OGH 9Ob8/23a

OGH9Ob8/23a26.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Annerl in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch Mag. Bernhard Hager, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei* B*, vertreten durch BLS Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H, *, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.400.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2023, GZ 13 R 170/22y‑85, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00008.23A.0726.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil in seinen Spruchpunkten 1) und 2) wiederhergestellt wird.

Die Kosten der Verfahren aller drei Instanzen sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die – damals unvertretene – Klägerin brachte am 12. 11. 2018 eine Klage, datiert vom 1. 11. 2018, samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (inklusive Beigebung eines Rechtsanwalts) beim Erstgericht ein. Darin forderte sie vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von 2.400.000 EUR, weil sie dieser in einem Räumungsverfahren mangelhaft vertreten und sie dadurch den Räumungsprozess verloren habe.

[2] Mit Beschluss vom 16. 1. 2020 bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwalts und trug ihr mit Beschluss vom 29. 1. 2020 (der Verfahrenshelferin zugestellt am 3. 2. 2020, der Klägerin am 4. 2. 2020) auf, ihre Klage binnen vier Wochen durch die bestellte Verfahrenshelferin (die nunmehrige Nebenintervenientin) neu einzubringen, weil im Hinblick auf die absolute Anwaltspflicht die eingebrachte Klage nicht zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeignet sei. Diesem Verbesserungsauftrag war die von der Klägerin am 12. 11. 2018 eingebrachte Klage weder im Original noch in Kopie angeschlossen.

[3] Da dem Verbesserungsauftrag nicht (fristgerecht) nachgekommen wurde, wies das Erstgericht die Klage mit Beschluss vom 10. 3. 2020 (ON 24) als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet zurück.

[4] Nach der Aktenlage (siehe Kanzleivermerk vom 13. 3. 2020) ersuchte die Verfahrenshelferin um Übermittlung der Klage, worauf ihr diese per ERV zugestellt wurde. Das Zustelldatum gemäß § 89d Abs 2 GOG ist der 16. 3. 2020.

[5] Mit Schriftsatz vom 17. 3. 2020 (ON 25) beantragte die Klägerin (vertreten durch die Nebenintervenientin) I. die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses, weil der Verfahrenshelferin die zu verbessernde Klage erst am 13. 3. 2020 zugestellt worden sei und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Klage. Weiters wurde in diesem Schriftsatz unter Punkt II eine Verbesserung der Klage vorgenommen, wobei das Klagebegehren „aus advokatorischer Umsicht“ – unter Vorbehalt der Ausdehnung – mit 16.000 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung beziffert wurde.

[6] Mit Beschluss vom 23. 3. 2020 (ON 26) wies das Erstgericht die Anträge der Klägerin auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 10. 3. 2020 und Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Klage ab.

[7] Am 14. 4. 2020 (ON 29) erstattete die Klägerin (nach Umbestellung vertreten durch MMag. N* als Verfahrenshelfer) einen weiteren Schriftsatz, in dem sie I. eine Adaptierung, II. eine Berichtigung, III. eine Verbesserung des Wiedereinsetzungsantrags vornahm und IV. in eventu Rekurs gegen den Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vom 29. 1. 2020 unter Berücksichtigung der unter einem eingebrachten neuen verbesserten Klage erhob. Die Anträge hätten das Ziel, dass das Klagebegehren (rückwirkend) statt auf Zahlung von 16.000 EUR auf Zahlung von 2.400.000 EUR lautet, weil diese Schadenersatzansprüche zu verjähren drohten, da eine nachträgliche Ausdehnung des Klagebegehrens (von 16.000 EUR auf 2.400.000 EUR) allenfalls nicht auf den Einbringungszeitpunkt der Klage zurückwirken würde. Der Kläger wünsche, dass die verbesserte Klage vom 17. 3. 2020 nunmehr vollständig durch die im vorliegenden Schriftsatz ausgeführte Klage (über 2.400.000 EUR) ausgetauscht bzw ergänzt werde. In eventu werde beantragt, dass das Gericht die mit dem vorliegenden Schriftsatz ausgeführte Klage in Ergänzung (zusätzlich) zum bereits erstatteten Vorbringen bei der Entscheidung berücksichtige und insbesondere die Höhe des Klagebegehrens von 2.400.000 EUR der Entscheidung zugrunde gelegt werde.

[8] Mit Beschluss vom 24. 4. 2020 (ON 30) wies das Erstgericht diesen Rekurs als unzulässig zurück.

[9] Das Rekursgericht gabden gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 24, ON 26 und ON 30 erhobenen Rekurse der Klägerin nicht Folge.

[10] Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen die Beschlüsse des Rekursgerichts ON 26 und ON 30 zurück. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin in Ansehung der Entscheidungen der Vorinstanzen über die Zurückweisung der Klage (ON 24) gab es hingegen Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen die Klage zurückgewiesen wurde, auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die (verbesserte) Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auf. Der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vom 29. 1. 2020 sei nicht ordnungsgemäß erteilt worden, weil dieses der Klägerin die zu verbessernde Klage nicht zurückgestellt habe. Die Verbesserungsfrist habe daher nicht zu laufen begonnen, die Verbesserung sei weiterhin möglich geblieben. Der Verbesserungsauftrag sei in der Zwischenzeit erfüllt worden (9 Ob 34/20w).

[11] Bereits in der am 9. 10. 2020 erstatteten Klagebeantwortung erhob der Beklagte den Verjährungseinwand, gestützt darauf, dass nach Einschränkung des Klagebegehrens auf 16.000 EUR wieder eine Klagsausdehnung auf 2.400.000 EUR vorgenommen worden sei. Im folgenden Verfahren begründete der Beklagte die Einrede der Verjährung auch damit, dass der Klägerin schon mit Zustellung des Ersturteils im Vorprozess am 30. 1. 2015, jedenfalls aber mit Zustellung der Berufungsentscheidung (Bestätigung des Räumungsurteils) am 13. 11. 2015 der Schaden als auch der Schädiger und die wesentlichen Zusammenhänge bekannt gewesen sei. Selbst unter Berücksichtigung einer zweimonatigen Überlegungsfrist habe die Verjährung des Klagsanspruchs am 19. 3. 2015 zu laufen begonnen, sodass bei Klagseinbringung bereits Verjährung eingetreten gewesen sei. Jedenfalls spätestens aber mit Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am 1. 7. 2016, womit die – ohnehin aussichtslose – außerordentliche Revision der Klägerin (dort Beklagte) zurückgewiesen worden sei, habe die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Im Übrigen sei die Unterbrechungswirkung durch die Ausdehnung des Klagebegehrens vom 14. 4. 2020 (nach erfolgter Einschränkung des Klagebegehrens auf 16.000 EUR) betreffend das über 16.000 EUR hinausgehende Klagebegehren weggefallen. Die Klagsausdehnung sei nach dem Eintritt der Verjährung erfolgt. Die im Verfahren von der Klägerin zu verantwortenden Versäumnisse bewirkten jedenfalls materiell‑rechtlich keine Hemmung des Verjährungsablaufs.

[12] Dem Verjährungseinwand hielt die Klägerin zunächst (Schriftsatz vom 23. 2. 2021) entgegen, dass die Verbesserung der Klage rechtzeitig durchgeführt worden sei, wobei ebenfalls 2.400.000 EUR gefordert worden seien. Die Klägerin habe immer diesen Klagsbetrag begehrt. Eine Verringerung oder Einschränkung des Klagsbetrags seinie erfolgt. Eine Verjährung sei daher nicht eingetreten. Sollte – was von der Klägerin ausdrücklich bestritten werde – eine (teilweise) Verjährung von Ansprüchen vorliegen, werde diesbezüglich die ehemalige Verfahrenshelferin Schadenersatz im Regressweg leisten müssen. Vor diesem Hintergrund werde ihr der Streit verkündet. Sämtliche Bezugnahmen bzw Referenzierungen in anderen Schriftsätzen vom 17. 3. 2020 seien hinfällig und vom Gericht in der Protokollierung des mündlichen Vortrags der Klägerin ebenfalls nicht zu berücksichtigen.

[13] Mit Schriftsatz vom 21. 2. 2022 (ON 66) zog die Klägerin ihren Schriftsatz vom 17. 3. 2020 (ON 25), bestehend aus zwei Anträgen und der Klagsverbesserung „vollinhaltlich und vollständig“ zurück und „verzichtete“ auf dessen Verlesung und mündlichen Vortrag. Da aufgrund der Zurückziehung des Schriftsatzes ON 25 kein mündlicher Vortrag erfolge, könne es auch aus diesem Grund nicht zu einer – vom Beklagten behaupteten – Klagseinschränkung gekommen sein; auch der Verjährungseinwand des Beklagten sei daher unbegründet.

[14] Die Nebenintervenientin bestritt ebenfalls den Einwand der Verjährung.

[15] In der (ersten) mündlichen Verhandlung vom 1. 3. 2022 trug die Klägerin die verbesserte Klage wie im Schriftsatz ON 29 vor.

[16] Der Beklagte erklärte dazu, dass mit der Rückziehung des Schriftsatzes ON 25 die rechtzeitige Verbesserung der Klage entfalle. Durch Zustellung der ursprünglichen Klage an die Verfahrenshelferin am 13. 3. 2020 habe die im Beschluss vom 29. 1. 2020 gesetzte vierwöchige Verbesserungsfrist zu laufen begonnen. Erst am 14. 4. 2022 sei der Verbesserungsschriftsatz des neuen Verfahrenshelfers eingebracht worden. Eine Rückziehung der (ersten) Verbesserung der Klage nur zur Vermeidung der Verjährung sei unzulässig. Zudem sei sämtliches Vorbringen, das danach von der Klägerin erstattet worden sei, präkludiert. Die erstmalige Geltendmachung des Klagsanspruchs sei erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt.

[17] Die Klägerin und die Nebenintervenientin bestritten dieses Vorbringen.

[18] Mit Teil-/Zwischenurteil stellte das Erstgericht fest, dass das Klagebegehren in Ansehung eines Betrags von 16.000 EUR samt 4 % Zinsen nicht verjährt sei (Spruchpunkt 1.), und wies das darüber hinausgehende Begehren von 2.384.000 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz sowie weitere 5,2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz in Ansehung des Klagebegehrens von 16.000 EUR als verjährt ab (Spruchpunkt 2.). Weiters verpflichtete es die Klägerin zum Kostenersatz an den Beklagten (Spruchpunkt 3.).

[19] Ausgehend von der Zustellung der verfahrensbeendenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Räumungsverfahren am 8. 7. 2016 an die Klägerin, ende die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB mit 8. 7. 2019. Eine innerhalb der Verjährungsfrist eingebrachte Klage bewirke die Unterbrechung der Verjährung, wenn das Verfahren gehörig fortgesetzt werde. Die Unterbrechungswirkung komme auch einer verbesserungsbedürftigen Klage zu. Werde von einer unvertretenen Partei eine Klage eingebracht und gleichzeitig die Bestellung eines Verfahrenshelfers beantragt, wirke die spätere Einbringung der formgerechten Klage durch den Verfahrenshelfer auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Eingabe zurück. Der Umfang der Unterbrechungswirkung hänge vom Inhalt des verbesserten Schriftsatzes und Klagebegehrens ab. Der verfahrenseinleitende Schriftsatz enthalte zwar ein auf 2.400.000 EUR gerichtetes Klagebegehren, das aber in der von der Nebenintervenientin am 17. 3. 2020 fristgerecht eingebrachten verbesserten Klage auf 16.000 EUR sA reduziert worden sei. Die Verjährungsfrist sei daher durch die Klagserhebung am 12. 11. 2018 letztlich nur in Ansehung eines Betrags von 16.000 EUR sA unterbrochen worden. Durch die Einbringung der verbesserten Klage sei das Verbesserungsrecht konsumiert worden, weil das im Verbesserungsauftrag beanstandete Formerfordernis – die Anwaltsunterschrift – nachgetragen worden sei. Nach der Erfüllung des Verbesserungsauftrags sei keine weitere Verbesserung zulässig. Die am 14. 4. 2020 eingebrachte neuerliche „Verbesserung der Klage“ stelle keine Verbesserung im Sinne einer Mängelbehebung dar, sondern eine Klagsausdehnung nach dem Ablauf der Verjährungsfrist.

[20] Die Rückziehung des Schriftsatzes ON 25 habe die eingetretene Verjährung nicht beseitigt. Es wäre rechtsmissbräuchlich, die eingetretene Verjährung zu umgehen, indem nachträglich ein eingebrachter Verbesserungsschriftsatz durch beliebige andere Verbesserungsschriftsätze ersetzt werde, dies ohne Verbesserungsauftrag und beliebig oft.

[21] Das Berufungsgericht stellte infolge Berufungen aller Parteien in teilweiser Abänderung des Ersturteils mit Zwischenurteil fest, dass das Klagebegehren über 2.400.000 EUR samt 4 % Zinsen nicht verjährt sei.

[22] In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte es zum Ergebnis, dass die Verjährungsfrist mit Kenntnis der Klägerin (8. 7. 2016) vom Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs zu laufen begonnen habe. Die Klägerin habe, wie aus der Entscheidung 9 Ob 34/20w hervorgehe, keine Verbesserungsfrist versäumt. Da der Antrag ON 25 rechtskräftig zurückgewiesen worden sei, sei der Schriftsatz ON 25 auch schon vor der Rückziehung desselben durch die Klägerin nicht mehr Verfahrensgegenstand gewesen. Jedenfalls sei aber – so die oberstgerichtliche Rechtsprechung (7 Ob 74/19m) – die Klagseinschränkung mangels Vortrags in der mündlichen Streitverhandlung nie wirksam geworden. Die Klagsverbesserung mit Schriftsatz ON 29 habe auf die ursprünglich eingebrachte Klage zurückgewirkt. Von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens iSd § 1497 ABGB könne nicht gesprochen werden, weil die Verbesserung schon im Schriftsatz ON 29 vorgenommen worden sei, bevor das Erstgericht wirksam eine Verbesserungsfrist gesetzt habe. Die Hauptforderung über 2.400.000 EUR sei daher (zur Gänze) nicht verjährt.

[23] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen.

[24] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[25] Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen in ihrer vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[26] Die Revision des Beklagten, in der dieser die Entscheidung des Berufungsgerichts unter anderem deshalb für korrekturbedürftig ansieht, weil es der Beurteilung der Unterbrechungswirkung der Verjährung zu Unrecht nicht die verbesserte Klage ON 25 zugrunde gelegt habe, ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

[27] 1.1. Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen (RS0083144). Wenn Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und hierüber ein Rechtsstreit anhängig ist, wird man dem Geschädigten in der Regel zubilligen müssen, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, weil er erst dann über ausreichend sichere Information für seine Schadenersatzklage verfügt (2 Ob 126/22a Rz 18; RS0083144 [T14, T17, T31]; RS0034908 [T9, T12]).

[28] 1.2. Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung eine Ausnahme, wenn im Einzelfall eine ausreichende Kenntnis vom Schaden gegeben ist, etwa wenn bereits vorher gesicherte Verfahrensergebnisse vorliegen oder der Geschädigte erdrückende Beweise ignoriert (RS0083144 [T22, T32]; RS0034908 [T14, T18]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sich im festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte fänden, die die vom Beklagten behauptete offenbare Aussichtslosigkeit einer außerordentlichen Revision im Räumungsverfahren begründeten, ist zutreffend. Dem setzt die Revision des Beklagten auch keine tragenden Argumente entgegen.

[29] 2.1. Eine nicht prozessordnungsgemäße Klage unterbricht die Verjährung unter den weiteren Voraussetzungen des § 1497 ABGB, wenn diese in der Folge – etwa durch den dem Kläger im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt – ordnungsgemäß verbessert wird (1 Ob 245/05v; 1 Ob 65/14m Pkt 2.2.; 8 Ob 65/20x Pkt 1; RS0034695; Kodek in Fasching/Konecny 3 II/2 § 85 ZPO Rz 153).

[30] 2.2. Das Fehlen der Anwaltsunterschrift bewirkt einen Formmangel. Aus dogmatischer Sicht ist die Partei bei Anwaltspflicht postulationsunfähig. Insofern stellen die § 84 iVm § 75 Z 3 ZPO Vorschriften zur Beseitigung der Postulationsunfähigkeit dar (Kodek in Fasching/Konecny 3 II7 § 85 ZPO Rz 78).

[31] 2.3. Der in der Folge einschreitende Rechtsanwalt ist bei Anwaltspflicht nicht an den Inhalt der ursprünglichen Eingabe gebunden. Er kann den ursprünglichen Schriftsatz (unverändert) zusammen mit einem neuen, den Form- und Inhaltserfordernisses entsprechenden Schriftsatz vorlegen (RS0036401). Wahlweise kann er auch die ursprüngliche Eingabe unterfertigen und diese neuerlich einbringen; allenfalls erforderliche weitere Erklärungen kann er in einer ergänzenden Eingabe oder auf dem Originalschriftsatz abgeben (RS0036401 [T1]). Der einschreitende Rechtsanwalt kann im Anwaltsprozess aber auch einen anderen Schriftsatz überreichen. Dabei kann die Vorlage des Anwaltsschriftsatzes die Vorlage des Originalschriftsatzes substituieren, weil der erste Schriftsatz mangels Postulationsfähigkeit überhaupt unwirksam war (Kodek in Fasching/Konecny³ II7 § 85 ZPO Rz 78, 215 mwN; Gitschthaler in Rechberger 5 § 85 ZPORz 22).

[32] 3.1. Im vorliegenden Rechtsstreit wurde eineverbesserte neue Klage unter Nachholung der Unterschrift eines Rechtsanwalts am 17. 3. 2020 eingebracht. Dabei handelt es sich somit nach Beseitigung des Formmangels im gegenständlichen Verfahren um die erste zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeignete Klage (und um keine Klagseinschränkung). Die in den Rechtsmittelschriften relevierte Rechtsfrage, ob die Wirksamkeit einer Klagseinschränkung einem Vortrag in der mündlichen Verhandlung bedarf, muss hier daher nicht beantwortet werden. In dieser – ersten zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeigneten – Klage wurde aber lediglich („aus advokatorischer Umsicht“ und unter Vorbehalt einer Ausdehnung) ein Schadenersatzbetrag von 16.000 EUR gefordert. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, umfasste die Unterbrechungswirkung der Verjährung daher nur diesen Klagsbetrag. Macht der Kläger aber nur einen Teil seines behaupteten Anspruchs geltend, wird die Verjährung auch nur in Ansehung des eingeklagten Teilbetrags unterbrochen (RS0118623 [T2]). Die mit Schriftsatz vom 14. 4. 2020 vorgenommene „Adaptierung“ bzw „Berichtigung“ des begehrten Klagsbetrags von 16.000 EUR auf 2.400.000 EUR stellt inhaltlich eine Klagsausdehnung dar, weil in der verbesserten Klage vom 17. 3. 2020 klar und unmissverständlich (wenn auch nach der Revisionsbeantwortung der Klägerin fälschlicherweise) nur ein Betrag von 16.000 EUR gefordert wurde. Am 14. 4. 2020 war das den Klagsbetrag von 16.000 EUR übersteigende Mehrbegehren aber – ausgehend vom Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist mit 8. 7. 2016 – bereits verjährt. Der bloße Vorbehalt einer Ausdehnung des eingeklagten Betrags ist nicht als „Belangung“ im Sinne des § 1497 ABGB aufzufassen (RS0034643).

[33] 3.2. Richtig ist zwar – so die Revisions beantwortungen –, dass der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin (Punkt I in ON 25) abgewiesen wurde. Unrichtig ist aber, dass „dadurch“ die im Schriftsatz vom 17. 3. 2020 (auch ausdrücklich unter Punkt II in ON 25 angeführte) enthaltene Klagsverbesserung „keine Verbesserungswirkung entfaltet“ hätte, ist doch die Klagsverbesserung auch im Zusammenhang mit dem zugleich mit der Wiedereinsetzung in Punkt I beauftragten „Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses“ zu sehen, welcher Antrag im Ergebnis erfolgreich war. Dem steht auch nicht entgegen, dass die von der Klägerin im Schriftsatz vom 14. 4. 2020 (ON 29) neuerliche vorgenommene „Klagsverbesserung“ nicht abgewiesen wurde, handelte es sich doch tatsächlich um eine Klagsausdehnung von 16.000 EUR auf 2.400.000 EUR. Einer gesonderten Entscheidung über die „Klagsverbesserung“ bedurfte es nicht.

[34] 3.3. Von der in der Revisionsbeantwortung der Klägerin relevierten Frage der Verjährungsunterbrechung durch die Erhebung des Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts vom 10. 3. 2020 (ON 24) und des Revisionsrekurses gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts vom 29. 5. 2020 (ON 35) hängt die hier zu beurteilende Rechtsfrage, wann die Klägerin erstmals ihre ursprünglich ohne Anwaltsunterschrift eingebrachte Klage verbessert hat, nicht ab. Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens wird der Klägerin nicht vorgeworfen.

[35] 3.4. Die in der Revisionsbeantwortung der Klägerin angesprochene analoge Anwendung des Art XLVI EGZPO verbietet sich schon mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke (vgl RS0098756).

[36] 3.5. Dass die Klägerin, damals vertreten durch die Nebenintervenientin als Verfahrenshelferin, in der Klagsverbesserung vom 17. 3. 2020 lediglich aufgrund eines „offenkundigen Irrtums bzw allenfalls der Schwierigkeit der Schadensbezifferung“ den Klagsbetrag mit 16.000 EUR festgesetzt hat, lässt sich diesem Schriftsatz nicht entnehmen. Vielmehr weist die Verfahrenshelferin zum einen auf die mangelnde Deckung durch ihre Berufshaftpflichtversicherung hin, zum anderen wird ausdrücklich der Schaden unter Vorbehalt der Ausdehnung des Klagebegehrens „aus advokatorischer Vorsicht“ mit 16.000 EUR beziffert.

[37] 3.6. Dem Einwand der Klägerin, der Verjährungseinwand des Beklagten sei sittenwidrig, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil der Eintritt der Verjährung auf kein Verhalten des Beklagten zurückgeht (vgl RS0034537 [T1]).

[38] 4.1. Bei Auslegung eines Schriftsatzes als Prozesserklärung ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0017881). Maßgeblich ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozess- und Aktenlage objektiv verstanden werden musste (RS0037416).

[39] 4.2. Auch wenn die Klägerin erklärte, den Schriftsatz vom 17. 3. 2020 „vollinhaltlich und vollständig“ zurückzuziehen, kann dieses Vorbringen insgesamt objektiv sinnvoll (vgl RS0106326) nicht anders verstanden werden, als dass sie damit nicht die Klage über die 16.000 EUR (ersatzlos) zurückzog, sondern nur die Klageeinschränkung auf 16.000 EUR widerrief, um an ihrem Prozessziel (der Verurteilung des Beklagten zu Schadenersatz in Höhe von 2.400.000 EUR) festzuhalten. Zudem ist bei der Auslegung von Parteiprozesshandlungen nach deren objektiven Erklärungswert jener Variante der Vorzug zu geben, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen (RS0106326). Ohne das Einverständnis des Beklagten (welches nicht vorliegt), hätte die Klage aber nur bis zum Einlangen der Klagebeantwortung (zur Gänze) zurückgenommen werden können (vgl § 237 Abs 1 ZPO).

[40] 5. Bei den vom Beklagten in seiner Revision geltend gemachten Aktenwidrigkeiten handelt es sich inhaltlich um eine behauptete unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts. Darauf wurde bereits oben näher eingegangen.

[41] 6. Zusammengefasst wurde die ursprünglich ohne Anwaltsunterfertigung eingebrachte Schadenersatzklage über 2.400.000 EUR unter Nachholung der Unterschrift eines Rechtsanwalts am 17. 3. 2020 verbessert. Dabei handelt es sich somit nach Beseitigung des Formmangels im gegenständlichen Verfahren um die erste zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeignete Klage. Da in dieser Klage aber lediglich ein Schadenersatzbetrag von 16.000 EUR gefordert wurde, ist der darüber hinausgehende Schadenersatzbetrag, der mit der Klagsausdehnung vom 14. 4. 2020 begehrt wird, verjährt. Die Schadenersatzforderung von 16.000 EUR ist – entgegen der Rechtsauffassung der Revision – nicht verjährt, weil die Klägerin mit ihrer Erklärung, den Schriftsatz vom 17. 3. 2020 zurückzuziehen, nicht die Klage über die 16.000 EUR (ersatzlos) zurückzog, sondern nur die Klageeinschränkung auf 16.000 EUR widerrief.

[42] Der Revision des Beklagten war daher teilweise Folge zu geben und die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

[43] Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und der beiden Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 393 Abs 4 iVm 52 Abs 4 ZPO. § 393a ZPO enthält zwar keinen Verweis auf § 393 Abs 4 ZPO, das sogenannte „Zwischenurteil zur Verjährung“ stellt aber nur einen Sonderfall eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs dar, mit dem über nur einen Einwand zum Grund des Klageanspruchs, nämlich Verjährung, entschieden werden kann. Es ist daher kostenmäßig nicht anders zu behandeln als ein allgemeines Zwischenurteil. Der Kostenvorbehalt beruht somit darauf, dass bei Bestätigung eines („stattgebenden“) Zwischenurteils ein endgültiger Kostenzuspruch nicht in Betracht kommt (3 Ob 162/12p Pkt 7.; RS0035896).

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