European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120NS00059.23G.1024.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs * und Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * sind von der Entscheidung über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Juli 2021, GZ D 81/15‑84, nicht ausgeschlossen.
Gründe:
[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 20 Ds 13/22z über das im Spruch genannte Rechtsmittel zu entscheiden.
[2] Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs * und Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * sind Mitglieder des erkennenden Senats.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Disziplinarbeschuldigte zeigte die Ausgeschlossenheit der Genannten im Wesentlichen mit der Begründung an, sie hätten im Verfahren AZ 20 Ns 3/23f des Obersten Gerichtshofs seinen Antrag, die Durchführung einzeln bezeichneter Disziplinarverfahren wegen Befangenheit des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien einem anderen Disziplinarrat zu übertragen (§ 25 Abs 1 DSt), willkürlich als verspätet zurückgewiesen.
[4] In diesem (Delegierungs‑)Verfahren hatte der Disziplinarbeschuldigte geltend gemacht, dass die Rechtsanwaltskammer Wien im Verfahren AZ 64 E 359/23h des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien eine über ihn mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 17. Juni 2021, GZ 26 Ds 7/20h‑9, verhängte Geldbuße „in dem Wissen, dass diese vorgebliche Forderung auf einem Verbrechen beruht“ exekutiv betreibe, was „auf Seiten der Rechtsanwaltskammer Wien somit das Delikt des § 165 Abs. 2 StGB (Geldwäscherei) iVm § 15 StGB zumindest dem Anschein nach“ verwirklichen würde. Davon habe er am 23. Februar 2023 durch Zustellung des Beschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Februar 2023, GZ 64 E 359/23h-8, mit dem sein Einspruch gegen die Exekutionsbewilligung vom 23. Jänner 2023 abgewiesen wurde, Kenntnis erlangt.
[5] Auf Basis dieses Vorbringens ging der Oberste Gerichtshof – mit Blick darauf, dass der Disziplinarbeschuldigte nach seinem Antragsvorbringen bereits am 23. Jänner 2023 Einspruch gegen die Exekutionsbewilligung erhoben hatte – davon aus, dass der Disziplinarbeschuldigte das fristgerechte Bekanntwerden der die Zuständigkeitsübertragung begründenden Tatsachen (in seinem Antrag vom 23. März 2023) nicht glaubhaft gemacht habe (§ 25 Abs 2 DSt).
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
[6] Ob der Disziplinarbeschuldigte tatsächlich – wie er nunmehr unter Hinweis auf die Verfahrensergebnisse zu AZ 64 E 359/23h des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien darzulegen versucht – erst am 23. Februar 2023 vom Inhalt der jeweiligen Exekutionstitel Kenntnis erlangt hat, kann vorliegend dahingestellt werden, weil es im Verfahren nach § 25 DSt bei nachträglicher Antragstellung (§ 25 Abs 2 zweiter Satz DSt) Sache des Antragstellers ist, die die Delegierung begründenden Tatsachen bereits im Antrag glaubhaft zu machen (§ 25 Abs 2 dritter Satz DSt).
[7] Dass der Oberste Gerichtshof zu AZ 20 Ns 3/23f diese Frage in freier Würdigung der (mehrere Deutungen hinsichtlich der Rechtzeitigkeit zulassenden) Antragsbehauptungen verneint hat, kann von Vornherein keine Ausgeschlossenheit (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) der vom Disziplinarbeschuldigten angezeigten Mitglieder des Obersten Gerichtshofs begründen.
[8] Damit bleibt lediglich der Vollständigkeit halber zu bemerken, dass selbst bei Vorliegen einer unrichtigen Entscheidung nur dann Ausgeschlossenheit der Entscheidungsorgane in Betracht kommt, wenn zu den prozessualen Gegebenheiten Verhaltensweisen hinzutreten, die zu einem Gesamtbild führen, das Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit entstehen lässt (vgl Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 12; zur unrichtigen Gesetzesauslegung vgl 12 Os 23/22g, RIS‑Justiz RS0097003).
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