OGH 14Os65/23z

OGH14Os65/23z6.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. Februar 2023, GZ 10 Hv 38/22m‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00065.23Z.0906.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung wurde * P* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom 9. November 2021 bis zum 26. Jänner 2022 in S* als gemäß § 27a Epidemiegesetz 1950 bescheidmäßig bestellte geeignete Person zur Unterstützung bei Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung des Erregers SARS‑CoV‑2 mit dem Vorsatz, „die Republik Österreich (richtig Mag. Dr. * S*) an ihrem (seinem) Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG, US 7, 11, 16) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des (richtig: vgl Art 10 Abs 1 Z 12 B‑VG; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 50) Bundes (US 7, 13)als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäftevorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er in insgesamt dreizehn Angriffen im Rahmen der ihm eingeräumten Befugnis (US 3 f, 14), auf die landeseigene Datenbank M‑EPI (Meldung Epidemiologisches Informationssystem) zuzugreifen, ohne dienstliche Veranlassung aus privatem Interesse zum Aktenzeichen „M‑EPI ID *“ betreffend Mag. Dr. * S* Abfragen vornahm, wobei er jeweils in den elektronischen Akt Einsicht nahm, um insbesondere Informationen zum aktuellen Aufenthaltsort des Genannten und zu dessen Impfdaten zu erlangen (US 5–7).

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Über die eingangs angeführten Konstatierungen hinaus stellte das Erstgericht fest, dass der Angeklagte für die Bearbeitung der Vergütungsakten und der Covid‑19‑Verdachtsfälle eingesetzt wurde und beide Tätigkeiten einen Zugriff auf die landeseigene Datenbank „M‑EPI“ erforderten, die unter anderem den Namen, das Geburtsdatum, die Adresse, die Sozialversicherungsnummer, im System gespeicherte Befunde im Zusammenhang mit Covid‑19 und den Impfstatus von Personen enthielt. Die täglich einlangenden Covid‑Verdachtsmeldungen wurden seitens der Gesundheitsbehörden in diese Datenbank eingespeist und die zuständigen Bearbeiter, darunter auch der Angeklagte, arbeiteten diese Meldungen dadurch ab, dass sie an Personen Verdachtsfallbescheide übermittelten und damit die Absonderung verfügten, wobei im Zuge dieser Bearbeitung teilweise Abfragen im System erforderlich waren (US 3 f).

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell [auch] Z 5, 5a und 10), die sich auf eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (AZ LVwG‑AV‑1770/001-2021) beruft, legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb der Beamtenbegriff im strafrechtlichen Sinn (hier des § 302 Abs 1 StGB iVm § 74 Abs 1 Z 4 StGB) nicht rein funktional zu verstehen sein, sondern es auf die dienstrechtliche Stellung ankommen soll (vgl RIS‑Justiz RS0092043 [T8]; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 4 ff mwN; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 13 ff, 91 iVm Rz 19je mwN). Die auf der gänzlich unbegründeten Behauptung, der Angeklagte sei (auch) „funktionell nicht als Beamter“ aufgetreten und habe „keine Amtsgeschäfte für das Land Niederösterreich vorgenommen“, aufbauende Forderung nach Negativfeststellungen zu einem, seine Beamtenstellung umfassenden Vorsatz des Angeklagten und zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs orientiert sich – ohne einen Begründungsmangel aufzuzeigen – nicht an den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 7) und verfehlt solcherart gleichfalls die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS‑Justiz RS0099810).

[6] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf der Basis der Urteilskonstatierungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823).

[7] Indem die Rüge die vom Erstgericht als einer diversionellen Erledigung entgegenstehend angeführten Annahmen (US 17; vgl auch US 7 ff) der fehlenden Verantwortungsübernahme durch den Angeklagten (dazu RIS‑Justiz RS0116299, RS0126734) sowie des Vorliegens von general‑ und spezialpräventiven Hindernissen (§ 198 Abs 1 StPO) bestreitet und diesen bloß eigene Überlegungen entgegensetzt, verfehlt sie diese Kriterien.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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