziplinarrats vom 7. November 2022 wurde gegen den Disziplinarbeschuldigten ein Disziplinarverfahren eingeleitet, dem der Vorwurf zugrundeliegt, dass er in einem näher bezeichneten Gerichtsverfahren den Gegenvertreter mit Schriftsatz vom 9. Mai 2022 unter Verstoß gegen § 21 RL-BA mit folgender Formulierung persönlich angegriffen und in den Streit gezogen habe:

„Wenn nunmehr der Antragsgegnervertreter behauptet, der tatsächliche Verkehrswert der Liegenschaften betrage zumindest € 425.000,00, so tritt dessen doppelbödige und unredliche Vorgangsweise eindeutig zu Tage.“

Mit Schriftsatz vom 31. August 2023 lehnte der Disziplinarbeschuldigte den Präsidenten und Vorsitzenden des Disziplinarrats wegen Ausgeschlossenheit ab. Er macht geltend, gegen ihn sei bereits in der Vergangenheit ein vergleichbarer Vorwurf erhoben worden. In dem damals gegen ihn geführten Disziplinarverfahren habe er sich auf den Rechtfertigungsgrund des § 9 Abs 1 RAO und das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Diese Argumente habe der Disziplinarrat, insbesondere der nun abgelehnte Vorsitzende, ohne nähere Auseinandersetzung verworfen. Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten sei letztlich Folge gegeben und das Erkenntnis des Disziplinarrats aufgehoben worden. Mit Schreiben vom 7. Februar 2013 sei gegen den Disziplinarrat unter dem Vorsitz des Präsidenten der Vorwurf des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens erhoben und Amtshaftungsansprüche geltend gemacht worden. Es bestehe der Verdacht, dass der Präsident auch in dem nun anhängigen Verfahren nicht bereit sein werde, dem Disziplinarbeschuldigten mit der sachlich gebotenen Unbefangenheit gegenüberzutreten und sich mit den Rechtsfertigungsgründen des § 9 Abs 1 RAO und Art 10 EMRK auseinanderzusetzen.

Der abgelehnte Vorsitzende erklärte sich in seiner Stellungnahme für nicht befangen. An Details des Vorverfahrens könne er sich nur so weit erinnern, dass der Disziplinarbeschuldigte letztlich von der OBDK in zweiter Instanz freigesprochen worden sei. Er schließe aus, dass er damals dem Disziplinarbeschuldigten nicht in sachlich gebotener Unbefangenheit entgegengetreten sei. In gleicher Weise fühle er sich auch heute unbefangen.

Rechtliche Beurteilung

Der Ablehnungsantrag, über den gemäß § 26 Abs 5 Satz 2 DSt die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden hat, ist unberechtigt.

Wenngleich zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, der betreffende Richter (das Organ des Disziplinarrats) könnte an die zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann ein Ablehnungsantrag nicht mit Erfolg gestützt werden (RIS‑Justiz RS0056962).

Der Umstand, dass sich die Rechtsansicht des Abgelehnten nicht mit jener des Disziplinarbeschuldigten deckt (hier: in einem Vorverfahren), ist per se nicht geeignet, seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 12 mwN). Der Disziplinarbeschuldigte behauptet gar nicht, dass gegen den abgelehnten Vorsitzenden des Disziplinarrats die in dem Schreiben vom 7. Februar 2013 erwähnten Ansprüche tatsächlich geltend gemacht wurden. Davon abgesehen kann von einem Richter (einem Organ des Disziplinarrats) erwartet werden, dass er auch dann unbefangen entscheidet, wenn eine Partei gegen ihn Klagen, Aufsichtsbeschwerden oder Strafanzeigen erstattet (RIS‑Justiz RS0045970; 8 Ob 143/12f). Andernfalls hätte es jede Partei in der Hand, durch Erstattung von Anzeigen einen ihr missliebigen gesetzlichen Richter an der weiteren Ausübung seines Amtes zu hindern (vgl RIS‑Justiz RS0109379; 7 Ob 252/07w).

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