OGH 7Ob117/23s

OGH7Ob117/23s30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. T*, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei F* KG, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M*-AG, *, vertreten durch Mag. Werner-Felix Diebald, Rechtsanwalt in Köflach, wegen 1.923,12 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 19. April 2023, GZ 6 R 201/22f‑35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00117.23S.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist bei der Beklagten aufrecht krankenzusatzversichert. Diesem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten‑ und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB-1995/Fassung Jänner 2018) zugrunde. Sie lauten auszugsweise:

„§ 2 Abschluss des Versicherungsvertrages

[...]

(4) Über die Antragsannahme (Beitrittsannahme) entscheidet die Geschäftsleitung des Versicherers. Anträge (Beitritte) können ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen. Mit der Zustellung (Aushändigung) des Versicherungsscheines oder einer schriftlichen Annahmeerklärung ist der Versicherungsvertrag abgeschlossen. Vor Abschluss des Vertrages (Beitritt zur Gruppenversicherung) besteht kein Versicherungsschutz.

(5) Bei neugeborenen Kindern verzichtet der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung unter folgenden Voraussetzungen auf das Recht der Ablehnung [§ 2 Abs. (4)] und auf einen Leistungsausschluss ge m. § 6 Abs. (1) und (2).

a) Die Eltern des Kindes müssen seit mindestens drei Monaten nach Tarifen versichert sein, die dem für das Kind beantragten Versicherungsschutz entsprechen;

b) die Mitversicherung des Kindes muss innerhalb eines Monats nach der Geburt mit Wirkung ab dem Geburtsmonat beantragt werden;

c) wenn schon Kinder vorhanden sind, müssen alle im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder unter 18 Jahren im Anschluss an die Versicherung der Eltern schon mitversichert sein.

[…]“

[2] Versicherungsmaklerin der Klägerin war die Nebenintervenientin. Der Sohn der Klägerin wurde am 12. 10. 2019 geboren. Am 5. 11. 2019, übermittelte die Klägerin den Antrag auf Mitversicherung ihres Sohnes mit Versicherungsbeginn 01. 11. 2019 an die Nebenintervenientin. Diese leitete den Antrag 13. 11. 2019 an die Beklagte zur Prüfung weiter. Nach telefonischer Einforderung einiger zusätzlicher Informationen erstellte die Beklagte am 14. 11. 2019 ein Anbot für eine Mitversicherung, mit Beginn 1. 11. 2019 (Stichtag 1. 12. 2019) um eine monatliche Prämie von 37,26 EUR mit folgenden Zusatzangaben:

„Die Berechnung [der Prämie] bezieht sich auf oben angeführten Versicherungsbeginn und beruht auf der Voraussetzung, dass die versicherte(n) Person(en) gesund ist (sind) und keine erhöhten Risiken bekannt sind. Für einen Vertragsabschluss ist ein eigener Antrag und dessen Annahme durch die M* AG erforderlich.“

[3] Nach Rücksprache mit der Klägerin erklärte darauf hin die Nebenintervenientin mit E‑Mail vom 20. 11. 2019 der Beklagten gegenüber, die Klägerin nehme das Anbot an und ersuchte um Polizzierung. DieBeklagte teilte der Nebenintervenientin mit, dass der Antrag an die Fachabteilung zur Polizzierung weitergeleitet werde. Während der Antragsprüfung durch die Beklagte wurde beim Sohn der Klägerin eine Erbkrankheit festgestellt, die der Beklagten am 21. 11. 2019 nachgemeldet wurde. Die Beklagte lehnte daraufhin die Annahme des Mitversicherungsantrags ab.

[4] Die Klägerin begehrt den Ersatz von im Zusammenhang mit der Erkrankung ihres Sohnes angefallener Heilungskosten und die Feststellung dessen aufrechter Mitversicherung in ihrem Krankenzusatzversicherungsvertrag bei der Beklagten.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revisionen der Klägerin und der Nebenintervenientin sind mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

[7] 1. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten durch die Annahme des Anbots der Beklagten vom 14. 11. 2019 durch die Klägerin am 20. 11. 2019 noch kein Versicherungsvertrag zustandegekommen ist, ist vor dem Hintergrund der von der Beklagten gemeinsam mit ihrem Anbot vom 14. 11. 2019 übermittelten Zusatzangaben, ob es und wie – erst in weiterer Folge – zu einem Vertragsschluss kommen werde, nicht korrekturbedürftig, auch wenn in dem Schreiben von einem Anbot die Rede ist.

[8] 2.  Dass die Klägerin die Voraussetzungen für die begünstigte Mitversicherung von Neugeborenen nach § 2 Abs 5 der AVB der Beklagten nicht erfüllt hat, ziehen die Revisionswerber zu Recht nicht mehr in Zweifel.

[9] 3. Eine Krankenzusatzversicherung kann nur auf Basis der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer geschlossen werden. Hier geht es um eine begünstigte Einbeziehung eines Kindes in einen bestehenden Vertrag unter Verzicht der Beklagten auf ihr Ablehnungsrecht, wofür Bedingungen vorgesehen wurden. Das Festlegen von Bedingungen dafür hat den offenbaren Grund in der Prämienkalkulation des im Rahmen der Gesetze darin freien Versicherers (vgl 7 Ob 130/13p wo bereits aus gleicher Klausel die Rechtsansicht, dass darin eine unsachliche Differenzierung liegt, unbeantwortet blieb). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, § 2 Abs 5 der AVB der Beklagten sei in diesem Rahmen weder gröblich benachteiligend noch intransparent, ist nicht zu beanstanden.

[10] 4. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Versicherungsmakler zwar regelmäßig ein Doppelmakler, wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren (RS0114041). Ein Pseudomakler ist ein Vermittler, der zum Versicherer in einem solchen wirtschaftlichen Naheverhältnis steht, das es zweifelhaft erscheinen lässt, ob er in der Lage ist, überwiegende Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (§ 44 VersVG; RS0114041). Dass die Vorinstanzen von einem solchen Naheverhältnis nicht ausgegangen sind, bedarf unter Berücksichtigung der Feststellungen, wonach keine dauernde Geschäfts‑ oder Vermittlungstätigkeit zwischen der Nebenintervenientin und der Beklagten besteht und die Nebenintervenientin von verschiedenen Angeboten verschiedener Versicherungs‑unternehmen das ihrer Ansicht nach entsprechend beste Angebot für den jeweiligen Versicherungsnehmer sucht und nicht für eine bestimmte Versicherung tätig wird, keiner Korrektur. Der von der Nebenintervenientin für ein besonderes Naheverhältnis ins Treffen geführte Umstand, sie habe in der Sparte Krankenzusatzversicherung immer die Beklagte gewählt, trägt diese Schlussfolgerung nicht, weil die überdurchschnittliche Vertragsvermittlung in bloß einer einzigen Sparte schlicht darauf zurückzuführen sein kann, dass der Makler strikt die ihm obliegende Pflicht zu „best advice“ befolgt und erkennt, dass ein bestimmter Versicherer in besagter Sparte (in der Regel) Bestanbieter ist (Kath in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG [5. Lfg 2020] § 44 Rz 10).

[11] Sekundäre Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang und auch nach dem übrigen Vorbringen nicht vor.

[12] 5. Die Revisionen waren daher spruchgemäß zurückzuweisen.

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