European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00115.23F.1114.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Mo* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * M* und * Mo* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (M* zu 1/2/ und Mo* zu 1/), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 Abs 1 StGB, § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (2/) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (M* zu 3/1/ und Mo* zu 3/2/) schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie in R* und an anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift
1/ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 13,85 % THCA und 1,05 % Delta-9-THC, und zwar
1/1/ Mo* im Jänner und Februar 2022 85 Gramm;
1/2/ M* und Mo* in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von Februar 2022 bis März 2023 zumindest 6.000 Gramm durch überwiegend gewinnbringenden Verkauf an teils im Urteil namentlich genannte, teils unbekannte Abnehmer;
2/ M* und Mo* in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken am 20. Jänner 2023 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz zu erwerben und zu besitzen versucht, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar zumindest 1.500 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 13,85 % THCA und 1,05 % Delta-9-THC;
3/ erworben und besessen, nämlich
3/1/ M* von Juni 2019 bis 15. März 2023 Cannabiskraut und Kokain;
3/2/ Mo* von April 2021 bis 15. März 2023 Cannabiskraut.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mo*.
[4] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die erschwerende Wertung der (rückfallsbegründenden) einschlägigen Vorverurteilungen sowie des raschen Rückfalls (US 9) bei gleichzeitiger Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB (US 3, 10) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot.
[5] Denn das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltene Gebot, Erschwerungs‑ und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, bezieht sich nach mittlerweile gefestigter jüngerer Rechtsprechung nur auf subsumtionsrelevante Umstände (RIS‑Justiz RS0130193), während § 39 StGB eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift darstellt (RIS‑Justiz RS0133690; vgl auch RIS‑Justiz RS0091527; 11 Os 73/21a [Rz 5]; 14 Os 53/21g [Rz 6] mit zustimmender Glosse von Ratz, EvBl 2022/21, 184; 14 Os 134/21v [Rz 4]; 13 Os 121/22a [Rz 16]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 668/4 und 714; Riffel inWK² StGB § 32 Rz 59/1, 60 f, 63, 65; einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot schon aus anderen Gründen verneinend: 11 Os 26/21i [Rz 10, 13]; 11 Os 14/20y).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mo* war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über dessen Berufung und Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[7] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt – gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur – anzumerken, dass die beide Angeklagte betreffenden, unbekämpft gebliebenen vermögensrechtlichen Anordnungen mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) behaftet sind.
[8] In Bezug auf den Ausspruch der Konfiskation (§ 19a StGB) der beschlagnahmten Mobiltelefone wurde weder konstatiert, dass diese zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum der Angeklagten standen, noch findet sich eine Feststellungsbasis zur (intendierten) Verwendung zur Begehung einer dem Schuldspruch zugrunde liegenden Straftat.
[9] Sind Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Solidar‑ oder Kumulativhaftung ist nicht vorgesehen (RIS‑Justiz RS0129964). Gegenständlich wurde lediglich gemäß § 20 StGB der Verfall der beschlagnahmten Bargeldbeträge in Höhe von 12.920 Euro und 600 Euro – deren Herkunft aus dem Suchtgifthandel (noch) erschlossen werden kann („Drogengeld“ [US 10]) – ausgesprochen (US 4), ohne den beiden Angeklagten jeweils einen konkreten Betrag zuzuordnen.
[10] Soweit das Erstgericht gemäß „§ 34 SMG iVm § 26 StGB“ auch die Einziehung der „sichergestellten Suchtgiftutensilien“ anordnete (US 4), lassen die Entscheidungsgründe die erforderliche Tatsachenbasis für die Annahme deren Deliktstauglichkeit nicht erkennen (RIS‑Justiz RS0121298). An (grundsätzlich unbedenklichen) Gegenständen anhaftende Suchtgiftspuren können in der Regel ohne Weiteres entfernt werden (vgl RIS‑Justiz RS0088184 [T5]).
[11] Im Hinblick auf das von beiden Angeklagten erklärte Einverständnis zu diesen Maßnahmen (US 11 iVm ON 46 S 4 und S 7) liegt jedoch ein Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 StPO, der Anlass zur amtswegigen Wahrnehmung dieser Rechtsfehler gäbe (RIS‑Justiz RS0088201 [T11, T14]), nicht vor.
[12] Nach den Urteilsfeststellungen zu 3/1/ und 3/2/ diente der jeweils angelastete Erwerb und Besitz von Suchtgift lediglich dem Eigenkonsum (US 7), sohin ausschließlich zum persönlichen Gebrauch; eine Unterstellung dieser Taten unter die Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG unterblieb rechtsirrig.
[13] Da sich dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO; RIS‑Justiz RS0131857) bei der jeweils auf Basis des § 28a Abs 2 SMG – betreffend Mo* unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB – erfolgten Strafrahmenbildung (US 3) und bei der Strafzumessung (US 9) nicht konkret zum Nachteil der Angeklagten auswirkte (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), bestand kein Anlass zu amtswegiger Wahrnehmung.
[14] Das Oberlandesgericht ist bei seiner Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Mo* nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870); ebenso wenig das Erstgericht bei auf dem rechtskräftigen Urteil (auch betreffend den Angeklagten M*) beruhenden Beschlüssen und Verfügungen, wie zum Beispiel der Ausstellung der Strafkarte (§ 3 StrRegG; RIS‑Justiz RS0129614).
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