OGH 3Ob150/23i

OGH3Ob150/23i5.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagten Parteien 1. L* und 2. C*, beide vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt KG in Zwettl, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 36 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems als Berufungsgericht vom 30. Mai 2023, GZ 1 R 34/23i‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zwettl vom 4. Jänner 2023, GZ 1 C 647/22b‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00150.23I.1005.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 823,68 EUR (darin 137,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Eigentümer aneinander grenzender, jeweils landwirtschaftlich genutzter Grundstücke. Der Kläger ist aufgrund eines rechtskräftigen Urteils verpflichtet, das Befahren eines näher bezeichneten Grundstücks der Beklagten zu unterlassen.

[2] Mit der gegenständlichen Impugnationsklage begehrte der Kläger, die den Beklagten bewilligte Unterlassungsexekution für unzulässig zu erklären. Gegenstand des Titelverfahrens sei nur der südwestlichste Bereich der Grundstücke gewesen; er sei „viel weiter nordöstlich gefahren“ und dort habe er ein ersessenes Fahrrecht.

[3] Die Beklagten wendeten ein, der Exekutionstitel erfasse das gesamte Grundstück; auf ein (allenfalls ersessenes) Wegerecht könne sich der Kläger wegen der rechtskräftigen Unterlassungsverpflichtung nicht mehr berufen.

[4] Das Erstgericht gab der Klage mit Hinweis auf das von den Beklagten nicht näher bestrittene Fahrrecht statt.

[5] Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies.

[6] Nach dem eindeutigen Wortlaut des Titels habe der Kläger das Befahren des gesamten Grundstücks zu unterlassen. Ein allfälliges früheres Fahrrecht sei wegen des rechtskräftigen Unterlassungstitels nicht zu prüfen.

[7] Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Bindungswirkung von Unterlassungsurteilen nur die im Verfahren konkret angeführten Grundstücksteile oder das gesamte Grundstück erfasse.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO iVm § 78 EO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 78 EO).

[9] 1.1 Bestreitet der Verpflichtete, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs- oder Unterlassungsgebot darstellt, steht ihm dafür nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen den Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (RS0123123).

[10] 1.2 Einen Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung hat der Kläger nicht erhoben. Nach seinem eigenen Vorbringen ist er – entgegen der titulierten Unterlassungsverpflichtung – über das im Exekutionstitel genannte Grundstück gefahren. Wenn er vorbringt, er sei in dem von ihm befahrenen Bereich dazu berechtigt gewesen, so wendet er sich in Wahrheit gegen die Exekutionsbewilligung. Die Frage, ob die Exekutionsbewilligung durch den Titel gedeckt war, ist im Impugnationsverfahren nicht zu prüfen (RS0000072). Einen Impugnationsgrund macht der Kläger daher nicht geltend und die Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

[11] 1.3 Fragen der „Rechtskraft und Bindungswirkung von Unterlassungsurteilen“ stehen unmittelbar im Zusammenhang mit der Exekutionsbewilligung bzw der Auslegung des Exekutionstitels und sind jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl RS0000595 [T4, T9, T10]). Die Ausführungen der Revision zur „Identität des Anspruchs, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts“ sowie zum zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff werfen keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO auf. Für die Beurteilung des Umfangs des Gegenstands eines Exekutionstitels ist der Spruch maßgebend, und die Exekution hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten (RS0000207 [T15]). Sollte im (Unterlassungs‑)Titelverfahren eine Wegeservitut auf einem Teil des Grundstücks nicht beachtet worden sein, so könnte dies eine Impugnationsklage nicht rechtfertigen, weil diese dafür nicht vorgesehen ist.

[12] 2.1 Die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage stellt sich nicht, weil – wie erwähnt – die Auslegung des Exekutionstitels im Verfahren über eine Impugnationsklage nicht Gegenstand der Entscheidung ist (RS0123123). Im Übrigen lässt sich dem klaren, unzweifelhaften Wortlaut des Exekutionstitels eine Einschränkung auf einen bestimmten Bereich oder Teil des Grundstücks, dessen Befahren der Kläger zu unterlassen hat, nicht entnehmen; daher waren die Entscheidungsgründe des Unterlassungsurteils bei der Exekutionsbewilligung nicht heranzuziehen (vgl dazu RS0000300 [T16, T17, T18]; RS0000296).

[13] 2.2 Das Bewilligungsgericht hat bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag zu prüfen, ob das Begehren (§ 54 EO) durch den Exekutionstitel gedeckt ist (§ 7 EO). Es hat hierbei die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen; es hat nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hat, sondern nur, wozu er im Titel verpflichtet wurde (RS0000217).

[14] 2.3 Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RS0042963). Die Aufnahme von Beweisen zur tatsächlichen Nutzung eines (auch über das hier gegenständliche Grundstück führenden) Wegs für die Bewirtschaftung seiner Grundstücke durch den Kläger und seine Rechtsvorgänger war entbehrlich, weil die Behauptung der zeitlich dem Unterlassungstitel vorgelagerten und daher nur für das Titelverfahren relevanten Ersitzung eines Geh- und Fahrrechts keinen Impugnationsgrund im Sinn des § 36 Abs 1 EO bilden kann.

[15] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RS0112296).

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