OGH 17Ob13/23w

OGH17Ob13/23w25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch diePräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B* S*, als Insolvenzverwalter im Konkurs des Vereins m*, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1010 Wien, wegen 438.066,82 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. März 2023, GZ 13 R 211/22b‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0170OB00013.23W.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte (als Fördergeber) und der Verein m* (als Fördernehmer) schlossen im Jahr 2017 drei Förderverträge „Startpaket N*“, „Startpaket T*“ und „Startpaket W*“. jeweils nach Maßgabe der Förderrichtlinie Projektförderungen zum Aufruf Juli 2017. Gegenstand der Förderung war die Leistung „Anbot und Abhaltung von Deutschkursen für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte ab dem vollendeten 15. Lebensjahr auf dem Niveau Alpha bis A1 (inkl Prüfungen A1), für Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, Kurse auf dem Niveau A2 (inkl Prüfung) sowie Werte- und Orientierungskurse“ während der Projektlaufzeit von 1. 1. 2017 bis 31. 12. 2018. Die Laufzeit wurde vor Insolvenzeröffnung einvernehmlich bis 31. 3. 2019 verlängert. Die maximale Förderhöhe gemäß den Förderverträgen betrug insgesamt 3.079.397,16 EUR (2.234.628,70 EUR für N*, 554.418,74 EUR für W* und 290.349,72 EUR für T*). Die Auszahlung sollte nach der Vereinbarung in drei Teilen erfolgen: zunächst 50 % und nach Vorliegen eines Zwischenberichts weitere 35 %, jeweils der maximalen Fördersumme und die Restrate – oder aber auch die Rückzahlung bereits ausbezahlter Fördermittel – nach Vorlage und Prüfung der Endabrechnung.

[2] Über das Vermögen des Vereins (in Folge Schuldner) wurde mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 20. 12. 2018, AZ 10 S 106/18v, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

[3] Der Kläger übernahm die Erfüllung der Förderverträge. Er begehrt nun von der Beklagten die Zahlung von 438.066,82 EUR (279.849,15 EUR – N*, 87.475,03 EUR – W*, 70.742,64 EUR – T*), für von der Insolvenzmasse aufgewendete, förderungswürdige Kosten nach Insolvenzeröffnung; dies jeweils unter Berücksichtigung von am 29. 3. 2019 geleisteten Zahlungen.

[4] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehen ab.

[5] Als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnet der Kläger in seiner außerordentlichen Revision die – von ihm bejahte – Frage, ob der Insolvenzverwalter nach Vertragseintritt einen Anspruch auf vollständige Bezahlung von nach Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen habe, wenn der Fördergeber als Vertragspartner vor Insolvenzeröffnung „Überzahlungen“ an den Schuldner geleistet habe. Dabei verweist er darauf, dass er infolge der Komplexität der Endabrechnung das Ausmaß der Erfüllung nicht habe beurteilen können.

Rechtliche Beurteilung

[6] Diese Frage ist allerdings für die Entscheidung nicht relevant.

[7] 1. Ist ein zweiseitiger Vertrag vom Schuldner und dem anderen Teil zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig erfüllt worden, so kann der Insolvenzverwalter entweder an Stelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (§ 21 Abs 1 IO).

[8] 2. Tritt der Insolvenzverwalter in den beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrag ein, setzt sich das Vertragsverhältnis in materieller und personeller Hinsicht fort. Der Eintritt bewirkt, dass der Vertrag mit unverändertem Inhalt aufrecht bleibt und von beiden Seiten zu erfüllen ist, als gäbe es keine Insolvenz.

[9] Die Verpflichtung des Schuldners wird zur Masseschuld (RS0064471, 6 Ob 208/13a) und damit zu einer Masseforderung des Gläubigers auf Erfüllung (§ 46 Z 4 IO, vgl auch RS0077987, RS0064815).

[10] 3. Die Rechtsprechung definiert Subventionen (Fördermaßnahmen) als vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die ein Verwaltungsträger oder eine andere mit der Vergabe solcher Mitteln betraute Institution einem Privatrechtssubjekt zukommen lässt, wobei sich der Subventionsempfänger zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen subventionsgerechten Verhalten verpflichtet (RS0018996, RS0018992).

[11] Das subventionsgerechte Verhalten des Schuldners bestand im Anbot und der Abhaltung – näher genannter – (Deutsch‑)Kurse. Die Beklagte übernahm für die vereinbarte Projektlaufzeit (1. 1. 2017 bis 31. 12. 2018, verlängert bis 31. 3. 2019) die Zuwendung von Mitteln für konkret genannte Kosten des Schuldners (wie Personalkosten, Sachkosten, ...) bis zu der maximal vereinbarten Förderhöhe, innerhalb der noch eine weitere Zuordnung der geförderten Höchstbeträge zu den einzelnen Positionen (Kosten) erfolgte.

[12] Nach den Verträgen förderte die Beklagte somit jeweils ein bestimmtes, einheitliches Gesamtprojekt (Abhaltung der Kurse während eines bestimmten Zeitraums), wobei die Leistungserbringung in der Ingerenz des Schuldners lag und eine GesamtabrechnungdesProjekts nach Ablauf der vereinbarten Dauer zu erfolgen hatte, die vereinbarungsgemäß entweder zu einer Restzahlung der Beklagten oder einer Rückzahlung des Schuldners führen sollte. Die Zuwendungen wurden für bestimmte vom Schuldner aufgewandte Kosten gewährt, sie standen aber den von diesem zu erbringenden – im Umfang auch nicht näher konkretisierten – einzelnen Leistungen nicht unmittelbar gegenüber.

[13] Die Beklagte leistete damit auch vor Insolvenzeröffnung keine „Überzahlungen“, sondern die in den – vom Kläger fortgeführten – Förderverträgen vereinbarten Raten. Entgegen der Ansicht des Klägers bleibt vor dem Hintergrund der weiterhin zu erfüllenden Förderverträge auch kein Platz für die Annahme eines der Beklagten vor Insolvenzeröffnung entstandenen Rückforderungsanspruchs, den sie als Insolvenzforderung anmelden könnte.

[14] 4. Daraus folgt, dass die Forderungen der Masse aus der Fortführung der Verträge den – nach Legung der aus dem Vertrag geschuldeten Endabrechnung feststehenden – Masseforderungen der Beklagten gegenüberstanden. Die Aufrechnung ihrer Forderungen aus dem „Startpaket N*“ mit den offenen Forderungen aus dem „Startpaket T*“ und dem „Startpaket W*“ ist damit nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB (RS0033974) – dass die entsprechenden Voraussetzungen grundsätzlich vorliegen, wird vom Kläger nicht bestritten – auch außergerichtlich zulässig.

[15] 5. Damit erweist sich die Argumentation des Klägers, die Beklagte müsse ihre Forderungen aus den vor Insolvenzeröffnung getätigten „Überzahlungen“ als Insolvenzforderung anmelden, während die Masse sämtliche danach aufgewendeten Kosten – unabhängig selbst von einer Überschreitung der maximalen Fördersummen – zu erhalten habe, ebenso wenig als stichhaltig, wie jene, dass die Beklagte mit einer aus der Endabrechnung „Startpaket N*“ resultierenden „Insolvenzforderung“ dem Aufrechnungsverbot des § 20 IO unterliege. Auf die Auslegung von § 21 Abs 4 IO muss daher nicht eingegangen werden.

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