OGH 4Ob104/23g

OGH4Ob104/23g27.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, Dr. Tarmann‑Prentner, Mag. Istjan, LL.M., sowie Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* AG, *, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch die Hübel & Payer Rechtsanwälte OG in Salzburg, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin U* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. April 2023, GZ 1 R 31/23v‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00104.23G.1127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das klagende Versicherungsunternehmen ersetzte ihrem Versicherungsnehmer, einem Fleischverarbeitungs- betrieb, einen durch den Beklagten verursachten Brandschaden. Der als Lieferant tätige und mit hausmeisterlichen Hilfstätigkeiten betraute Beklagte feuerte außerhalb der Betriebszeiten und unbefugt eine bereits seit Jahren stillgelegte und nicht mehr gewartete Selche des Versicherungsnehmers an, wodurch mittels Hitze- und Rauchentwicklung Schäden am Gebäude, den Installationen und an Einrichtungen des Versicherungsnehmers entstanden. Die Nebenintervenientin ist der Haftpflichtversicherer des Beklagten.

[2] Das Erstgericht erkannte den Beklagten mittels Zwischenurteils dem Grunde nach für schuldig, der Klägerin 35.000 EUR zu zahlen. Er habe durch rechtswidrigen Eigentumseingriff schuldhaft einen Schaden verursacht. Ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers bestehe nicht, weil Verkehrssicherungspflichten nur befugte Benützer einer Anlage schützten.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen von der Nebenintervenientin erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist somit als nicht zulässig zurückzuweisen:

[5] 1. Zunächst macht die Revision eine Schutzgesetzverletzung nach § 1311 ABGB geltend, die ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers begründen würde; ohne aber auszuführen, gegen welche konkrete Norm er verstoßen habe, sodass sich eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Thematik erübrigt.

[6] 2.1. Im Übrigen begründet die Revisionswerberin das angebliche Mitverschulden des Versicherungsnehmers mit der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (durch fehlende Warnhinweise oder mangels Versperrens der Tür). Diesbezüglich haben aber bereits die Vorinstanzen aufgezeigt, dass der Beklagte nicht schutzwürdig ist, weil er die Selche unbefugt benützt hat und somit nicht damit rechnen konnte, dass Schutzmaßnahmen zugunsten seiner unbefugten Befeuerung getroffen wurden (vgl RS0114361 [T3]).

[7] 2.2. Die Verkehrssicherungspflicht entfällt bei Schaffung oder Duldung einer besonderen Gefahrenquelle nicht schon dann, wenn jemand ohne Gestattung in einen fremden Bereich eingedrungen ist. Besteht die Möglichkeit, dass Personen versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen, oder dass Kinder und andere Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit haben, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, gefährdet werden, oder besteht eine ganz unerwartete und große Gefährdung, so kann eine Interessenabwägung ergeben, dass der Inhaber der Gefahrenquelle dennoch zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen zu ergreifen hat (RS0114361).

[8] 2.3. Im vorliegenden Fall ist aber keine dieser Sonderkonstellationen gegeben. Die Anlage befand sich auf dem Betriebsgelände der Versicherungsnehmerin und war nicht öffentlich zugänglich. Weder gelangte der Beklagte versehentlich in den Gefahrenbereich, noch fehlte ihm die nötige Einsichtsfähigkeit, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Der Versicherungsnehmer musste nicht damit rechnen, dass der Beklagte unbefugt ein Feuer in ihrer stillgelegten Anlage entzündet. Die Vorinstanzen haben ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (die im Übrigen nicht überspannt werden dürfen, vgl RS0023819) daher vertretbar verneint. Der Versicherungsnehmer brauchte angesichts der Tatsache, dass seine Mitarbeiter zu keiner Zeit befugt waren, die Anlage für eigene Zwecke zu befeuern, nicht mit einer derartigen Nutzung rechnen und war daher – gemäß der nicht zu beanstandenden Rechtsauffassung der Vorinstanzen – nicht gehalten, schadensmindernde Maßnahmen zu ergreifen.

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