OGH 4Ob125/23w

OGH4Ob125/23w12.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A*, geboren * 2007, *, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters M*, vertreten durch Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Februar 2023, GZ 44 R 30/23x‑179, mit welchem den Rekursen des Minderjährigen und des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 27. Oktober 2022, GZ 1 Pu 187/17f‑166, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00125.23W.0912.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurswird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Rekursgericht gab den vom Minderjährigen und vom Vater erhobenen Rekursen gegen den Beschluss des Erstgerichts nicht Folge, mit welchem dem Antrag des Kindes, seinen Unterhalt ab 1. 1. 2014 zu erhöhen, teilweise Folge gegeben worden war (dem Antrag auf Erhöhung des laufenden Unterhalts um zuletzt 605 EUR hatte das Erstgericht dabei im Umfang von 346 EUR stattgegeben). Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[2] Der Vater erhob dagegen ein von ihm „Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG in eventu a.o. Revisionsrekurs“ benanntes Rechtsmittel, in dem er zunächst die Ansicht vertrat, der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts übersteige 30.000 EUR, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Er erhob zudem eine Zulassungsvorstellung mit dem Antrag, den ordentlichen Revisionsrekurs doch zuzulassen; sowohl für den Fall der Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses „aber auch für den Fall des Ausspruches gemäß Antrag der Zulassungsvorstellung“ werde der „außerordentliche“ Revisionsrekurs erhoben, zu welchem der Rechtsmittelwerber inhaltliche Ausführungen erstattete.

[3] Das Rekursgericht fasste am 2. 5. 2023, GZ 44 R 30/23x‑184, einen Beschluss, mit welchem es (ausdrücklich nur) die Zulassungsvorstellung zurückwies und aussprach, dass gegen seinen Beschluss kein Rechtsmittel zulässig sei. Inhaltlich vertrat das Rekursgericht darin die Auffassung, die Zulassungsvorstellung erfülle nicht die Formalvoraussetzung, mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbunden zu sein, sondern enthalte nur einen eventualiter erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs; die Zulassungsvorstellung sei daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen. In der Folge meinte das Rekursgericht aber, die Zulassungsvorstellung „wäre auch inhaltlich nicht berechtigt“, weil sie – aus von ihm näher dargelegten Gründen – keine erhebliche Rechtsfrage aufzeige; die Zulassungsvorstellung sei „somit auch inhaltlich zurückzuweisen“.

[4] Daraufhin legte das Erstgericht den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor, was der Rechtsmittelwerber zudem auch am 6. 6. 2023 mit der Behauptung, dies sei nach § 62 Abs 5 AußStrG zulässig, ausdrücklich beantragt hatte.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Entgegen der vomRechtsmittelwerber vertretenen Ansicht übersteigt der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 30.000 EUR:

[6] 1.1. Bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands des Rekurs‑ oder Berufungsgerichts in Unterhaltsverfahren kommt es dann, wenn (auch) laufende Ansprüche zu beurteilen sind, grundsätzlich auf den 36‑fachen Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags an, der zum Zeitpunkt der Entscheidung der zweiten Instanz zwischen den Parteien noch strittig war (RS0122735). Wird also eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet den Streitwert nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (RS0046543). Dabei ist regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen (RS0122735 [T8]); gesondert begehrte, bereits fällig gewordene Ansprüche sind grundsätzlich nicht zusätzlich neben diesem Dreifachen zu bewerten (RS0103147 [insb T26, T29, T33]; RS0046543 [T2, T3]).

[7] 1.2. Weder überstieg der in diesem Sinne maßgebliche Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts in Ansehung des strittigen laufenden Unterhalts (605 EUR pro Monat, zuletzt ab 1. 11. 2022) 30.000 EUR noch war der Durchschnitt dreier Jahre strittigen fälligen offenen Unterhalts höher als das Dreifache der Jahresleistung des strittigen laufenden Unterhalts (vgl RS0046543 [T3]).

[8] 1.3. Da das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zugelassen hat und der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt, kann kein außerordentlicher Revisionsrekurs im Sinne des § 62 Abs 5 AußStrG erhoben werden.

[9] 2. Auch sonst ergibt sich keine Zulässigkeit eines weiteren Rechtszugs an den Obersten Gerichtshof:

[10] 2.1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 dieses Gesetzes – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Beide Voraussetzungen liegen hier vor.

[11] 2.2. In einem solchen Fall kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts – beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung). Die Zulassungsvorstellung, die mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen.

[12] 2.3. Der Rechtsmittelwerber hatte (auch) eine Zulassungsvorstellung erhoben und dies „aber auch für den Fall des Ausspruches gemäß Antrag der Zulassungsvorstellung“ mit einem – von ihm verfehlt als „außerordentlich“ bezeichneten – Revisionsrekurs verbunden.

[13] Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts konnte dies nur als Geltendmachung eines ordentlichen Revisionsrekurses verstanden werden, zumal bekanntermaßen die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise hindert (RS0036258).

[14] 2.4. Das Rekursgericht hat in der Folge die Zulassungsvorstellung zudem nicht nur aus formalen Gründen zurückgewiesen (was im Übrigen unangefochten blieb), sondern diese auch inhaltlich im Hinblick auf das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen geprüft, solches verneint und die Zulassungsvorstellung dementsprechend auch im Sinne des § 63 Abs 4 AußStrG zurückgewiesen.

[15] Daraus folgt aber einerseits nach § 63 Abs 4 AußStrG zwingend die – vom Rekursgericht aufgrund seiner verfehlten Rechtsansicht (Pkt 2.3) irrig nicht ausdrücklich ausgesprochene – Zurückweisung des (ordentlichen) Revisionsrekurses, sondern auch, dass damit der weitere Rechtszug an den Obersten Gerichtshof auch in dieser Hinsicht nicht zulässig ist: Das Rekursgericht hat die Argumente des Antragstellers, es lägen doch erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG vor, geprüft und nicht für stichhältig angesehen, was den Rechtsmittelausschluss nach § 63 Abs 4 letzter Satz AußStrG unberührt lässt (RS0115271 [T6]; vgl RS0113122 [T4]).

[16] 3. Insgesamt ist daher das Rechtsmittel des Vaters unzulässig.

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