OGH 15Os75/23b

OGH15Os75/23b30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eschenbacher in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 4. April 2023, GZ 13 Hv 106/22h‑52.6, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00075.23B.0830.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 9. Oktober 2022 in S* * E*

A./ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sich mit entblößtem Penis auf das am Rücken am Bett liegende Opfer legte, ihr die Hose und Unterhose auszog, mit seinem Penis vaginal in sie eindrang, wobei E* aufgrund von Schmerzen im Intimbereich wiederholt forderte, dass er seine Handlungen einstellen möge, woraufhin er sie weiterhin mit seinem Penis sowie teilweise auch mit einem Finger vaginal penetrierte und sie, als sie den Angeklagten von sich wegdrücken wollte, festhielt, ihre Hände hinter ihrem Kopf fixierte und auf das Bett drückte und den vaginalen Geschlechtsverkehr fortsetzte, wobei er ihr Verletzungen im Intimbereich, insbesondere einen Dammriss, zufügte;

B./ im Anschluss an die unter Punkt A./ angeführte Tat vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihren Kopf gegen einen Kleiderkasten stieß und ihr eine offene Bierdose gegen den Kopf schlug, wodurch sie eine drei Zentimeter lange Rissquetschwunde an der Stirn erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Mit Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zur Aussagefähigkeit der Zeugin E* (ON 52.5, 20). Die Rüge scheitert schon daran, dass im Antrag nicht dargetan wurde, dass die Genannte die Zustimmung zu einer psychiatrischen Untersuchung erteilen würde (vgl RIS‑Justiz RS0097584). Zudem ist die Hilfestellung durch einen Sachverständigen bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit einer Zeugin nur aufgrund – im Antrag nicht substantiell dargestellte – konkreter Bedenken gegen deren allgemeine Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit oder ihre vom Einzelfall unabhängige Aussageehrlichkeit sowie bei Anhaltspunkten für eine psychische Erkrankung, Entwicklungsstörung oder einen sonstigen erheblichen Defekt der Zeugin erforderlich (RIS‑Justiz RS0097576; RS0097733; vgl zu den psychischen Problemen der Zeugin US 9).

[5] Entgegen dem Vorbringen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) verfiel auch der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Gynäkologie zum Beweis dafür, dass „die bei der Untersuchung festgestellten Damm‑Fissuren ... älteren Datums waren und von den Sexualverkehren acht bis neun Tage vor dem Vorfall herrühren“ (ON 52.5, 20), zu Recht der Abweisung, zielte er doch auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0099453).

[6] Die Frage, ob das Opfer vor den Angriffen unter der Jogginghose eine Unterhose trug oder nicht, betrifft keinen entscheidenden Umstand, weshalb der von der Mängelrüge erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0099612). Im Übrigen wird mit der Behauptung, die Feststellung zur Bekleidung der Zeugin E* stünde im Widerspruch zu deren Aussage, Aktenwidrigkeit der Sache nach gar nicht eingewendet (RIS‑Justiz RS0099431 [T15]).

[7] Ob das Opfer einen Dammriss oder Fissuren im Dammbereich erlitten hat, betrifft entgegen dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) neuerlich keine entscheidende Tatsache (vgl RIS‑Justiz RS0106268).

[8] Die weitere Mängelrüge spricht keine Anfechtungskategorie der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO an, indem sie darauf verweist, die Zeugin E* hätte bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung erst auf ausdrückliche Nachfrage von einer Penetration mit dem Finger gesprochen, vor der Polizei hätte sie dies nicht angegeben. Im Übrigen wird auch in diesem Zusammenhang angesichts der Feststellungen zur Penetration mit dem Penis keine entscheidende Tatsache angesprochen (vgl neuerlich RIS‑Justiz RS0106268).

[9] Betreffend die erstgerichtliche Feststellung, wonach der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung während der Taten fähig war, das Unrecht dieser einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 7), erhebt die weitere Mängelrüge den Vorwurf der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall). Sie bezeichnet aber kein Verfahrensergebnis, welches von den Tatrichtern übergangen worden wäre (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0099578).

[10] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen im Urteil aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583). Indem die Tatsachenrüge ausführt, die erstgerichtliche Feststellung „hinsichtlich der Unterhose“ sei unrichtig, weil sie in krassem Widerspruch zur Aussage der Zeugin E* stehe, und entgegen der erstgerichtlichen Feststellung eines Dammrisses seien bei der Zeugin laut Bericht des Krankenhauses Fissuren im Dammbereich befundet worden, wird dieser Rahmen verlassen.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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