OGH 8ObA61/23p

OGH8ObA61/23p19.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter OAR Prof. Franz Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E* K*, vertreten durch Mag. Johannes Mutz, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Dr. *, vertreten durch die Pall Schwarz Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wegen 17.132,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2023, GZ 7 Ra 18/23f‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00061.23P.1019.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Sowohl die Kündigung als auch der Austritt kann auch schlüssig im Sinne des § 863 ABGB ausgesprochen werden (zur Kündigung RS0031654, zum Austritt RS0014496). Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB aber einen strengen Maßstab an (RS0014146); es darf kein vernünftiger Grund für Zweifel daran übrig bleiben, dass der Wille vorliegt, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen (RS0013947; RS0014157).

[2] Ob ein Verhalten eines Arbeitnehmers überhaupt als eine auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Erklärung und bejahendenfalls, ob sie als Austritts- oder als Kündigungserklärung zu qualifizieren ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die – vom Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (9 ObA 98/00b; 9 ObA 46/05p; RS0028612 [T9] uva).

[3] Hier war es in der Früh in der Ordination des beklagten niedergelassenen Arztes, bei dem sowohl seine Ehegattin als auch die Klägerin als ärztliche Assistentinnen beschäftigt waren, zwischen der Klägerin, dem Beklagten und dessen Ehegattin im Zuge der Unterredung wegen einer von der Klägerin am Vortag von einem Patienten entgegengenommenen Probe, die vom Beklagten am selben Tag nicht mehr ausgewertet hatte werden können, zu Unstimmigkeiten gekommen. Dabei wurden der Klägerin von der Ehegattin des Beklagten Vorhalte wegen der Entgegennahme der Probe gemacht. Die Klägerin ging in den Umkleideraum und holte Autoschlüssel, Handtasche und Straßenschuhe, um einen Arzt aufzusuchen, weil sie sich gesundheitlich angeschlagen fühlte. Beim Verlassen der Ordination meinte sie im Vorbeigehen zum Beklagten, sie mache eh alles falsch, und erklärte der sich im Patientenaufnahmeraum befindlichen Ehegattin, sie gehe zum Arzt. Mehr zu sich als zu jemand anderem sagte sie noch, wenn das so weiter gehe, werde sie eh kündigen.

[4] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Verhalten der Klägerin stelle weder eine Austritts- noch eine Kündigungserklärung dar, ist jedenfalls vertretbar. Entgegen der Ansicht des Beklagten in der außerordentlichen Revision ist zur Beurteilung des Verhaltens der Klägerin nach § 863 ABGB auch ins Kalkül zu ziehen, was sie zu seiner Ehegattin sagte, nämlich zu ihrem (Haus‑)Arzt zu gehen, war doch das Verlassen der Ordination ein einheitliches Geschehen und war doch davon auszugehen, dass die Ehegattin dem Beklagten mitteilen werde, was die Klägerin zu ihr sagte.

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