OGH 13Os108/23s

OGH13Os108/23s15.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 51 Hv 17/23a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 13. Juni 2023 (ON 38.2) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M. sowie des Verteidigers Mag. Strauss zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00108.23S.1115.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 51 Hv 17/23a des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 13. Juni 2023 (ON 38.2) § 145 Abs 2 Z 1 StGB und § 29 StGB.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Juni 2023 (ON 38.2) wurde * W* des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 und 2 StGB (I), des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 1 und 2 StGB (II) und mehrerer Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* – soweit hier von Bedeutung –

(I) vom 4. Juni 2022 bis zum Dezember 2022 einen anderen (im Urteil namentlich Genannten) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig („§ 70 Abs 1 Z 3, Abs 2 StGB“) durch gefährliche Drohung, insbesondere mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, zur Vornahme von 15 Überweisungen in einer Gesamthöhe von 21.320 Euro genötigt, die diesen am Vermögen schädigten, indem er drohte, den Chatverlauf mit dem anderen, in welchem sexuelle Vorlieben und Intimaufnahmen ausgetauscht worden waren, zu veröffentlichen, dessen Familie „fertig zu machen“ und auf dessen Website, welche dieser als Psychotherapeut betreibt, durch negative Google-Rezensionen gegenüber seinen bestehenden als auch potentiellen Patienten zu diffamieren, sowie

(III) fremde Sachen beschädigt oder verunstaltet, indem er am 19. Jänner 2023, am 20. Februar 2023 und am 11. März 2023 die Wohnungstüre, einmal auch den Briefkasten eines anderen (im Urteil namentlich Genannten) beschmierte.

[3] Sämtliche Schuldsprüche erwuchsen in Rechtskraft (ON 38 S 37, ON 41 und 48). Über die Berufung des Angeklagten gegen den Strafausspruch (ON 46.2) hat das Oberlandesgericht (AZ 18 Bs 221/23s) noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[5] 1. Nach den Konstatierungen des Erstgerichts (US 6 ff) zum Schuldspruch I handelt es sich um ein von einem einheitlichen Erpressungsvorsatz getragenes und gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortgesetztes Tatgeschehen, sodass insoweit von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen ist (RIS‑Justiz RS0094062 [T1]; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 145 Rz 14). Solcherart tragen die Urteilsfeststellungen die rechtliche Annahme der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 2 oder 3 StGB nicht. Die Subsumtion der vom Schuldspruch I umfassten Tat (auch) nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB verletzt somit diese Bestimmung.

[6] 2. Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB bilden alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten gleichartigen wert‑ oder schadensqualifizierten Delikte eine Subsumtionseinheit. Deren Aufspaltung im Schuldspruch III in mehrere („die“) Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (US 4) widerspricht somit der erstgenannten Norm.

[7] Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen (die Qualifikation des § 145 Abs 2 Z 2 StGB wurde zu Recht angenommen, die Strafzumessungsgründe werden von den Rechtsfehlern nicht tangiert) nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken, hat es mit ihrer Feststellung sein Bewenden (§ 292 vorletzter Satz StPO).

[8] An die dargestellten Rechtsfehler des Erstgerichts ist das Oberlandesgericht aufgrund der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

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